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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Die Makkabäer.
Trauerspiel von Otto Ludwig.

Dieses Stück ist das einzige Drama im höhern Styl, welches in der gegen¬
wärtigen Wintersaison der Bühnen bedeutende Erfolge errungen hat. Es wird
auf allen größeren Theatern aufgeführt oder einstudirt. Der Dichter selbst hat
dnrch seinen "Erbförster" ein lebhaftes Interesse für sein Talent erweckt. Man
durfte erstaunen über seine Fähigkeit, leidenschaftliche Gefühle mit dem wirksam¬
sten dramatischen Detail zu schildern, zumal das Detail dem Schauspieler und der
Aufführung vollständig aptirt war, ohne daß der Verfasser jemals an eigenen
Stücken auf der Bühne Erfahrung gemacht hatte. Der Erfolg des Erbförfters
wurde durch den ästhetischen Fehler beeinträchtigt, daß Ursache und Wirkung
in keinem Verhältniß standen, daß Ton und Motive der Handlung aus der Sphäre
des bürgerlichen Schauspiels entnommen waren und darauf ein höchst tragischer
Schlich ohne innere Nothwendigkeit, nur durch Gefühlscapricen und Charakter¬
wunderlichkeiten motivirt, ausgebaut wurde; dieses Mißverhältnis gab der ganzen
Handlung etwas Willkürliches und Grausames. Trotz dieser Uebelstände war
man berechtigt, große Hoffnungen auf die spätere" Leistungen eines Talents
zu setzen, welches in so ausgezeichneter Weise die Eigenschaft besaß, -- bei unsren
dramatischen Schriftstellern die seltenste von allen -- starke Leidenschaften kunst-
gemäß darzustellen.

Das neue Trauerspiel erfüllt diese Hoffnungen nur zum Theil. Wieder
haben wir Gelegenheit, die glänzende Seite seiner Begabung, diesmal am höhern
Styl der Tragödie zu bewundern, aber-wieder zeigen sich in der Construction
der Handlung Uebelstände, welche nicht verdeckt werden können durch die
brillante Ausführung einzelner Scenen; und obwol durch dieses Drama die
Achtung vor der Begabung des Dichters nicht vermindert wird, so muß die Kri¬
tik doch zweifeln, ob sie gerade in dem, was an dem frühern Stück schwach war,
eiuen Fortschritt rühmen kann.

Der Inhalt des Trauerspiels ist folgender. Lea, Frau des Mattathiaö,
eines Priesters zu Mvdin, Mutter von sieben Söhnen, stolz auf ihre Abstammung
aus dem Hause David's und auf den reinen Glauben ihrer Familie, offenbart ihrem
LieblingSsvhne Eleazar, der auf seinen Heldenbrnder Juda neidisch ist, daß ihr
vor seiner Geburt durch einen Traum geweissagt sei, Eleazar werde Hohepriester
und König der Juden werden. Juda selbst, die starke Heldenkraft der Familie,
ist der Mutter verleidet, weil er Naizmi, die Simeitin, Tochter des Heuchlers
Boas, aus niederem Stamme, zum Weibe genommen hat. Jerusalem seufzt unter
der Despotie des Antiochus, welcher als Statthalter seines Baders, des Syrcrkönigs
Antiochus Epiphancs, daselbst regiert. Griechische Sitte und servile Gesinnung


Die Makkabäer.
Trauerspiel von Otto Ludwig.

Dieses Stück ist das einzige Drama im höhern Styl, welches in der gegen¬
wärtigen Wintersaison der Bühnen bedeutende Erfolge errungen hat. Es wird
auf allen größeren Theatern aufgeführt oder einstudirt. Der Dichter selbst hat
dnrch seinen „Erbförster" ein lebhaftes Interesse für sein Talent erweckt. Man
durfte erstaunen über seine Fähigkeit, leidenschaftliche Gefühle mit dem wirksam¬
sten dramatischen Detail zu schildern, zumal das Detail dem Schauspieler und der
Aufführung vollständig aptirt war, ohne daß der Verfasser jemals an eigenen
Stücken auf der Bühne Erfahrung gemacht hatte. Der Erfolg des Erbförfters
wurde durch den ästhetischen Fehler beeinträchtigt, daß Ursache und Wirkung
in keinem Verhältniß standen, daß Ton und Motive der Handlung aus der Sphäre
des bürgerlichen Schauspiels entnommen waren und darauf ein höchst tragischer
Schlich ohne innere Nothwendigkeit, nur durch Gefühlscapricen und Charakter¬
wunderlichkeiten motivirt, ausgebaut wurde; dieses Mißverhältnis gab der ganzen
Handlung etwas Willkürliches und Grausames. Trotz dieser Uebelstände war
man berechtigt, große Hoffnungen auf die spätere» Leistungen eines Talents
zu setzen, welches in so ausgezeichneter Weise die Eigenschaft besaß, — bei unsren
dramatischen Schriftstellern die seltenste von allen — starke Leidenschaften kunst-
gemäß darzustellen.

