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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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bezeichnet eine neue Epoche in der Entwickelung Algeriens. Die Armee wurde
vou Hause bedeutend verstärkt und stieg von K9 auf 79,000 Mann, mu später
(-18/is) allmählich ans -106,000 Maun gebracht zu werden. Die einzelnen Posten,
die zu schwach zu selbstständiger Vertheidigung waren, wurden eingezogen, und
die Unterwerfung des Landes nach einem System betrieben, das allein die dauernde
Herrschaft über dasselbe sichern konnte. Bis dahin hatte" die Franzosen eigent¬
lich nur verschiedene kleine Städte an der Küste besetzt gehalten, in denen sie
gewissermaßen belagert waren, ohne die Fruchtbarkeit des Bodens benutzen zu
können. Um den Ackerbau in Aufnahme zu bringen, mußte man vor Allem mit
Energie von dem Lande Besitz nehmen, und den nomadisirenden einheimischen
Stämmen, deren Indolenz außer Staude war, vou den reichen Hilfsquellen des
Landes Nutzen zu ziehen, ein für alle Mal zeigen, daß man beständiger und
unbeschränkter Herr des Landes bleiben wolle. Die Energie des neuen Gou¬
verneurs paßte gut zu einer solchen Rolle. Mit der Uebermacht, über die er
jetzt dispvnirte, waren die Araber bald erdrückt, Abd-el-Kater, bis in die
Wüste verfolgt, verlor nach einander alle festen Punkte, die er sich durch jahre¬
lange Mühen geschaffen, nud starke' mobile Colonnen durchstreiften in allen
Richtungen Algerien, um die zur Beherrschung des Landes Nichts beitragenden
Posten zu zerstören und diejenigen zu besetzen, welche die Unterwerfung desselben
sicherten. Bald bemerkten die Araber, daß es keinen Punkt in ganz Algerien,
im Tell oder in der Wüste, gab, wo die französische Armee sie nicht erreichen
und züchtigen konnte.

Vor Allem galt es nun, die neubefcstigte Macht zu Ausdehnung der Coloni-
sation zu benutze". Die Unsicherheit des flachen Landes hatte bis jetzt noth¬
wendiger Weise die Colonisten ans die Städte beschränkt, und hier hatte man wirklich
uicht unbedeutende Fortschritte gemacht. Ju Algier, Oran und Bona waren
allmählich die Trümmerhaufen verschwunden, aus den engen Winkelgäßchen
waren breite und bequeme Straßen geworden, schöne Paläste erhoben sich da,
wo früher elende maurische Spelunken gestanden hatten, und neue Quartiere ent¬
standen wie durch Zauber. Phillippeville, wo -1838 uoch kein Hans stand, hatte
jetzt schou i--Ü000 Einwohner und vergrößerte sich sichtlich. Die sämmtlichen
von Europäern in Algerien erbauten städtische" Gebäude schlug man -18t-! aus 2-1
Millionen Francs an, ungerechnet des Gruudwerths, der 7 Millionen betrug.
Aber es genügt nicht, die Küstenstädte zu bcvölker" und neu zu baue". Um sie für
immer französisch und europäisch zu machen, mußten zwischen ihnen und den Ein¬
geborenen feste Wohnsitze für eine ländliche Bevölkerung geschaffen werde", welche
für die Ernährung und Vertheidigung der Städte sorgten. So hoffte man sich
eine einheimische Miliz erziehen zu tonnen, welche erlaubte, das dem Mutterlande
so enorme Kosten verursachende Heer zu vermindern, und zugleich eine ackerbauende
Bevölkerung zu erhalten, welche die reichen Kräfte des Landes zur Entwickelung


bezeichnet eine neue Epoche in der Entwickelung Algeriens. Die Armee wurde
vou Hause bedeutend verstärkt und stieg von K9 auf 79,000 Mann, mu später
(-18/is) allmählich ans -106,000 Maun gebracht zu werden. Die einzelnen Posten,
die zu schwach zu selbstständiger Vertheidigung waren, wurden eingezogen, und
die Unterwerfung des Landes nach einem System betrieben, das allein die dauernde
Herrschaft über dasselbe sichern konnte. Bis dahin hatte» die Franzosen eigent¬
lich nur verschiedene kleine Städte an der Küste besetzt gehalten, in denen sie
gewissermaßen belagert waren, ohne die Fruchtbarkeit des Bodens benutzen zu
können. Um den Ackerbau in Aufnahme zu bringen, mußte man vor Allem mit
Energie von dem Lande Besitz nehmen, und den nomadisirenden einheimischen
Stämmen, deren Indolenz außer Staude war, vou den reichen Hilfsquellen des
Landes Nutzen zu ziehen, ein für alle Mal zeigen, daß man beständiger und
unbeschränkter Herr des Landes bleiben wolle. Die Energie des neuen Gou¬
verneurs paßte gut zu einer solchen Rolle. Mit der Uebermacht, über die er
jetzt dispvnirte, waren die Araber bald erdrückt, Abd-el-Kater, bis in die
Wüste verfolgt, verlor nach einander alle festen Punkte, die er sich durch jahre¬
lange Mühen geschaffen, nud starke' mobile Colonnen durchstreiften in allen
Richtungen Algerien, um die zur Beherrschung des Landes Nichts beitragenden
Posten zu zerstören und diejenigen zu besetzen, welche die Unterwerfung desselben
sicherten. Bald bemerkten die Araber, daß es keinen Punkt in ganz Algerien,
im Tell oder in der Wüste, gab, wo die französische Armee sie nicht erreichen
und züchtigen konnte.

Vor Allem galt es nun, die neubefcstigte Macht zu Ausdehnung der Coloni-
sation zu benutze». Die Unsicherheit des flachen Landes hatte bis jetzt noth¬
wendiger Weise die Colonisten ans die Städte beschränkt, und hier hatte man wirklich
uicht unbedeutende Fortschritte gemacht. Ju Algier, Oran und Bona waren
allmählich die Trümmerhaufen verschwunden, aus den engen Winkelgäßchen
waren breite und bequeme Straßen geworden, schöne Paläste erhoben sich da,
wo früher elende maurische Spelunken gestanden hatten, und neue Quartiere ent¬
standen wie durch Zauber. Phillippeville, wo -1838 uoch kein Hans stand, hatte
jetzt schou i—Ü000 Einwohner und vergrößerte sich sichtlich. Die sämmtlichen
von Europäern in Algerien erbauten städtische» Gebäude schlug man -18t-! aus 2-1
Millionen Francs an, ungerechnet des Gruudwerths, der 7 Millionen betrug.
Aber es genügt nicht, die Küstenstädte zu bcvölker» und neu zu baue». Um sie für
immer französisch und europäisch zu machen, mußten zwischen ihnen und den Ein¬
geborenen feste Wohnsitze für eine ländliche Bevölkerung geschaffen werde«, welche
für die Ernährung und Vertheidigung der Städte sorgten. So hoffte man sich
eine einheimische Miliz erziehen zu tonnen, welche erlaubte, das dem Mutterlande
so enorme Kosten verursachende Heer zu vermindern, und zugleich eine ackerbauende
Bevölkerung zu erhalten, welche die reichen Kräfte des Landes zur Entwickelung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/138>, abgerufen am 24.07.2024.