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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Und die andere Partei -- die Freisinnigen, die Deisten -- ja du lieber
Gott, mit denen ist das wieder eine ganz kitzliche Sache -- die hören wol recht
gern einmal, anch von einer Kanzel herunter, daß sie recht haben, und daß man
dem lieben Gott auch "im Geist und in der Wahrheit" und uicht blos durch
äußern Prunk dienen könne, aber das ist auch Alles -- das Kirchengehn ist
ihnen kein Bedürfniß mehr, eben so wenig mögen sie viel Geld ausgeben, Kirche
und Prediger zu unterhalten, und das Resultat bleibt dasselbe, sie werden gleich-
giltig. Der Pastor, der sich der Religion gewidmet hat, besitzt außer dem zu
diesem Zwecke verwandten Geist auch eiuen Körper, der gekleidet, gegen das
Wetter geschützt, und einen Magen, der befriedigt sein will, und das Wort,
"der Mensch lebt nicht vom Brod allein," läßt sich auch eben so wohl umdrehen
und auf den heiligen Geist anwenden.

Doch genug vou deu religiösen Secten und Verhältnissen dieses kleinen deutschen
Oertchcus, das solcher Art seiue eigenen Interessen, inmitten einer englischen Be¬
völkerung vertritt und behauptet. -- Aus der Kirche auf deu Acker ist uur ein
Schritt, und ich athme noch einmal so frei, als ich wieder frische Lust schöpfe, um
mich aber, und über mir den klaren sonnigen Himmel sehe.

Tannnda ist besonders ein kleines ackerbauendes Städtchen und hat ziemlich
gutes Laud in seiner Nähe. -- Die Bevölkerung ist dabei fleißig und -- eine
Hauptsache in diesem Erwerbszweig -- ausdauernd, und Hunderte, die mit we¬
nig oder gar keinen Mitteln Hieher gekommen sind, haben sich jetzt schon ein klei¬
nes Besitzthum gegründet, und leben zufrieden, oder doch wenigstens sorgenfrei.
Der deutsche Fleiß, den auch die Engländer gut genug zu schätzen wissen, spricht
sich besonders hier an manchen Stellen aus, wo z. B. die Kavelschen Gemeinden
bei ihrer erste" Ankunft für sehr theures Geld keineswegs gutes Land gepachtet
oder gekauft habe", wo wenigstens unter mehr praktischer Leitung mit ein klein
wenig mehr hausbackener Erfahrung und ein klein Bißchen weniger heiligem Geist
für geringere Summen jedenfalls besseres Land zu bekommen gewesen wäre, wo
die Leute dabei sogar noch mit Schiffsschnlden ansingen, und sich nichts desto
weniger in uoch gar uicht so langen Jahren nicht allein schuldenfrei gearbeitet,
sondern anch uoch einen Sparpfeuig erübrigt und Vieh und Werkzeug ange¬
schafft haben.

Ich bin aber total gegen ein Pachtsystcm, wenigstens gegen ein Pachtsystem
auf lange Jahre, denn wenn es auch sür den Angenblick einen Vortheil zu bie¬
ten scheint, indem Leute, die mit sehr geringen oder gar keinen Mitteln anfangen
wollen, dadurch Hilfe bekommen, bis sie selber einmal flott werden, so hat es
doch anch wieder unendlich viel Nachtheile, und ein Ackerbauer, der in einem
fremden Lande beabsichtigt, sich eine einstige Heimath zu gründen, sollte sehr vor¬
sichtig sein, wie er sich in ein weitläufiges Pachtsystcm, noch dazu ohne Verkaufs¬
recht, einläßt. Das Beispiel habe ich hier an Hunderten von Plätzen gesehn,


Und die andere Partei — die Freisinnigen, die Deisten — ja du lieber
Gott, mit denen ist das wieder eine ganz kitzliche Sache — die hören wol recht
gern einmal, anch von einer Kanzel herunter, daß sie recht haben, und daß man
dem lieben Gott auch „im Geist und in der Wahrheit" und uicht blos durch
äußern Prunk dienen könne, aber das ist auch Alles — das Kirchengehn ist
ihnen kein Bedürfniß mehr, eben so wenig mögen sie viel Geld ausgeben, Kirche
und Prediger zu unterhalten, und das Resultat bleibt dasselbe, sie werden gleich-
giltig. Der Pastor, der sich der Religion gewidmet hat, besitzt außer dem zu
diesem Zwecke verwandten Geist auch eiuen Körper, der gekleidet, gegen das
Wetter geschützt, und einen Magen, der befriedigt sein will, und das Wort,
„der Mensch lebt nicht vom Brod allein," läßt sich auch eben so wohl umdrehen
und auf den heiligen Geist anwenden.

Doch genug vou deu religiösen Secten und Verhältnissen dieses kleinen deutschen
Oertchcus, das solcher Art seiue eigenen Interessen, inmitten einer englischen Be¬
völkerung vertritt und behauptet. — Aus der Kirche auf deu Acker ist uur ein
Schritt, und ich athme noch einmal so frei, als ich wieder frische Lust schöpfe, um
mich aber, und über mir den klaren sonnigen Himmel sehe.

Tannnda ist besonders ein kleines ackerbauendes Städtchen und hat ziemlich
gutes Laud in seiner Nähe. — Die Bevölkerung ist dabei fleißig und — eine
Hauptsache in diesem Erwerbszweig — ausdauernd, und Hunderte, die mit we¬
nig oder gar keinen Mitteln Hieher gekommen sind, haben sich jetzt schon ein klei¬
nes Besitzthum gegründet, und leben zufrieden, oder doch wenigstens sorgenfrei.
Der deutsche Fleiß, den auch die Engländer gut genug zu schätzen wissen, spricht
sich besonders hier an manchen Stellen aus, wo z. B. die Kavelschen Gemeinden
bei ihrer erste» Ankunft für sehr theures Geld keineswegs gutes Land gepachtet
oder gekauft habe», wo wenigstens unter mehr praktischer Leitung mit ein klein
wenig mehr hausbackener Erfahrung und ein klein Bißchen weniger heiligem Geist
für geringere Summen jedenfalls besseres Land zu bekommen gewesen wäre, wo
die Leute dabei sogar noch mit Schiffsschnlden ansingen, und sich nichts desto
weniger in uoch gar uicht so langen Jahren nicht allein schuldenfrei gearbeitet,
sondern anch uoch einen Sparpfeuig erübrigt und Vieh und Werkzeug ange¬
schafft haben.

Ich bin aber total gegen ein Pachtsystcm, wenigstens gegen ein Pachtsystem
auf lange Jahre, denn wenn es auch sür den Angenblick einen Vortheil zu bie¬
ten scheint, indem Leute, die mit sehr geringen oder gar keinen Mitteln anfangen
wollen, dadurch Hilfe bekommen, bis sie selber einmal flott werden, so hat es
doch anch wieder unendlich viel Nachtheile, und ein Ackerbauer, der in einem
fremden Lande beabsichtigt, sich eine einstige Heimath zu gründen, sollte sehr vor¬
sichtig sein, wie er sich in ein weitläufiges Pachtsystcm, noch dazu ohne Verkaufs¬
recht, einläßt. Das Beispiel habe ich hier an Hunderten von Plätzen gesehn,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/175>, abgerufen am 24.07.2024.