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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Verstände die Adelspartei ihren wahren Vortheil, so würde sie vereint mit
den Constitutionellen sich eben so der Umänderung der ersten Kammer widersetzen,
deren jetzige Zusammensetzung ihr schon fast eine sichere Mehrheit giebt, als von
der Reactivirung der ständischen Gliederung in der zweiten Kammer abstehn, in
der sie trotz eines repräsentativen Wahlgesetzes immer angemessen vertreten bleibt.
Sie würde ferner nicht die Beibehaltung der Ständeeintheilung der Kreis- und
Provinziallandtage verlangen, die man durch einen administrativen eaux as maln
wieder in's Leben gerufen hat. Eine Modifikation dieser Körperschaften kann den.
ritterschaftlichen Interessen jede genügende Sicherung erhalten. Das richtige
Princip einer Aristokratie ist heute nicht mehr, sich von der übrigen Bevölkerung
als ein besonderer Stand abzusondern und jene dann zu bevormunden. Die Mischung
der Stände, die im Leben längst vollzogen ist, in den Institutionen verläugnen
zu wollen, ist undurchführbar. Jeder derartige Versuch wird und muß ein kläg¬
liches Ende nehmen.

Obwol nun die Adelspartei einer Aenderung der ersten Kammer zu Gunsten
des Ernennungsrechtes der Regierung widerstrebt, so beharrt sie doch auf der
ständischen Reactivirung der zweiten, aus der ständischen Gliederung aller unteren
Grade des Staatsorganismus. Sie haßt und beargwohnt zwar die Bureau¬
kratie, aber noch mehr haßt und beargwohnt sie die liberalen Ideen. Diese Stim¬
mung ist einem Compromiß nur zu sehr geneigt. Erfolgt er, so wird die Re¬
gierung eine erste Kammer erhalten aus Grund erblicher und lebenslänglicher
Ernennung, d. h. eine Mischung von Pairs und geheimen Räthen, in der die
Letzteren bald überwiegen durften, und die Ritterschaft wird sich dann auf die
ständisch gegliederte zweite Kammer zurückziehen.

Der Krone gegenüber sind die Forderungen der Junker, bei der Masse
derselben aus Respect, bei den Führern aus Berechnung, mäßig. Weit entfernt
von unabhängigem, aristokratischem Trotz empfinden sie sogar eine Art Bedürfniß
der Dienstbarkeit. Die Verfassung soll ein Bollwerk der ritterschaftlichen Rechte
und Interessen weniger gegen die Krone, als' gegen die Nation sein. Die
Junkerpartei ist daher zu jeder Reform bereit, welche die politische Action
der Regierung von der Behinderung des parlamentarischen Einflusses befreien
kann. Das parlamentarische System und die Majoritätenregierung werden auch
für ein ständisches Parlament nicht von ihr.beansprucht. Um sich den Einfluß
ans die Politik der Negierung zu sichern, den sie ertheilen sollen, bleibt ihr ja
außerdem auch das Terrain des Hofes.

Diese Politik, die im Widerspruch mit den materiellen und moralischen
Zuständen der heutigen Gesellschaft steht, die die Traditionen der Größe Preußens
verläugner und doch mit den phantastischen Plänen einer Rehabilitation unter¬
gegangener Zeiten nur die engherzigsten Zwecke eines Standes verfolgt, wird,
wenn nicht ein glücklicher Zufall ihren Fortgang aufhält und sie wider Willen in


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Verstände die Adelspartei ihren wahren Vortheil, so würde sie vereint mit
den Constitutionellen sich eben so der Umänderung der ersten Kammer widersetzen,
deren jetzige Zusammensetzung ihr schon fast eine sichere Mehrheit giebt, als von
der Reactivirung der ständischen Gliederung in der zweiten Kammer abstehn, in
der sie trotz eines repräsentativen Wahlgesetzes immer angemessen vertreten bleibt.
Sie würde ferner nicht die Beibehaltung der Ständeeintheilung der Kreis- und
Provinziallandtage verlangen, die man durch einen administrativen eaux as maln
wieder in's Leben gerufen hat. Eine Modifikation dieser Körperschaften kann den.
ritterschaftlichen Interessen jede genügende Sicherung erhalten. Das richtige
Princip einer Aristokratie ist heute nicht mehr, sich von der übrigen Bevölkerung
als ein besonderer Stand abzusondern und jene dann zu bevormunden. Die Mischung
der Stände, die im Leben längst vollzogen ist, in den Institutionen verläugnen
zu wollen, ist undurchführbar. Jeder derartige Versuch wird und muß ein kläg¬
liches Ende nehmen.

Obwol nun die Adelspartei einer Aenderung der ersten Kammer zu Gunsten
des Ernennungsrechtes der Regierung widerstrebt, so beharrt sie doch auf der
ständischen Reactivirung der zweiten, aus der ständischen Gliederung aller unteren
Grade des Staatsorganismus. Sie haßt und beargwohnt zwar die Bureau¬
kratie, aber noch mehr haßt und beargwohnt sie die liberalen Ideen. Diese Stim¬
mung ist einem Compromiß nur zu sehr geneigt. Erfolgt er, so wird die Re¬
gierung eine erste Kammer erhalten aus Grund erblicher und lebenslänglicher
Ernennung, d. h. eine Mischung von Pairs und geheimen Räthen, in der die
Letzteren bald überwiegen durften, und die Ritterschaft wird sich dann auf die
ständisch gegliederte zweite Kammer zurückziehen.

