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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Begriff zu machen, ist es hinreichend, anzuführen, daß sein Fuß, glaubwürdigen
Personen zufolge, über 10 italienische Meilen Umfang hat, während derjenige der
Krateröffnung am Gipfel anderthalb beträgt. -- Der Kegel selbst ist, der heißen
vulcanischen Dünste wegen, die aus allen seinen Poren dringen, vollkommen frei
von Schnee und Eis, besteht ans lauter Asche oder vielmehr Keinen Stückchen
zertrümmerter Lava in der Größe einer Erbse, und erhebt sich noch 1800 Pariser
Fuß über die Casa Jnglese. Die so zu sagen bewegliche Oberfläche, in welche man
bei jedem Schritt bis an die Waden einsinkt, der sast senkrechte Abfall, und die
fortwährend aus ihm ausströmenden - heißen Gase machten die Besteigung des
Kegels-zu einer eben so erschöpfenden, als ungesunden Partie.

Wir waren noch nicht weit in die Höhe gegangen, so hörten wir schon von
Zeit zu Zeit ein mit eigenthümlichen klagenden Lauten untermischtes unterirdisches
Getöse, durch welches der fortwährend thätige Vulcan uns Zeichen von seiner
verheerenden Thätigkeit gab. Daß er nie feiert, dessen sind die am Fuße des
Kegels umhergestreuten Oeffnungen Zeuge, aus denen fortwährend ein mit
Schwefel geschwängerter Rauch aufsteigt, aus welchem sich die schönsten Schwefel-
blumen niederschlagen. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, um in diesen er¬
stickende Dünste ausströmenden Schlünden eben so viel Rachen zu erkennen, wo¬
mit das Ungethüm athmet.

Es gehörte wirklich mehr als gewöhnlicher Muth dazu, dem gefaßten Vor¬
satze, den Gipfel des Aetna zu erreichen, nicht untreu zu werde", nachdem uus die
Schneeregion schon so viele Mühseligkeiten verursacht hatte. Von einem aufrechten
Gehen war bei dieser Steilheit gar keine Rede mehr; wir krochen ans allen Vieren,
wobei dann bei jedem Schritte ein Stück Unterlage gleich trockenem Kies hinab¬
rollte, und waren schon nach fünf Minuten Gehen im Schweiße förmlich gebadet,
was bei der äußerst dünnen Luft, in welcher wir uns befanden, und bei der
großen Kraftanstrengung 'auch gar nicht anders sein konnte. Um uns das Steigen
erträglicher, ja nur möglich zu machen, warfen wir die Kutte, Schlafmütze und
Handschuhe von uns;, die Strümpfe mußten bleiben, wo sie waren, denn es war
kein Platz da, wo man sich hinsetzen konnte, um sie auszuziehen; zudem belästigten
sie uns auch am wenigsten, denn die Sohlen waren von der Hitze bereits durch-
gebrannt. Nachdem ich mich des schweren, unbehilflichen Umzugs entledigt hatte,
fühlte ich mich wol etwas leichter, doch stiegen schwere Zweifel in mir auf, ob ich
wol das nun nicht mehr ferne Ziel auch erreichen würde; die Kräfte waren
schon sast im Verlöschen. Der rosenrothe Schimmer des nahenden Morgens sing
schon an das Firmament im Osten zu erhellen, und das Panorama, das sich mit
jedem Augenblick mehr ans den Schatten der Nacht herauswand, würde immer
herrlicher und großartiger; doch ich hatte weder Zeit noch Verlangen, die Wunder
um mich her zu betrachten. Wollte auch einmal einer von uns einen kurzen Halt
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Begriff zu machen, ist es hinreichend, anzuführen, daß sein Fuß, glaubwürdigen
Personen zufolge, über 10 italienische Meilen Umfang hat, während derjenige der
Krateröffnung am Gipfel anderthalb beträgt. — Der Kegel selbst ist, der heißen
vulcanischen Dünste wegen, die aus allen seinen Poren dringen, vollkommen frei
von Schnee und Eis, besteht ans lauter Asche oder vielmehr Keinen Stückchen
zertrümmerter Lava in der Größe einer Erbse, und erhebt sich noch 1800 Pariser
Fuß über die Casa Jnglese. Die so zu sagen bewegliche Oberfläche, in welche man
bei jedem Schritt bis an die Waden einsinkt, der sast senkrechte Abfall, und die
fortwährend aus ihm ausströmenden - heißen Gase machten die Besteigung des
Kegels-zu einer eben so erschöpfenden, als ungesunden Partie.

Wir waren noch nicht weit in die Höhe gegangen, so hörten wir schon von
Zeit zu Zeit ein mit eigenthümlichen klagenden Lauten untermischtes unterirdisches
Getöse, durch welches der fortwährend thätige Vulcan uns Zeichen von seiner
verheerenden Thätigkeit gab. Daß er nie feiert, dessen sind die am Fuße des
Kegels umhergestreuten Oeffnungen Zeuge, aus denen fortwährend ein mit
Schwefel geschwängerter Rauch aufsteigt, aus welchem sich die schönsten Schwefel-
blumen niederschlagen. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, um in diesen er¬
stickende Dünste ausströmenden Schlünden eben so viel Rachen zu erkennen, wo¬
mit das Ungethüm athmet.

Es gehörte wirklich mehr als gewöhnlicher Muth dazu, dem gefaßten Vor¬
satze, den Gipfel des Aetna zu erreichen, nicht untreu zu werde«, nachdem uus die
Schneeregion schon so viele Mühseligkeiten verursacht hatte. Von einem aufrechten
Gehen war bei dieser Steilheit gar keine Rede mehr; wir krochen ans allen Vieren,
wobei dann bei jedem Schritte ein Stück Unterlage gleich trockenem Kies hinab¬
rollte, und waren schon nach fünf Minuten Gehen im Schweiße förmlich gebadet,
was bei der äußerst dünnen Luft, in welcher wir uns befanden, und bei der
großen Kraftanstrengung 'auch gar nicht anders sein konnte. Um uns das Steigen
erträglicher, ja nur möglich zu machen, warfen wir die Kutte, Schlafmütze und
Handschuhe von uns;, die Strümpfe mußten bleiben, wo sie waren, denn es war
kein Platz da, wo man sich hinsetzen konnte, um sie auszuziehen; zudem belästigten
sie uns auch am wenigsten, denn die Sohlen waren von der Hitze bereits durch-
gebrannt. Nachdem ich mich des schweren, unbehilflichen Umzugs entledigt hatte,
fühlte ich mich wol etwas leichter, doch stiegen schwere Zweifel in mir auf, ob ich
wol das nun nicht mehr ferne Ziel auch erreichen würde; die Kräfte waren
schon sast im Verlöschen. Der rosenrothe Schimmer des nahenden Morgens sing
schon an das Firmament im Osten zu erhellen, und das Panorama, das sich mit
jedem Augenblick mehr ans den Schatten der Nacht herauswand, würde immer
herrlicher und großartiger; doch ich hatte weder Zeit noch Verlangen, die Wunder
um mich her zu betrachten. Wollte auch einmal einer von uns einen kurzen Halt
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/85>, abgerufen am 20.10.2024.