Das neue Trauerspiel erfüllt diese Hoffnungen nur zum Theil. Wieder
haben wir Gelegenheit, die glänzende Seite seiner Begabung, diesmal am höhern
Styl der Tragödie zu bewundern, aber-wieder zeigen sich in der Construction
der Handlung Uebelstände, welche nicht verdeckt werden können durch die
brillante Ausführung einzelner Scenen; und obwol durch dieses Drama die
Achtung vor der Begabung des Dichters nicht vermindert wird, so muß die Kri¬
tik doch zweifeln, ob sie gerade in dem, was an dem frühern Stück schwach war,
eiuen Fortschritt rühmen kann.

Der Inhalt des Trauerspiels ist folgender. Lea, Frau des Mattathiaö,
eines Priesters zu Mvdin, Mutter von sieben Söhnen, stolz auf ihre Abstammung
aus dem Hause David's und auf den reinen Glauben ihrer Familie, offenbart ihrem
LieblingSsvhne Eleazar, der auf seinen Heldenbrnder Juda neidisch ist, daß ihr
vor seiner Geburt durch einen Traum geweissagt sei, Eleazar werde Hohepriester
und König der Juden werden. Juda selbst, die starke Heldenkraft der Familie,
ist der Mutter verleidet, weil er Naizmi, die Simeitin, Tochter des Heuchlers
Boas, aus niederem Stamme, zum Weibe genommen hat. Jerusalem seufzt unter
der Despotie des Antiochus, welcher als Statthalter seines Baders, des Syrcrkönigs
Antiochus Epiphancs, daselbst regiert. Griechische Sitte und servile Gesinnung


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[0012] Die Makkabäer. Trauerspiel von Otto Ludwig. Dieses Stück ist das einzige Drama im höhern Styl, welches in der gegen¬ wärtigen Wintersaison der Bühnen bedeutende Erfolge errungen hat. Es wird auf allen größeren Theatern aufgeführt oder einstudirt. Der Dichter selbst hat dnrch seinen „Erbförster" ein lebhaftes Interesse für sein Talent erweckt. Man durfte erstaunen über seine Fähigkeit, leidenschaftliche Gefühle mit dem wirksam¬ sten dramatischen Detail zu schildern, zumal das Detail dem Schauspieler und der Aufführung vollständig aptirt war, ohne daß der Verfasser jemals an eigenen Stücken auf der Bühne Erfahrung gemacht hatte. Der Erfolg des Erbförfters wurde durch den ästhetischen Fehler beeinträchtigt, daß Ursache und Wirkung in keinem Verhältniß standen, daß Ton und Motive der Handlung aus der Sphäre des bürgerlichen Schauspiels entnommen waren und darauf ein höchst tragischer Schlich ohne innere Nothwendigkeit, nur durch Gefühlscapricen und Charakter¬ wunderlichkeiten motivirt, ausgebaut wurde; dieses Mißverhältnis gab der ganzen Handlung etwas Willkürliches und Grausames. Trotz dieser Uebelstände war man berechtigt, große Hoffnungen auf die spätere» Leistungen eines Talents zu setzen, welches in so ausgezeichneter Weise die Eigenschaft besaß, — bei unsren dramatischen Schriftstellern die seltenste von allen — starke Leidenschaften kunst- gemäß darzustellen. Das neue Trauerspiel erfüllt diese Hoffnungen nur zum Theil. Wieder haben wir Gelegenheit, die glänzende Seite seiner Begabung, diesmal am höhern Styl der Tragödie zu bewundern, aber-wieder zeigen sich in der Construction der Handlung Uebelstände, welche nicht verdeckt werden können durch die brillante Ausführung einzelner Scenen; und obwol durch dieses Drama die Achtung vor der Begabung des Dichters nicht vermindert wird, so muß die Kri¬ tik doch zweifeln, ob sie gerade in dem, was an dem frühern Stück schwach war, eiuen Fortschritt rühmen kann. Der Inhalt des Trauerspiels ist folgender. Lea, Frau des Mattathiaö, eines Priesters zu Mvdin, Mutter von sieben Söhnen, stolz auf ihre Abstammung aus dem Hause David's und auf den reinen Glauben ihrer Familie, offenbart ihrem LieblingSsvhne Eleazar, der auf seinen Heldenbrnder Juda neidisch ist, daß ihr vor seiner Geburt durch einen Traum geweissagt sei, Eleazar werde Hohepriester und König der Juden werden. Juda selbst, die starke Heldenkraft der Familie, ist der Mutter verleidet, weil er Naizmi, die Simeitin, Tochter des Heuchlers Boas, aus niederem Stamme, zum Weibe genommen hat. Jerusalem seufzt unter der Despotie des Antiochus, welcher als Statthalter seines Baders, des Syrcrkönigs Antiochus Epiphancs, daselbst regiert. Griechische Sitte und servile Gesinnung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/12>, abgerufen am 27.12.2024.