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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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von jeder Arbeit für seine Herrschaft entbunden, nach eigenem Ermessen für sich
verwenden darf. Hier wuschen Negersrauen am User ihre Wäsche, hier spielte eine
Schaar von schwarzen Kindern, dort war eine Gesellschaft mit Fischen beschäftigt, und
hier wieder schlenderte ein schwarzer Gentleman in schwarzem Leibrock und blendend
weißen Beinkleidern, mit handbreit hervorragenden Hemdärmeln und Halskragen,
um den krausen Wollkopf ein roth und' weiß gestreiftes Tuch gebunden und über
demselben einen schwarzen Hut, am Arme seiner eben so schwarzen Geliebten
dahin, alle heiter und froh, singend und lachend -- ein vollständiger Widerspruch
mit dem Bilde, welches wir uns in Deutschland von dem Leiden der Negersclaven
entworfen hatten.

Mühsam ächzte und stöhnte unser Tow-boat, rüstig drehten sich die Schaufel¬
räder und die Schornsteine spieen Funken umher, so daß hier und da die Segel
unsres James Feuer fingen -- aber stundenlang hatten wir dieselbe Plantage in
Sicht, und bisweilen kam es uns vor, als ob wir rückwärts statt vorwärts kämen.
Jetzt erst sah unser galanter Führer, daß seine Kraft mit seinem Muthe nicht
aufkommen konnte, und mußte nun der bestimmten Forderung der beiden Capitaine
und der Nothwendigkeit sich fügen; das schwedische Schiff, vom Schlepptau gelöst,
warf Anker, während das Tow-boat zuerst uns dem Hafen zuführte, um dann
dieselbe Bahn nochmals mit der zurückgelassenen Schwedin zu durchlaufen.

Je mehr wir uns der Halbmondstadt näherten, desto seltener wurde der
Wald und desto häufiger die Plantagen; endlich blieben auch diese aus und an
ihrer Stelle erschienen Lusthäuser und Fabriken, Niederlagen und Schiffswerft?.
Die Stunde der Landung mußte bald heranrücken; meine Koffer waren bald
gepackt, und ich kom.nec bald ungestört, mit Ausnahme einer kurzen Zeit, während
welcher ich ab und zu meine Reisegefährten in ihren mannichfachen Bemühungen,
ihr Gepäck zum Ausräumen zurecht zu legen, unterstützte, die wechselnden, bunten
Scenen des Ufers betrachten. Da war ein Leben im Zwischendeck, wie es noch
nie gewesen war -- ein Chaos von Kisten und Koffern, von Säcken, Matratzen,
Eß - und Trinkgeschirren; Alles sollte von einander geschieden und wiederum mit
anderen aus den möglichst kleinen Raum zusammengedrängt werden; hier fehlte
ein Tuch, dort ein Hut, hier ein Stiefel, dort ein Geschirr, hier fehlte es an
Raum, dort an Kraft; aber Zeit und Menschenhände überwanden die Schwierig¬
keiten; noch ehe das Schiff anlegte, sogar noch ehe wir in den dichten Wald von
Masten und Schornsteinen -- ein Anblick, wie ihn nur amerikanische und englische
Häfen bieten können -- eingelaufen waren, stand das gesammte Schiffspersonal
auf dem Deck und erwartete den Moment, wo unsre bisherige Heimath sich an
die zukünftige anschließen, wo unser James Edward zum ersten Male an dem
Festlande der Vereinigten Staaten von Nord - Amerika anlegen sollte. Aber wel¬
ches Wunder! Wer sind die Herren und Damen, welche festlich geschmückt von
unsrem Deck herab in gespannter Erwartung dem Drängen und Treiben der


8*

von jeder Arbeit für seine Herrschaft entbunden, nach eigenem Ermessen für sich
verwenden darf. Hier wuschen Negersrauen am User ihre Wäsche, hier spielte eine
Schaar von schwarzen Kindern, dort war eine Gesellschaft mit Fischen beschäftigt, und
hier wieder schlenderte ein schwarzer Gentleman in schwarzem Leibrock und blendend
weißen Beinkleidern, mit handbreit hervorragenden Hemdärmeln und Halskragen,
um den krausen Wollkopf ein roth und' weiß gestreiftes Tuch gebunden und über
demselben einen schwarzen Hut, am Arme seiner eben so schwarzen Geliebten
dahin, alle heiter und froh, singend und lachend — ein vollständiger Widerspruch
mit dem Bilde, welches wir uns in Deutschland von dem Leiden der Negersclaven
entworfen hatten.

Mühsam ächzte und stöhnte unser Tow-boat, rüstig drehten sich die Schaufel¬
räder und die Schornsteine spieen Funken umher, so daß hier und da die Segel
unsres James Feuer fingen — aber stundenlang hatten wir dieselbe Plantage in
Sicht, und bisweilen kam es uns vor, als ob wir rückwärts statt vorwärts kämen.
Jetzt erst sah unser galanter Führer, daß seine Kraft mit seinem Muthe nicht
aufkommen konnte, und mußte nun der bestimmten Forderung der beiden Capitaine
und der Nothwendigkeit sich fügen; das schwedische Schiff, vom Schlepptau gelöst,
warf Anker, während das Tow-boat zuerst uns dem Hafen zuführte, um dann
dieselbe Bahn nochmals mit der zurückgelassenen Schwedin zu durchlaufen.

Je mehr wir uns der Halbmondstadt näherten, desto seltener wurde der
Wald und desto häufiger die Plantagen; endlich blieben auch diese aus und an
ihrer Stelle erschienen Lusthäuser und Fabriken, Niederlagen und Schiffswerft?.
Die Stunde der Landung mußte bald heranrücken; meine Koffer waren bald
gepackt, und ich kom.nec bald ungestört, mit Ausnahme einer kurzen Zeit, während
welcher ich ab und zu meine Reisegefährten in ihren mannichfachen Bemühungen,
ihr Gepäck zum Ausräumen zurecht zu legen, unterstützte, die wechselnden, bunten
Scenen des Ufers betrachten. Da war ein Leben im Zwischendeck, wie es noch
nie gewesen war — ein Chaos von Kisten und Koffern, von Säcken, Matratzen,
Eß - und Trinkgeschirren; Alles sollte von einander geschieden und wiederum mit
anderen aus den möglichst kleinen Raum zusammengedrängt werden; hier fehlte
ein Tuch, dort ein Hut, hier ein Stiefel, dort ein Geschirr, hier fehlte es an
Raum, dort an Kraft; aber Zeit und Menschenhände überwanden die Schwierig¬
keiten; noch ehe das Schiff anlegte, sogar noch ehe wir in den dichten Wald von
Masten und Schornsteinen — ein Anblick, wie ihn nur amerikanische und englische
Häfen bieten können — eingelaufen waren, stand das gesammte Schiffspersonal
auf dem Deck und erwartete den Moment, wo unsre bisherige Heimath sich an
die zukünftige anschließen, wo unser James Edward zum ersten Male an dem
Festlande der Vereinigten Staaten von Nord - Amerika anlegen sollte. Aber wel¬
ches Wunder! Wer sind die Herren und Damen, welche festlich geschmückt von
unsrem Deck herab in gespannter Erwartung dem Drängen und Treiben der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/69>, abgerufen am 20.10.2024.