Der Krone gegenüber sind die Forderungen der Junker, bei der Masse
derselben aus Respect, bei den Führern aus Berechnung, mäßig. Weit entfernt
von unabhängigem, aristokratischem Trotz empfinden sie sogar eine Art Bedürfniß
der Dienstbarkeit. Die Verfassung soll ein Bollwerk der ritterschaftlichen Rechte
und Interessen weniger gegen die Krone, als' gegen die Nation sein. Die
Junkerpartei ist daher zu jeder Reform bereit, welche die politische Action
der Regierung von der Behinderung des parlamentarischen Einflusses befreien
kann. Das parlamentarische System und die Majoritätenregierung werden auch
für ein ständisches Parlament nicht von ihr.beansprucht. Um sich den Einfluß
ans die Politik der Negierung zu sichern, den sie ertheilen sollen, bleibt ihr ja
außerdem auch das Terrain des Hofes.

Diese Politik, die im Widerspruch mit den materiellen und moralischen
Zuständen der heutigen Gesellschaft steht, die die Traditionen der Größe Preußens
verläugner und doch mit den phantastischen Plänen einer Rehabilitation unter¬
gegangener Zeiten nur die engherzigsten Zwecke eines Standes verfolgt, wird,
wenn nicht ein glücklicher Zufall ihren Fortgang aufhält und sie wider Willen in


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[0501] Verstände die Adelspartei ihren wahren Vortheil, so würde sie vereint mit den Constitutionellen sich eben so der Umänderung der ersten Kammer widersetzen, deren jetzige Zusammensetzung ihr schon fast eine sichere Mehrheit giebt, als von der Reactivirung der ständischen Gliederung in der zweiten Kammer abstehn, in der sie trotz eines repräsentativen Wahlgesetzes immer angemessen vertreten bleibt. Sie würde ferner nicht die Beibehaltung der Ständeeintheilung der Kreis- und Provinziallandtage verlangen, die man durch einen administrativen eaux as maln wieder in's Leben gerufen hat. Eine Modifikation dieser Körperschaften kann den. ritterschaftlichen Interessen jede genügende Sicherung erhalten. Das richtige Princip einer Aristokratie ist heute nicht mehr, sich von der übrigen Bevölkerung als ein besonderer Stand abzusondern und jene dann zu bevormunden. Die Mischung der Stände, die im Leben längst vollzogen ist, in den Institutionen verläugnen zu wollen, ist undurchführbar. Jeder derartige Versuch wird und muß ein kläg¬ liches Ende nehmen. Obwol nun die Adelspartei einer Aenderung der ersten Kammer zu Gunsten des Ernennungsrechtes der Regierung widerstrebt, so beharrt sie doch auf der ständischen Reactivirung der zweiten, aus der ständischen Gliederung aller unteren Grade des Staatsorganismus. Sie haßt und beargwohnt zwar die Bureau¬ kratie, aber noch mehr haßt und beargwohnt sie die liberalen Ideen. Diese Stim¬ mung ist einem Compromiß nur zu sehr geneigt. Erfolgt er, so wird die Re¬ gierung eine erste Kammer erhalten aus Grund erblicher und lebenslänglicher Ernennung, d. h. eine Mischung von Pairs und geheimen Räthen, in der die Letzteren bald überwiegen durften, und die Ritterschaft wird sich dann auf die ständisch gegliederte zweite Kammer zurückziehen. Der Krone gegenüber sind die Forderungen der Junker, bei der Masse derselben aus Respect, bei den Führern aus Berechnung, mäßig. Weit entfernt von unabhängigem, aristokratischem Trotz empfinden sie sogar eine Art Bedürfniß der Dienstbarkeit. Die Verfassung soll ein Bollwerk der ritterschaftlichen Rechte und Interessen weniger gegen die Krone, als' gegen die Nation sein. Die Junkerpartei ist daher zu jeder Reform bereit, welche die politische Action der Regierung von der Behinderung des parlamentarischen Einflusses befreien kann. Das parlamentarische System und die Majoritätenregierung werden auch für ein ständisches Parlament nicht von ihr.beansprucht. Um sich den Einfluß ans die Politik der Negierung zu sichern, den sie ertheilen sollen, bleibt ihr ja außerdem auch das Terrain des Hofes. Diese Politik, die im Widerspruch mit den materiellen und moralischen Zuständen der heutigen Gesellschaft steht, die die Traditionen der Größe Preußens verläugner und doch mit den phantastischen Plänen einer Rehabilitation unter¬ gegangener Zeiten nur die engherzigsten Zwecke eines Standes verfolgt, wird, wenn nicht ein glücklicher Zufall ihren Fortgang aufhält und sie wider Willen in 62*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/501>, abgerufen am 27.09.2024.