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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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sind nicht so vornehmer Natur, und müssen ihr Tagewerk allein vollbringen; der
Sicilianische Altvater dagegen, im Gefühl, daß er aus der obersten Sprosse der
vulcanischen Hierarchie stehe, bläst nur ruhig seinen Rauch gen Himmel, oder wirst
von Zeit zu Zeit ein Felsstück, einen-Haufen Asche aus seinem Schlunde. Für
den verheerenden Strom, der fortwährend in seinem Bauche kocht, hat er be¬
sondere Organe, die auf sein Geheiß sich in Bewegung setzen. Tritt die Zeit
eines neuen Ausbruchs ein, so macht sich das alte Schneehaupt nur durch ver¬
mehrten Rauch und reichlichern Aschenregen bemerklich, aber am Riesenleibe des
Berges, näher oder serner, höher oder tiefer, entsteht gleich einem Geschwür an
einem kranken Körper, ein Berg, klein im Vergleich zum Aetna, aber immer noch
bedeutender als der Vesuv; dieser öffnet sich und gießt das, was im Innern der
Erde so lange gegohren hat, auf die Oberfläche aus. Ein Krater dieser Art,
von denen der Aetna gleich einer Schaar von Kindern und Enkeln umgeben ist,
ist der genannte Monte Rosso, der vor 200 Jahren dazu ausersehen war, einen
blühenden Garten in eine Einöde zu verwandeln. Stände er an einer andern
Stelle und allem, so konnte er für einen ganz stattlichen Vulcan gelten, denn er
erhebt sich -1200 Pariser Fuß über das Niveau von Nicolosi; hier aber, neben
dem riesenhaften Aetna schrumpft er zu einem Hügel zusammen. Wir erstiegen
seinen Gipfel gemächlich zu Fuße und fanden oben eine Oeffnung von ungefähr 200
Fuß Umfang von der Gestalt eines doppelten Topfes oder getheilten Pfeffer- und
Salznäpfchens. Die Tiefe des Kraters mag wol an 300 Fuß betragen, und
deutlich erkennt man von oben dessen Boden, auf den man gewiß ohne Gefahr
hinabsteigen könnte, wenn Jemand die Neugier dazu triebe. Wir hatten weder
diese, noch überflüssige Zeit und wollten eben so "wenig in die Fußstapfen Goethe's
treten, der -1787 bei seinem Ausflug nach dem Aetna am Monte Rosso stehen
blieb, und aus Furcht vor den Eismassen, Wäldern und anderen eingebildeten Ge¬
fahren in die für einen Dichter ziemlich prosaischen Worte' ausbrach: "Man thut
besser, sich das Uebrige erzählen zu lassen." Wir hegten, wie gesagt, nicht die
Absicht, den gefeierten deutschen Poeten nachzuahmen, sondern den festen Vorsatz,
von dem Gipfel des Aetna das aufgehende Gestirn des Tages zu begrüßen. Um
dies zu erreichen, hatten wir Eile nöthig, und kehrten deshalb bald nach Nicolosi
zurück.

Wie auf Sonnenschein immer Regen folgt, so kam auch jetzt nach der An¬
nehmlichkeit und Behaglichkeit die Mühsal, die vorzugsweise in dem nun vor uns
liegenden schlechtem Wege, so wie darin bestand, daß wir dem bequemen Wagen
Valet sagen und den Rücken der Maulesel besteigen mußten, die von Jngend
auf an's Bergsteigen gewöhnt und deshalb vollkommen sicher, in Nicolosi auf uns
warteten.

Gegen halb fünf Uhr Nachmittags saßen wir auf. Jeder von uns hatte
einen mit einer Laterne und einer Fackel versehenen Führer, und ein Esel trug,


sind nicht so vornehmer Natur, und müssen ihr Tagewerk allein vollbringen; der
Sicilianische Altvater dagegen, im Gefühl, daß er aus der obersten Sprosse der
vulcanischen Hierarchie stehe, bläst nur ruhig seinen Rauch gen Himmel, oder wirst
von Zeit zu Zeit ein Felsstück, einen-Haufen Asche aus seinem Schlunde. Für
den verheerenden Strom, der fortwährend in seinem Bauche kocht, hat er be¬
sondere Organe, die auf sein Geheiß sich in Bewegung setzen. Tritt die Zeit
eines neuen Ausbruchs ein, so macht sich das alte Schneehaupt nur durch ver¬
mehrten Rauch und reichlichern Aschenregen bemerklich, aber am Riesenleibe des
Berges, näher oder serner, höher oder tiefer, entsteht gleich einem Geschwür an
einem kranken Körper, ein Berg, klein im Vergleich zum Aetna, aber immer noch
bedeutender als der Vesuv; dieser öffnet sich und gießt das, was im Innern der
Erde so lange gegohren hat, auf die Oberfläche aus. Ein Krater dieser Art,
von denen der Aetna gleich einer Schaar von Kindern und Enkeln umgeben ist,
ist der genannte Monte Rosso, der vor 200 Jahren dazu ausersehen war, einen
blühenden Garten in eine Einöde zu verwandeln. Stände er an einer andern
Stelle und allem, so konnte er für einen ganz stattlichen Vulcan gelten, denn er
erhebt sich -1200 Pariser Fuß über das Niveau von Nicolosi; hier aber, neben
dem riesenhaften Aetna schrumpft er zu einem Hügel zusammen. Wir erstiegen
seinen Gipfel gemächlich zu Fuße und fanden oben eine Oeffnung von ungefähr 200
Fuß Umfang von der Gestalt eines doppelten Topfes oder getheilten Pfeffer- und
Salznäpfchens. Die Tiefe des Kraters mag wol an 300 Fuß betragen, und
deutlich erkennt man von oben dessen Boden, auf den man gewiß ohne Gefahr
hinabsteigen könnte, wenn Jemand die Neugier dazu triebe. Wir hatten weder
diese, noch überflüssige Zeit und wollten eben so «wenig in die Fußstapfen Goethe's
treten, der -1787 bei seinem Ausflug nach dem Aetna am Monte Rosso stehen
blieb, und aus Furcht vor den Eismassen, Wäldern und anderen eingebildeten Ge¬
fahren in die für einen Dichter ziemlich prosaischen Worte' ausbrach: „Man thut
besser, sich das Uebrige erzählen zu lassen." Wir hegten, wie gesagt, nicht die
Absicht, den gefeierten deutschen Poeten nachzuahmen, sondern den festen Vorsatz,
von dem Gipfel des Aetna das aufgehende Gestirn des Tages zu begrüßen. Um
dies zu erreichen, hatten wir Eile nöthig, und kehrten deshalb bald nach Nicolosi
zurück.

Wie auf Sonnenschein immer Regen folgt, so kam auch jetzt nach der An¬
nehmlichkeit und Behaglichkeit die Mühsal, die vorzugsweise in dem nun vor uns
liegenden schlechtem Wege, so wie darin bestand, daß wir dem bequemen Wagen
Valet sagen und den Rücken der Maulesel besteigen mußten, die von Jngend
auf an's Bergsteigen gewöhnt und deshalb vollkommen sicher, in Nicolosi auf uns
warteten.

Gegen halb fünf Uhr Nachmittags saßen wir auf. Jeder von uns hatte
einen mit einer Laterne und einer Fackel versehenen Führer, und ein Esel trug,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/79>, abgerufen am 20.10.2024.