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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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von weitem auch wie solcher aussieht, ist Eis, und zwar ein so hartes, daß wir
Mühe hatten, die eisernen spilen unsrer Stäbe hinejnznbohren. Es bedeckt
den Berg gewiß schon Tausende von Jahren, und schmilzt weder, noch vermindert
es sich. Die den Winter durch herangewehte obere Lage unterliegt zwar dem
Einfluß der heißen Sonnenstrahlen; doch kaum ist deren Einwirkung vorüber, so
verwandelt sich der aufgethaute Schnee sofort wieder in eine spiegelglatte Eisrinde.
Die ganze Masse ist, wie gesagt, so fest, daß man Axt und Hacke anwenden muß,
um Stücke loszulösen.

Die Dauerhaftigkeit des Aetnaeises, das jetzt einen bedeutenden Ausfuhr¬
artikel nach Italien, Griechenland, der Türkei und Afrika bildet, mußte bald die
Aufmerksamkeit der Speculanten ans sich ziehen. Früher holte sich, wer'da wollte,
doch schon 1788 machte, wie uns Marlet erzählt, der tatarische Bischof von der
Kanzel herab bekannt, die heilige Agathe, die Schutzpatronin von Katania, sei
ihm im Traume erschienen, und habe der Kathedrale der Stadt, die deren Namen
trägt, das Eis des Aetna ans ewige Zeiten zum Geschenk gemacht. Das im
Glauben starke Volk ließ von da an den Schatz unberührt, und der Bischof ver¬
pachtete ihn im Interesse der Kirche, d. h. seinem eigenen für die Summe von
4000 Unzen Gold oder 12,000 Dukaten an Marseiller Kaufleute.

Ein "Schnee", den man mit der Axt loshauen .muß und welcher den Trans¬
port bis nach Afrika hinein aushält, ist wol auch im Stande, nicht nur Maulesel,
sondern selbst schweres Frachtfuhrwcrk zu tragen; es liegt also auf der Hand, daß
die Führer uns nur deshalb die Fußpartie machen ließen, um ihre Thiere zu
schonen. Leider waren wir, als uns. dies klar wurde,, schon zu weit von der
Casa del Bosco entfernt, um noch einmal zurückzukehren und aufzusitzen.

Um eine Erfahrung reicher schleppten wir uns mühsam in die Hohe, mußten
aber beinahe alle zehn Schritte halten und nach Luft schnappen, die uus bald
ganz zu fehlen schien. Das dritthalbstündigc Hinaufklettern ans einen fast senk¬
recht abfallenden und mit holprigen Eise bedeckten Berg war wirklich ein saures
Stück Arbeit, denn eS bestand in einem fortwährenden Ringen unsrer schon sehr-
erschöpften Kräfte mit der Abschüssigkeit des Bodens, mit dem uns in's Gesicht
wehenden oder vielmehr pfeifenden Winde, mit der Bürde des unbequemen Um-
zugs, und der Täuschung endlich, welche den in scharfen Umrissen an dunklem
Himmel gezeichneten Kegel scheinbar dicht vor uns hinstellte, ohne daß wir ihm
merklich näher kommen konnten. Eine halbe Stunde nach Mitternacht kamen,
wir halb todt an dem zweiten Ruhepunkte, der sogenannten Casa Jnglese, dem
englische" Hause, an und warfen uus dort auch augenblicklich nieder.

Dieses Gebäude, das sich 10,300 Fuß über die Meeresfläche erhebt, ist ein
Werk der Engländer, deren Namen es auch trägt. Früher stand an dessen Stelle
eine Bude nach dem Muster der Casa del Bosco, welche Gemmelaro hatte er¬
richten lassen; da sie jedoch die Winterstürme regelmäßig jedes Jahr über den


Grenzboten. IV. 1832. 10

von weitem auch wie solcher aussieht, ist Eis, und zwar ein so hartes, daß wir
Mühe hatten, die eisernen spilen unsrer Stäbe hinejnznbohren. Es bedeckt
den Berg gewiß schon Tausende von Jahren, und schmilzt weder, noch vermindert
es sich. Die den Winter durch herangewehte obere Lage unterliegt zwar dem
Einfluß der heißen Sonnenstrahlen; doch kaum ist deren Einwirkung vorüber, so
verwandelt sich der aufgethaute Schnee sofort wieder in eine spiegelglatte Eisrinde.
Die ganze Masse ist, wie gesagt, so fest, daß man Axt und Hacke anwenden muß,
um Stücke loszulösen.

Die Dauerhaftigkeit des Aetnaeises, das jetzt einen bedeutenden Ausfuhr¬
artikel nach Italien, Griechenland, der Türkei und Afrika bildet, mußte bald die
Aufmerksamkeit der Speculanten ans sich ziehen. Früher holte sich, wer'da wollte,
doch schon 1788 machte, wie uns Marlet erzählt, der tatarische Bischof von der
Kanzel herab bekannt, die heilige Agathe, die Schutzpatronin von Katania, sei
ihm im Traume erschienen, und habe der Kathedrale der Stadt, die deren Namen
trägt, das Eis des Aetna ans ewige Zeiten zum Geschenk gemacht. Das im
Glauben starke Volk ließ von da an den Schatz unberührt, und der Bischof ver¬
pachtete ihn im Interesse der Kirche, d. h. seinem eigenen für die Summe von
4000 Unzen Gold oder 12,000 Dukaten an Marseiller Kaufleute.

Ein „Schnee", den man mit der Axt loshauen .muß und welcher den Trans¬
port bis nach Afrika hinein aushält, ist wol auch im Stande, nicht nur Maulesel,
sondern selbst schweres Frachtfuhrwcrk zu tragen; es liegt also auf der Hand, daß
die Führer uns nur deshalb die Fußpartie machen ließen, um ihre Thiere zu
schonen. Leider waren wir, als uns. dies klar wurde,, schon zu weit von der
Casa del Bosco entfernt, um noch einmal zurückzukehren und aufzusitzen.

Um eine Erfahrung reicher schleppten wir uns mühsam in die Hohe, mußten
aber beinahe alle zehn Schritte halten und nach Luft schnappen, die uus bald
ganz zu fehlen schien. Das dritthalbstündigc Hinaufklettern ans einen fast senk¬
recht abfallenden und mit holprigen Eise bedeckten Berg war wirklich ein saures
Stück Arbeit, denn eS bestand in einem fortwährenden Ringen unsrer schon sehr-
erschöpften Kräfte mit der Abschüssigkeit des Bodens, mit dem uns in's Gesicht
wehenden oder vielmehr pfeifenden Winde, mit der Bürde des unbequemen Um-
zugs, und der Täuschung endlich, welche den in scharfen Umrissen an dunklem
Himmel gezeichneten Kegel scheinbar dicht vor uns hinstellte, ohne daß wir ihm
merklich näher kommen konnten. Eine halbe Stunde nach Mitternacht kamen,
wir halb todt an dem zweiten Ruhepunkte, der sogenannten Casa Jnglese, dem
englische» Hause, an und warfen uus dort auch augenblicklich nieder.

Dieses Gebäude, das sich 10,300 Fuß über die Meeresfläche erhebt, ist ein
Werk der Engländer, deren Namen es auch trägt. Früher stand an dessen Stelle
eine Bude nach dem Muster der Casa del Bosco, welche Gemmelaro hatte er¬
richten lassen; da sie jedoch die Winterstürme regelmäßig jedes Jahr über den


Grenzboten. IV. 1832. 10
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/83>, abgerufen am 20.10.2024.