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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Dieser einzige Vorwurf, der dem Gebäude gemacht werden kann, trifft also seinen
Erbauer nicht; allen Forderungen, sowol an architektonische Schönheit, als an
Zweckmäßigkeit entspricht es aus das Vollkommenste. Es sollte aber nicht blos Thor-
valdsen's Hinterlassenschaft, sonder" anch seine sterblichen Reste aufnehmen, und
diese Bestimmung spricht sich in dem ernsten Charakter seiner Außenseite sogleich
deutlich ans. Es ist in einem den Etrurischcu Mausoleen entlehnten Styl aus-,
geführt, bildet ein Oblong, in dessen Mitte ein ebenfalls vblvnger offener Hos
liegt, hat flache Dächer und ist zweistöckig. Die Vorderseite enthält, fünf große
Eingänge, zu denen einige Stufen führe"; auf ihrem Dache steht eine Victoria auf
einem Vorgcspann, theilweise nach einer hinterlassenen Zeichnung von Thorvaldseu
in Bronze ausgeführt. Die Hinterseite un5 beide Längenseiteu sind mit einer
fortlaufenden Darstellung von Thorvaldsen's Empfang in Kopenhagen und dem
Transport seiner Werke am 17ten September 1838 (dem Tag seiner Rückkehr nach
achtzehnjähriger Abwesenheit) bemalt. Diese ist in lebensgroßen Figuren nach
Art der Etrurischer Vasenmalereien ausgeführt, d. h. die Figuren sind mit reinen
Farben, (hauptsächlich gelb, einzelne Theile weiß, roth, violett) nur ein Wenig
schraffirt auf schwarzen Grund gesetzt, eine einfache perständige Komposition, bei
der gerade die schlichte Anspruchslosigkeit der Ausführung den Eindruck erhöht
und ihr etwas Rührendes giebt. Die Vorhalle erhält ihr Licht durch ihre fünf
oberhalb mit Glas geschlossenen Eingänge, die Corridore, die den Hof von allen
Seiten umgeben, und die Säle auf der der Vorhalle entgegengesetzten Seite,
durch Fenster, vom Hose aus. Die beiden Läugeuseitcn sind in Cabinette ab¬
getheilt (19 oben und 19 unten), deren jedes durch ein besonders in der äußern
Mauer hochangebrachtes halbrundes Fenster beleuchtet wird. Die Cabinette sind
pompejanisch decorirt, d. h. die Wände mit einem lebhaften einfarbigen Grunde
überzogen, der nur mit Arabesken und ähnlichen rein decorativer Verzierungen
bemalt ist, so daß sich sowol die weißen Sculpturen vortrefflich abheben, als auch
der Raum zu ihrer Ausnahme hinreichend geschmückt erscheint, ohne daß sein
Schmuck zu ihrem Nachtheil den Blick auf sich zöge. Das ganze untere Stockwerk
enthält ausschließlich Werke von Thorvaldsen, die zum geringern Theil in Marmor
ausgeführt, zum größern in Gyps abgegossen sind; das obere den Nest seiner
Werke, und außerdem seine Bücher-, Gemälde- und Antikensammlung.

Die meisten Besucher größerer Sammlungen suchen sich, bevor sie an die
Betrachtung des Einzelnen gehen, einen Ueberblick über die ganze Sammlung zu
verschaffen und sich über das Verhältniß ihrer Theile zu einander im Allgemeinen
zu orientiren. Ist sie irgend zweckmäßig" geordnet, so wird sie bei einer solchen
ersten flüchtigen Durchwanderung sich am vortheilhaftesten darstellen. Verwandte
Eindrücke schnell auf einander folgend, wo möglich stufenweise sich verstärkend,
unterstützen sich gegenseitig, und indem sie doch von verschiedenen Gegenständen
ausgehen, werden Gefühl und Phantasie aus das Mauuichfachste angeregt und


Dieser einzige Vorwurf, der dem Gebäude gemacht werden kann, trifft also seinen
Erbauer nicht; allen Forderungen, sowol an architektonische Schönheit, als an
Zweckmäßigkeit entspricht es aus das Vollkommenste. Es sollte aber nicht blos Thor-
valdsen's Hinterlassenschaft, sonder» anch seine sterblichen Reste aufnehmen, und
diese Bestimmung spricht sich in dem ernsten Charakter seiner Außenseite sogleich
deutlich ans. Es ist in einem den Etrurischcu Mausoleen entlehnten Styl aus-,
geführt, bildet ein Oblong, in dessen Mitte ein ebenfalls vblvnger offener Hos
liegt, hat flache Dächer und ist zweistöckig. Die Vorderseite enthält, fünf große
Eingänge, zu denen einige Stufen führe«; auf ihrem Dache steht eine Victoria auf
einem Vorgcspann, theilweise nach einer hinterlassenen Zeichnung von Thorvaldseu
in Bronze ausgeführt. Die Hinterseite un5 beide Längenseiteu sind mit einer
fortlaufenden Darstellung von Thorvaldsen's Empfang in Kopenhagen und dem
Transport seiner Werke am 17ten September 1838 (dem Tag seiner Rückkehr nach
achtzehnjähriger Abwesenheit) bemalt. Diese ist in lebensgroßen Figuren nach
Art der Etrurischer Vasenmalereien ausgeführt, d. h. die Figuren sind mit reinen
Farben, (hauptsächlich gelb, einzelne Theile weiß, roth, violett) nur ein Wenig
schraffirt auf schwarzen Grund gesetzt, eine einfache perständige Komposition, bei
der gerade die schlichte Anspruchslosigkeit der Ausführung den Eindruck erhöht
und ihr etwas Rührendes giebt. Die Vorhalle erhält ihr Licht durch ihre fünf
oberhalb mit Glas geschlossenen Eingänge, die Corridore, die den Hof von allen
Seiten umgeben, und die Säle auf der der Vorhalle entgegengesetzten Seite,
durch Fenster, vom Hose aus. Die beiden Läugeuseitcn sind in Cabinette ab¬
getheilt (19 oben und 19 unten), deren jedes durch ein besonders in der äußern
Mauer hochangebrachtes halbrundes Fenster beleuchtet wird. Die Cabinette sind
pompejanisch decorirt, d. h. die Wände mit einem lebhaften einfarbigen Grunde
überzogen, der nur mit Arabesken und ähnlichen rein decorativer Verzierungen
bemalt ist, so daß sich sowol die weißen Sculpturen vortrefflich abheben, als auch
der Raum zu ihrer Ausnahme hinreichend geschmückt erscheint, ohne daß sein
Schmuck zu ihrem Nachtheil den Blick auf sich zöge. Das ganze untere Stockwerk
enthält ausschließlich Werke von Thorvaldsen, die zum geringern Theil in Marmor
ausgeführt, zum größern in Gyps abgegossen sind; das obere den Nest seiner
Werke, und außerdem seine Bücher-, Gemälde- und Antikensammlung.

