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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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erwarten von der Humanitär des Capitains den günstigen Ausspruch -- er hatte
sich stets so freundlich, so gefällig bewiesen -- da ertönt das verhängnisvolle
"M", wir erwachen aus einem süßen Traume,,und sehen traurig, wie sich-das
Schiff, und mit demselben die Bewohner, von dem Lande entfernt; der Vordergrund
tritt wiederum zurück, vor uns wiederum eine endlose Wasserfläche, hinter uns
eine westindische Jusel in undeutlichen Umrissen.

So hatte die Ankunft in Amerika viel Aehnliches mit der Abreise von Europa.
Wir hatten Bremerhaveu verlassen und dem deutscheu Vaterlande Lebewohl zu¬
gerufen, und erst acht Tage später verloren wir das Land ans den Blicken; jetzt
begrüßten wir die amerikanische Erde, und mußten noch über eine volle Woche
warten, ehe wir den Fuß von dem schwankenden Schiffe ans das Festland setzen
konnten. Ganz ähnlich war auch der Eindruck, den diese Verzögerungen in beiden
Fällen auf unsre geistigen Stimmungen ausübten. Acht Tage später hatten wir
deu Boden von Amerika wirklich unter unsren Füßen, aber wir waren nicht
fröhlich, nicht im geringsten so fröhlich, so gemüthlich aufgeregt, als damals, als
unsre Blicke die erste amerikanische Jusel erspähten, obgleich uus zu jeuer Zeit
wohl bekannt war, daß wir uoch einen ziemlich weiten Weg bis zum Festlande
zurückzulegen hatten, und daß uns während dieser Zeit noch Unglück über Unglück
heimsuchen konnte. Diese Befürchtungen waren, als wir später amerikanischen
Boden betraten,, weggeräumt, aber wir waren sinnend und in uns gekehrt, wir
hatten uns an deu Gedanken, unser neues Vaterland erreicht zu haben, gewohnt,
und unser Geist war mit der Lösung der Ausgabe beschäftigt: was werden wir
in Amerika anfangen?

Von den Tnrks-Islands segelten wir nun südwestlich und daun westlich durch
deu Canal zwischen Haiti, Cuba und Jamaica, dicht an der Küste von Cuba
entlang, und ergötzten uns an den Gebirgen und Wäldern, und an den Schluchten
und Bächen, welche vou deu Bergen nach dem Meere herabliefeu. Wir hatten
Zeit genug, um alle diese Erzeugnisse der rohen Naturkräfte, leider nnr aus der
Ferne, zu betrachte"; uoch mehr Zeit und Mühe verwandten wir aber auf das
Auffischen von Holz und Kräutern, welche an unsrem Schiffe laugsam vorbeitriebeu.
Nachmittags hatten wir meist Windstille, und das Meer war oft so eben wie ein
Spiegel. Da versammelten sich die Steeragepassagiere mit einigen befreundeten
Bewohnern der Capitainscajüte auf dem obern Decke; in bunten Gruppen auf
dem Fußboden sitzend oder hingestreckt, mitten unter uus der Capitain, spielten
Einige Whist oder Sechsundsechzig, während Andere durch Nath und That die
Spieler unterstützten, indem sie die Stiche in Empfang nahmen, die leicht beim
Eintritt von etwas Zugluft über Bord geführt werden konnten. Die Franc"
strickten und klatschten und wurden in der letzten edlen Beschäftigung vielfach
von den müßigen Herren unterstützt, Alle aber hatten neben sich eine Tasse
schwarzen Kaffee oder Chocolade stehen und auf der Tasse ein Stück Kuchen; es


erwarten von der Humanitär des Capitains den günstigen Ausspruch — er hatte
sich stets so freundlich, so gefällig bewiesen — da ertönt das verhängnisvolle
„M", wir erwachen aus einem süßen Traume,,und sehen traurig, wie sich-das
Schiff, und mit demselben die Bewohner, von dem Lande entfernt; der Vordergrund
tritt wiederum zurück, vor uns wiederum eine endlose Wasserfläche, hinter uns
eine westindische Jusel in undeutlichen Umrissen.

So hatte die Ankunft in Amerika viel Aehnliches mit der Abreise von Europa.
Wir hatten Bremerhaveu verlassen und dem deutscheu Vaterlande Lebewohl zu¬
gerufen, und erst acht Tage später verloren wir das Land ans den Blicken; jetzt
begrüßten wir die amerikanische Erde, und mußten noch über eine volle Woche
warten, ehe wir den Fuß von dem schwankenden Schiffe ans das Festland setzen
konnten. Ganz ähnlich war auch der Eindruck, den diese Verzögerungen in beiden
Fällen auf unsre geistigen Stimmungen ausübten. Acht Tage später hatten wir
deu Boden von Amerika wirklich unter unsren Füßen, aber wir waren nicht
fröhlich, nicht im geringsten so fröhlich, so gemüthlich aufgeregt, als damals, als
unsre Blicke die erste amerikanische Jusel erspähten, obgleich uus zu jeuer Zeit
wohl bekannt war, daß wir uoch einen ziemlich weiten Weg bis zum Festlande
zurückzulegen hatten, und daß uns während dieser Zeit noch Unglück über Unglück
heimsuchen konnte. Diese Befürchtungen waren, als wir später amerikanischen
Boden betraten,, weggeräumt, aber wir waren sinnend und in uns gekehrt, wir
hatten uns an deu Gedanken, unser neues Vaterland erreicht zu haben, gewohnt,
und unser Geist war mit der Lösung der Ausgabe beschäftigt: was werden wir
in Amerika anfangen?

Von den Tnrks-Islands segelten wir nun südwestlich und daun westlich durch
deu Canal zwischen Haiti, Cuba und Jamaica, dicht an der Küste von Cuba
entlang, und ergötzten uns an den Gebirgen und Wäldern, und an den Schluchten
und Bächen, welche vou deu Bergen nach dem Meere herabliefeu. Wir hatten
Zeit genug, um alle diese Erzeugnisse der rohen Naturkräfte, leider nnr aus der
Ferne, zu betrachte«; uoch mehr Zeit und Mühe verwandten wir aber auf das
Auffischen von Holz und Kräutern, welche an unsrem Schiffe laugsam vorbeitriebeu.
Nachmittags hatten wir meist Windstille, und das Meer war oft so eben wie ein
Spiegel. Da versammelten sich die Steeragepassagiere mit einigen befreundeten
Bewohnern der Capitainscajüte auf dem obern Decke; in bunten Gruppen auf
dem Fußboden sitzend oder hingestreckt, mitten unter uus der Capitain, spielten
Einige Whist oder Sechsundsechzig, während Andere durch Nath und That die
Spieler unterstützten, indem sie die Stiche in Empfang nahmen, die leicht beim
Eintritt von etwas Zugluft über Bord geführt werden konnten. Die Franc»
strickten und klatschten und wurden in der letzten edlen Beschäftigung vielfach
von den müßigen Herren unterstützt, Alle aber hatten neben sich eine Tasse
schwarzen Kaffee oder Chocolade stehen und auf der Tasse ein Stück Kuchen; es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/63>, abgerufen am 27.09.2024.