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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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im Jahre 1882 bei der englischen Regierung beklagte, sie waren zu stark, denn
sie hatten keine kräftige Opposition, welche ihren Maßregeln die Parteieinseitigkeit
nahm, eine gründliche Discussion und sorgfältige Prüfung ihrer Schritte möglich
machte, die Controle übte, die öffentliche Meinung aufkläre" und die Verantwort¬
lichkeit für die erlassenen Gesetze dem Ministerium tragen helfe. Wenn unsre
Staatsmänner nicht alle das Verhängnisvolle eines solchen Zustandes eingesehen
habe", so ist doch sehr sicher, daß sie sich dieser Ueberzeugung einst nicht werden
entziehen können. Es war eine merkwürdige und peinliche Periode, welche ganz
Deutschland durchzumachen hatte, und mit gespannter Aufmerksamkeit mußte der
Patriot zusehe", wie lange die Fluthwelle der Reaction fortströmen wurde, die
den festen Grund politischer Selbständigkeit und verständiger Kraft im Volte
überdeckte. Bis zum Ausgange des letzten Jahres war nirgend eine Abnahme
dieser Richtung zu merke". Noch die preußischen Wahlen zu den neuen Kammern
hatten eine nltracvuservative Partei in voller Stärke gezeigt. Aber fast zu
derselbe" Zeit tauchte hier und da in verschiedene" Städten Deutschlands, zunächst
uur in den begrenzten Kreisen des Gcmeindelebcns, wieder etwas von Selbst-
ständigkeit und liberaler Anschauung des Lebens auf, wie einzelne kleine Eilande
aus der Ueberschwemmung. Und wie man in der Natur eine solche Erscheinung
als den Anfang der Ebbe betrachtet, so wird man sich anch in der deutschen
Politik nicht täuschen, wenn man annimmt, daß die Reaction in dem Volksgemüth
den höchsten Puukt gegenwärtig bereits erreicht hat, nud daß ein Umschlag in
der öffentliche" Meinung sich langsam, aber unaufhaltsam vorbereitet. Damit ist
noch nicht gesagt, daß auch die Herrschaft anderer Principien in der Staats-
regierung nahe bevorstehe. .Im Gegentheil, es ist wahrscheinlich, daß wir noch
viele und eifrige Maßregeln der Regierungen erleben werden, welche aus der
herrschenden Stimmung der letzten vergangenen Jahre hergeleitet werden müssen,
und es ist nicht weniger wahrscheinlich, daß der neue Geist lange Zeit und harte
Kämpfe nöthig haben wird, um zu erstarken und sich im Staatsleben durchzusetzen,
denn eS sind bis jetzt in der That nur die ersten schwachen Wandelungen der
öffentlichen Meinung zu berichten. Aber eben deshalb, weil sie die ersten find,
erregen sie ein allgemeines Interesse und verdienen eine kurze Darstellung.

In Frankfurt a. M. war unterm ki. Oct. d. I. ein Bundesbeschluß ver¬
kündigt worden, der die in den Jahren 1848 nud 1849 getroffenen Abänderungen
der Staatsverfassung namentlich im Betreff der Wahl der gesetzgebenden Ver¬
sammlung, so wie der politischen Gleichstellung der Jude", Landbewohner und
Beisassen, als nicht ans gesetzlichem Wege herbeigeführt bezeichnete und alle etwa
nöthigen Veränderungen der alten Verfassung vou 18-16 uur auf dem durch diese
selbst vorgeschriebenen Wege durchführbar erklärte. Dem gemäß erließen am
14. October Bürgermeister und Rath der freien Stadt ein Ausschreiben, durch
welches nur die christlichen Bürger der Stadt zur Bildung des Wahlcollegi-


im Jahre 1882 bei der englischen Regierung beklagte, sie waren zu stark, denn
sie hatten keine kräftige Opposition, welche ihren Maßregeln die Parteieinseitigkeit
nahm, eine gründliche Discussion und sorgfältige Prüfung ihrer Schritte möglich
machte, die Controle übte, die öffentliche Meinung aufkläre» und die Verantwort¬
lichkeit für die erlassenen Gesetze dem Ministerium tragen helfe. Wenn unsre
Staatsmänner nicht alle das Verhängnisvolle eines solchen Zustandes eingesehen
habe», so ist doch sehr sicher, daß sie sich dieser Ueberzeugung einst nicht werden
entziehen können. Es war eine merkwürdige und peinliche Periode, welche ganz
Deutschland durchzumachen hatte, und mit gespannter Aufmerksamkeit mußte der
Patriot zusehe», wie lange die Fluthwelle der Reaction fortströmen wurde, die
den festen Grund politischer Selbständigkeit und verständiger Kraft im Volte
überdeckte. Bis zum Ausgange des letzten Jahres war nirgend eine Abnahme
dieser Richtung zu merke». Noch die preußischen Wahlen zu den neuen Kammern
hatten eine nltracvuservative Partei in voller Stärke gezeigt. Aber fast zu
derselbe» Zeit tauchte hier und da in verschiedene» Städten Deutschlands, zunächst
uur in den begrenzten Kreisen des Gcmeindelebcns, wieder etwas von Selbst-
ständigkeit und liberaler Anschauung des Lebens auf, wie einzelne kleine Eilande
aus der Ueberschwemmung. Und wie man in der Natur eine solche Erscheinung
als den Anfang der Ebbe betrachtet, so wird man sich anch in der deutschen
Politik nicht täuschen, wenn man annimmt, daß die Reaction in dem Volksgemüth
den höchsten Puukt gegenwärtig bereits erreicht hat, nud daß ein Umschlag in
der öffentliche» Meinung sich langsam, aber unaufhaltsam vorbereitet. Damit ist
noch nicht gesagt, daß auch die Herrschaft anderer Principien in der Staats-
regierung nahe bevorstehe. .Im Gegentheil, es ist wahrscheinlich, daß wir noch
viele und eifrige Maßregeln der Regierungen erleben werden, welche aus der
herrschenden Stimmung der letzten vergangenen Jahre hergeleitet werden müssen,
und es ist nicht weniger wahrscheinlich, daß der neue Geist lange Zeit und harte
Kämpfe nöthig haben wird, um zu erstarken und sich im Staatsleben durchzusetzen,
denn eS sind bis jetzt in der That nur die ersten schwachen Wandelungen der
öffentlichen Meinung zu berichten. Aber eben deshalb, weil sie die ersten find,
erregen sie ein allgemeines Interesse und verdienen eine kurze Darstellung.

In Frankfurt a. M. war unterm ki. Oct. d. I. ein Bundesbeschluß ver¬
kündigt worden, der die in den Jahren 1848 nud 1849 getroffenen Abänderungen
der Staatsverfassung namentlich im Betreff der Wahl der gesetzgebenden Ver¬
sammlung, so wie der politischen Gleichstellung der Jude», Landbewohner und
Beisassen, als nicht ans gesetzlichem Wege herbeigeführt bezeichnete und alle etwa
nöthigen Veränderungen der alten Verfassung vou 18-16 uur auf dem durch diese
selbst vorgeschriebenen Wege durchführbar erklärte. Dem gemäß erließen am
14. October Bürgermeister und Rath der freien Stadt ein Ausschreiben, durch
welches nur die christlichen Bürger der Stadt zur Bildung des Wahlcollegi-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/151>, abgerufen am 28.12.2024.