Die meisten Besucher größerer Sammlungen suchen sich, bevor sie an die
Betrachtung des Einzelnen gehen, einen Ueberblick über die ganze Sammlung zu
verschaffen und sich über das Verhältniß ihrer Theile zu einander im Allgemeinen
zu orientiren. Ist sie irgend zweckmäßig" geordnet, so wird sie bei einer solchen
ersten flüchtigen Durchwanderung sich am vortheilhaftesten darstellen. Verwandte
Eindrücke schnell auf einander folgend, wo möglich stufenweise sich verstärkend,
unterstützen sich gegenseitig, und indem sie doch von verschiedenen Gegenständen
ausgehen, werden Gefühl und Phantasie aus das Mauuichfachste angeregt und


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[0503] Dieser einzige Vorwurf, der dem Gebäude gemacht werden kann, trifft also seinen Erbauer nicht; allen Forderungen, sowol an architektonische Schönheit, als an Zweckmäßigkeit entspricht es aus das Vollkommenste. Es sollte aber nicht blos Thor- valdsen's Hinterlassenschaft, sonder» anch seine sterblichen Reste aufnehmen, und diese Bestimmung spricht sich in dem ernsten Charakter seiner Außenseite sogleich deutlich ans. Es ist in einem den Etrurischcu Mausoleen entlehnten Styl aus-, geführt, bildet ein Oblong, in dessen Mitte ein ebenfalls vblvnger offener Hos liegt, hat flache Dächer und ist zweistöckig. Die Vorderseite enthält, fünf große Eingänge, zu denen einige Stufen führe«; auf ihrem Dache steht eine Victoria auf einem Vorgcspann, theilweise nach einer hinterlassenen Zeichnung von Thorvaldseu in Bronze ausgeführt. Die Hinterseite un5 beide Längenseiteu sind mit einer fortlaufenden Darstellung von Thorvaldsen's Empfang in Kopenhagen und dem Transport seiner Werke am 17ten September 1838 (dem Tag seiner Rückkehr nach achtzehnjähriger Abwesenheit) bemalt. Diese ist in lebensgroßen Figuren nach Art der Etrurischer Vasenmalereien ausgeführt, d. h. die Figuren sind mit reinen Farben, (hauptsächlich gelb, einzelne Theile weiß, roth, violett) nur ein Wenig schraffirt auf schwarzen Grund gesetzt, eine einfache perständige Komposition, bei der gerade die schlichte Anspruchslosigkeit der Ausführung den Eindruck erhöht und ihr etwas Rührendes giebt. Die Vorhalle erhält ihr Licht durch ihre fünf oberhalb mit Glas geschlossenen Eingänge, die Corridore, die den Hof von allen Seiten umgeben, und die Säle auf der der Vorhalle entgegengesetzten Seite, durch Fenster, vom Hose aus. Die beiden Läugeuseitcn sind in Cabinette ab¬ getheilt (19 oben und 19 unten), deren jedes durch ein besonders in der äußern Mauer hochangebrachtes halbrundes Fenster beleuchtet wird. Die Cabinette sind pompejanisch decorirt, d. h. die Wände mit einem lebhaften einfarbigen Grunde überzogen, der nur mit Arabesken und ähnlichen rein decorativer Verzierungen bemalt ist, so daß sich sowol die weißen Sculpturen vortrefflich abheben, als auch der Raum zu ihrer Ausnahme hinreichend geschmückt erscheint, ohne daß sein Schmuck zu ihrem Nachtheil den Blick auf sich zöge. Das ganze untere Stockwerk enthält ausschließlich Werke von Thorvaldsen, die zum geringern Theil in Marmor ausgeführt, zum größern in Gyps abgegossen sind; das obere den Nest seiner Werke, und außerdem seine Bücher-, Gemälde- und Antikensammlung. Die meisten Besucher größerer Sammlungen suchen sich, bevor sie an die Betrachtung des Einzelnen gehen, einen Ueberblick über die ganze Sammlung zu verschaffen und sich über das Verhältniß ihrer Theile zu einander im Allgemeinen zu orientiren. Ist sie irgend zweckmäßig" geordnet, so wird sie bei einer solchen ersten flüchtigen Durchwanderung sich am vortheilhaftesten darstellen. Verwandte Eindrücke schnell auf einander folgend, wo möglich stufenweise sich verstärkend, unterstützen sich gegenseitig, und indem sie doch von verschiedenen Gegenständen ausgehen, werden Gefühl und Phantasie aus das Mauuichfachste angeregt und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/503>, abgerufen am 27.09.2024.