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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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druck Gazetier in den Mund legt. Um nun von der Persönlichkeit des Feuille-
tonisten, welcher sich zum unberufenen Champion der gesammten Presse aufgeworfen,
gar nicht zu reden, fragen wir blos, ob denn die französischen Journalisten gerade
in diesem Augenblicke ein Recht haben, den Kopf so hoch zu tragen. Die Mit¬
arbeiter des Pays, des Cvustitutionel und selbst des fraglichen Blattes wissen,
daß es Zeiten giebt, wo man sich Bedingungen stellen läßt, und daß sich auch
französische Journalisten finden, die ihre Bedingungen stellen. Wozu also die
Phrasen vou Honnötetö und von Würde -- die Männer, die keinen Grund haben,
sich getroffen zu fühlen, schweigen, und finden es eben so wenig sonderbar, daß
mau deu Journalisten etwas nachsagt, als die Advocaten, Aerzte, oder sonst ein
Stand es übelnehmen, wenn sich die Satyre ihrer bemächtigt. Es befremdet uns
um so mehr, anch Jules Janin mit dem Trosse Chorus machen zu sehen. Mad.
Sand hat in dieser ganzen Sache nur einen Fehler begangen, und der ist, Herrn
Lecomte geantwortet z" haben. Sie hätte das Recht gehabt, mit Guizot zu sagen:
Va>s Insultes n'in'i'komt, pas g, la rmulsur as mori äöäain. vocem OMot:
der arme Exminister fährt in seiner versteckten Polemik gegen den Bonapartismus
fort -- er stellt den Herzog von Wellington über Napoleon, oder doch diesem
zur Seite. Er hat die längst vergangene Geschichte Englands schon ganz aus¬
gebeutet, und der preise Herzog ist gerade zur rechten Z°it gestorben, um ihm
neuen Stoff zu geben. Aber die jetzige Regierung versteht keinen Spaß und
jede Anspielung sehr gut, und die Assemblve nationale wurde vermahnt, sich so
unpatriotisch englisch geberden zu können. Das Polizeiministerünn hat keine Zeit,
sich in Discussionen über den Ruhm Wellington's einzulassen, aber es verbietet
jede Veranlassung zu ungelegener Discussionen, und das kommt denn auch aus
Eins heraus.




2.
Ein neues Pamphlet.

Man wird sich erinnern, daß vor dem zweiten December eine Brochure über
den Staatsstreich lresp. über die französische Konstitution) erschienen war, welche
großes Aufsehen erregt hatte, weil bekannt worden war, daß diese Schrift den
Präsidenten der Republik zum Verfasser habe. In diesem Augenblicke soll eine
ähnliche Flugschrift erscheinen, welche sich zum Kaiserreiche verhält, wie ihre ältere
Schwester sich zum Staatsstreiche verhalten hatte. Die Correcturbogen dieses
neuesten literarischen Productes Louis Bonaparte's liegen vor uns, und wir haben
dieselben mit großem Interesse gelesen. Es ist die Sprache, es sind die Gedanken
und es ist ganz die Politik Louis Bonaparte's, und diese Apologie der Wieder¬
herstellung des Kaiserreichs verdient die volle Aufmerksamkeit der politischen Welt.


druck Gazetier in den Mund legt. Um nun von der Persönlichkeit des Feuille-
tonisten, welcher sich zum unberufenen Champion der gesammten Presse aufgeworfen,
gar nicht zu reden, fragen wir blos, ob denn die französischen Journalisten gerade
in diesem Augenblicke ein Recht haben, den Kopf so hoch zu tragen. Die Mit¬
arbeiter des Pays, des Cvustitutionel und selbst des fraglichen Blattes wissen,
daß es Zeiten giebt, wo man sich Bedingungen stellen läßt, und daß sich auch
französische Journalisten finden, die ihre Bedingungen stellen. Wozu also die
Phrasen vou Honnötetö und von Würde — die Männer, die keinen Grund haben,
sich getroffen zu fühlen, schweigen, und finden es eben so wenig sonderbar, daß
mau deu Journalisten etwas nachsagt, als die Advocaten, Aerzte, oder sonst ein
Stand es übelnehmen, wenn sich die Satyre ihrer bemächtigt. Es befremdet uns
um so mehr, anch Jules Janin mit dem Trosse Chorus machen zu sehen. Mad.
Sand hat in dieser ganzen Sache nur einen Fehler begangen, und der ist, Herrn
Lecomte geantwortet z» haben. Sie hätte das Recht gehabt, mit Guizot zu sagen:
Va>s Insultes n'in'i'komt, pas g, la rmulsur as mori äöäain. vocem OMot:
der arme Exminister fährt in seiner versteckten Polemik gegen den Bonapartismus
fort — er stellt den Herzog von Wellington über Napoleon, oder doch diesem
zur Seite. Er hat die längst vergangene Geschichte Englands schon ganz aus¬
gebeutet, und der preise Herzog ist gerade zur rechten Z°it gestorben, um ihm
neuen Stoff zu geben. Aber die jetzige Regierung versteht keinen Spaß und
jede Anspielung sehr gut, und die Assemblve nationale wurde vermahnt, sich so
unpatriotisch englisch geberden zu können. Das Polizeiministerünn hat keine Zeit,
sich in Discussionen über den Ruhm Wellington's einzulassen, aber es verbietet
jede Veranlassung zu ungelegener Discussionen, und das kommt denn auch aus
Eins heraus.




2.
Ein neues Pamphlet.

Man wird sich erinnern, daß vor dem zweiten December eine Brochure über
den Staatsstreich lresp. über die französische Konstitution) erschienen war, welche
großes Aufsehen erregt hatte, weil bekannt worden war, daß diese Schrift den
Präsidenten der Republik zum Verfasser habe. In diesem Augenblicke soll eine
ähnliche Flugschrift erscheinen, welche sich zum Kaiserreiche verhält, wie ihre ältere
Schwester sich zum Staatsstreiche verhalten hatte. Die Correcturbogen dieses
neuesten literarischen Productes Louis Bonaparte's liegen vor uns, und wir haben
dieselben mit großem Interesse gelesen. Es ist die Sprache, es sind die Gedanken
und es ist ganz die Politik Louis Bonaparte's, und diese Apologie der Wieder¬
herstellung des Kaiserreichs verdient die volle Aufmerksamkeit der politischen Welt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/94>, abgerufen am 27.09.2024.