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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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machen, so schrie gleich Marlet: Uorüe/. toujour8, Ne8fleurs, und die Führer
accompagnirten mit: ^parti, IZeLvIenM, Oorraxi"! ?all<zu?a, Leoelön/.a!

Um ein Viertel auf vier Uhr endlich, nachdem wir uUsre letzten Kräfte daran
gesetzt und zu guter Letzt uoch das Ehrgefühl zu Hilfe genommen hatten, er¬
reichten wir das Ziel unsrer Wanderung; wir standen am Krater des Aetna.

Im ersten Augenblicke erblickte ich nichts, und wollte auch gar nichts sehen;
mein erstes Bedürfniß war Ruhe. Ich ließ meinen tatarischen Ueberwurf an
dem kaum fünf Schritte breiten Rande des Kraters ausbreiten, und warf mich
darauf, um wenigstens etwas zu mir zu kommen.' Mir war, als sollte mir eben
das Lebenslicht ausgehe".

Eine kurze Erholung und der Gedanke: Du stehst auf dem Gipfel des Aetna
und dem Himmel nnn über 12000 Fuß näher, als andere Menschen, waren hin¬
reichend, mich nen zu kräftigen. Ich sprang auf, hielt mich an meinen Führer,
um nicht Empedocles' Schicksal heimzufalleu, und blickte um mich her -- Himmel,
welche Wunder sah ich da! Das Grauen des werdenden Tages wich immer
mehr dem Rosenschimmer, der gleich einem Strome sich über den östlichen Himmel
ergoß; die Sonne stand noch unter dem Horizonte, doch ehe sie noch hervortrat,
flammte schon das Firmament. Je mehr das kaum geborene Licht an Kraft zu¬
nahm, desto mehr schwand die Finsterniß der Nacht und die Sterne verlöschten
einer nach dem andern vor der heranziehenden Königin. Es war ein unvergleich¬
licher und eben so unbeschreiblicher Anblick. Auf dem Horizont, d. h. auf Land
und Meer, lag, so weit das Auge reichte, ein weißer Nebel, gleich schaumigen
Flocken, und wir, wir standen in der That zwischen dem Himmel und dem Ge¬
wölk unsres Planeten, das jeden Augenblick Form und Gestalt änderte, und aus
welchem der Riesenleib des Aetna gleich einem unbedeutenden Hügel herausragte.

Das ohnehin schon so großartige Gemälde verwandelte sich wie dnrch Zauber¬
schlag in ein noch herrlicheres, wahrhaft majestätisches, als weit hinten das
Tagesgestirn aus den Wassern des Ionischen Meeres auftauchte. Vor seinen
strahlen zerrannen die Nebel, die bisher noch auf der Erde gelegen hatten, und
schienen von Meer und Bergen allmählich eingesaugt zu werden. In dem Maße,
als sie schwanden, entstand ein Rundgemälde, das vollkommen zu beschreiben ich
fast für nicht möglich halte, und in dessen Mitte sich der altehrwürdige Berg erhob,
aus welchem wir kleine nichtssagende Punkte in der großen Natur standen und --
staunten. Noch warf der ungeheure Vulcan einen mächtigen Schatten auf die
Wasser und das Firmament des Westens, noch blitzten dort einzelne Sterne, und
hell noch spiegelte sich das ewig brennende Stromboli in den Wellen des Tyrrhe-
nischeu Meeres ab; doch mehr und mehr gewann der Tag die Oberhand, und
bald lag er klar und sonnig da, der ungeheure Kreis, den wir übersehen konnten.
Wie aus der Vogelperspective erblickten wir zu unsren Füßen das Sicilianische
Dreieck mit seinen Vorgebirgen und Meerbusen, von Messina bis Segest, von


machen, so schrie gleich Marlet: Uorüe/. toujour8, Ne8fleurs, und die Führer
accompagnirten mit: ^parti, IZeLvIenM, Oorraxi«! ?all<zu?a, Leoelön/.a!

Um ein Viertel auf vier Uhr endlich, nachdem wir uUsre letzten Kräfte daran
gesetzt und zu guter Letzt uoch das Ehrgefühl zu Hilfe genommen hatten, er¬
reichten wir das Ziel unsrer Wanderung; wir standen am Krater des Aetna.

Im ersten Augenblicke erblickte ich nichts, und wollte auch gar nichts sehen;
mein erstes Bedürfniß war Ruhe. Ich ließ meinen tatarischen Ueberwurf an
dem kaum fünf Schritte breiten Rande des Kraters ausbreiten, und warf mich
darauf, um wenigstens etwas zu mir zu kommen.' Mir war, als sollte mir eben
das Lebenslicht ausgehe».

Eine kurze Erholung und der Gedanke: Du stehst auf dem Gipfel des Aetna
und dem Himmel nnn über 12000 Fuß näher, als andere Menschen, waren hin¬
reichend, mich nen zu kräftigen. Ich sprang auf, hielt mich an meinen Führer,
um nicht Empedocles' Schicksal heimzufalleu, und blickte um mich her — Himmel,
welche Wunder sah ich da! Das Grauen des werdenden Tages wich immer
mehr dem Rosenschimmer, der gleich einem Strome sich über den östlichen Himmel
ergoß; die Sonne stand noch unter dem Horizonte, doch ehe sie noch hervortrat,
flammte schon das Firmament. Je mehr das kaum geborene Licht an Kraft zu¬
nahm, desto mehr schwand die Finsterniß der Nacht und die Sterne verlöschten
einer nach dem andern vor der heranziehenden Königin. Es war ein unvergleich¬
licher und eben so unbeschreiblicher Anblick. Auf dem Horizont, d. h. auf Land
und Meer, lag, so weit das Auge reichte, ein weißer Nebel, gleich schaumigen
Flocken, und wir, wir standen in der That zwischen dem Himmel und dem Ge¬
wölk unsres Planeten, das jeden Augenblick Form und Gestalt änderte, und aus
welchem der Riesenleib des Aetna gleich einem unbedeutenden Hügel herausragte.

Das ohnehin schon so großartige Gemälde verwandelte sich wie dnrch Zauber¬
schlag in ein noch herrlicheres, wahrhaft majestätisches, als weit hinten das
Tagesgestirn aus den Wassern des Ionischen Meeres auftauchte. Vor seinen
strahlen zerrannen die Nebel, die bisher noch auf der Erde gelegen hatten, und
schienen von Meer und Bergen allmählich eingesaugt zu werden. In dem Maße,
als sie schwanden, entstand ein Rundgemälde, das vollkommen zu beschreiben ich
fast für nicht möglich halte, und in dessen Mitte sich der altehrwürdige Berg erhob,
aus welchem wir kleine nichtssagende Punkte in der großen Natur standen und —
staunten. Noch warf der ungeheure Vulcan einen mächtigen Schatten auf die
Wasser und das Firmament des Westens, noch blitzten dort einzelne Sterne, und
hell noch spiegelte sich das ewig brennende Stromboli in den Wellen des Tyrrhe-
nischeu Meeres ab; doch mehr und mehr gewann der Tag die Oberhand, und
bald lag er klar und sonnig da, der ungeheure Kreis, den wir übersehen konnten.
Wie aus der Vogelperspective erblickten wir zu unsren Füßen das Sicilianische
Dreieck mit seinen Vorgebirgen und Meerbusen, von Messina bis Segest, von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/86>, abgerufen am 20.10.2024.