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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Die Znnkerpartei in Preußen.

Die Wurzeln der heutigen ritterschaftlichen Partei in Preußen greifen bis in
die frühesten Anfänge seiner Staatsgeschichte. In starrer Widersetzlichkeit stand
der märkische Adel schon den ersten hohenzollern'schen Kurfürsten gegenüber,
welche die Grundsteine zu deur Ban der Monarchie legten; und stets hat die
Adelspartei, dlemm der Folge zu verschiedenen Epochen der Entwickelung Preußens
sich hindernd in den Weg stellte, ihren Mittelpunkt in der Mark gesunden.

Gebrochen in seiner politischen Berechtigung seit dem großen Kurfürsten,
wurde der Adel allmählich der treueste Diener der Dynastie und des Staates
in Heer und Verwaltung. Obschon er jedoch die privilegirte Kaste der Absolutie
war, obschon die Beamtenhierarchie, welche den Staat verwaltete, die militärische,
ans welcher dessen Macht beruhte, durch seine Mitglieder gebildet wurden, vermochte
das eigentliche Corps der adeligen Standschaft, der ritterschaftliche Grundbesitz,
niemals die wahre Idee des preußischen Staatsthums in sich aufzunehmen. Es
blieb in ihm ein eigensüchtiges Kasteninteresse zurück, das, sobald es sich geltend
machte, die Politik Preußens in falsche und antinationale Bahnen trieb.

Dem Berufe dieser Monarchie, aus dem kläglichen Verfall des deutschen
Reiches und der völligen Zerrissenheit aller nationalen Bande, ein neues Volks¬
bewußtsein zu erzeugen, ein Staatswesen herzustellen, dessen fortschreitende Ent¬
wickelung die Regeneration Deutschlands zu Wege bringen sollte, ist die preu¬
ßische Ritterschaft stets fremd geblieben. Sie gewann, im Verlauf einer Geschichte,
welcher der große Kurfürst schon ruhmvolle Erinnerungen verlieh, während Fried¬
rich der Große sie mit weltgeschichtlicher Glorie umgab, eine feste Anhänglichkeit
an das Königthum, sie liebte in ihm den Staat "ut das Vaterland, aber sie hatte
weder Verständniß, uoch Sympathie für dessen eigentliche historische Aufgabe.

Es ist wahrscheinlich, daß die preußischen Fürsten, bis auf Friedrich den
Zweiten, auch ohne Bewußtsein dieser Aufgabe sie gleichwol verfolgten, daß selbst
der große König sich ihrer nur sehr bedingt bewußt war. Sie handelten jedoch


Grenzboten. IV. 4862. 61
Die Znnkerpartei in Preußen.

Die Wurzeln der heutigen ritterschaftlichen Partei in Preußen greifen bis in
die frühesten Anfänge seiner Staatsgeschichte. In starrer Widersetzlichkeit stand
der märkische Adel schon den ersten hohenzollern'schen Kurfürsten gegenüber,
welche die Grundsteine zu deur Ban der Monarchie legten; und stets hat die
Adelspartei, dlemm der Folge zu verschiedenen Epochen der Entwickelung Preußens
sich hindernd in den Weg stellte, ihren Mittelpunkt in der Mark gesunden.

Gebrochen in seiner politischen Berechtigung seit dem großen Kurfürsten,
wurde der Adel allmählich der treueste Diener der Dynastie und des Staates
in Heer und Verwaltung. Obschon er jedoch die privilegirte Kaste der Absolutie
war, obschon die Beamtenhierarchie, welche den Staat verwaltete, die militärische,
ans welcher dessen Macht beruhte, durch seine Mitglieder gebildet wurden, vermochte
das eigentliche Corps der adeligen Standschaft, der ritterschaftliche Grundbesitz,
niemals die wahre Idee des preußischen Staatsthums in sich aufzunehmen. Es
blieb in ihm ein eigensüchtiges Kasteninteresse zurück, das, sobald es sich geltend
machte, die Politik Preußens in falsche und antinationale Bahnen trieb.

Dem Berufe dieser Monarchie, aus dem kläglichen Verfall des deutschen
Reiches und der völligen Zerrissenheit aller nationalen Bande, ein neues Volks¬
bewußtsein zu erzeugen, ein Staatswesen herzustellen, dessen fortschreitende Ent¬
wickelung die Regeneration Deutschlands zu Wege bringen sollte, ist die preu¬
ßische Ritterschaft stets fremd geblieben. Sie gewann, im Verlauf einer Geschichte,
welcher der große Kurfürst schon ruhmvolle Erinnerungen verlieh, während Fried¬
rich der Große sie mit weltgeschichtlicher Glorie umgab, eine feste Anhänglichkeit
an das Königthum, sie liebte in ihm den Staat »ut das Vaterland, aber sie hatte
weder Verständniß, uoch Sympathie für dessen eigentliche historische Aufgabe.

Es ist wahrscheinlich, daß die preußischen Fürsten, bis auf Friedrich den
Zweiten, auch ohne Bewußtsein dieser Aufgabe sie gleichwol verfolgten, daß selbst
der große König sich ihrer nur sehr bedingt bewußt war. Sie handelten jedoch


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[0491] Die Znnkerpartei in Preußen. Die Wurzeln der heutigen ritterschaftlichen Partei in Preußen greifen bis in die frühesten Anfänge seiner Staatsgeschichte. In starrer Widersetzlichkeit stand der märkische Adel schon den ersten hohenzollern'schen Kurfürsten gegenüber, welche die Grundsteine zu deur Ban der Monarchie legten; und stets hat die Adelspartei, dlemm der Folge zu verschiedenen Epochen der Entwickelung Preußens sich hindernd in den Weg stellte, ihren Mittelpunkt in der Mark gesunden. Gebrochen in seiner politischen Berechtigung seit dem großen Kurfürsten, wurde der Adel allmählich der treueste Diener der Dynastie und des Staates in Heer und Verwaltung. Obschon er jedoch die privilegirte Kaste der Absolutie war, obschon die Beamtenhierarchie, welche den Staat verwaltete, die militärische, ans welcher dessen Macht beruhte, durch seine Mitglieder gebildet wurden, vermochte das eigentliche Corps der adeligen Standschaft, der ritterschaftliche Grundbesitz, niemals die wahre Idee des preußischen Staatsthums in sich aufzunehmen. Es blieb in ihm ein eigensüchtiges Kasteninteresse zurück, das, sobald es sich geltend machte, die Politik Preußens in falsche und antinationale Bahnen trieb. Dem Berufe dieser Monarchie, aus dem kläglichen Verfall des deutschen Reiches und der völligen Zerrissenheit aller nationalen Bande, ein neues Volks¬ bewußtsein zu erzeugen, ein Staatswesen herzustellen, dessen fortschreitende Ent¬ wickelung die Regeneration Deutschlands zu Wege bringen sollte, ist die preu¬ ßische Ritterschaft stets fremd geblieben. Sie gewann, im Verlauf einer Geschichte, welcher der große Kurfürst schon ruhmvolle Erinnerungen verlieh, während Fried¬ rich der Große sie mit weltgeschichtlicher Glorie umgab, eine feste Anhänglichkeit an das Königthum, sie liebte in ihm den Staat »ut das Vaterland, aber sie hatte weder Verständniß, uoch Sympathie für dessen eigentliche historische Aufgabe. Es ist wahrscheinlich, daß die preußischen Fürsten, bis auf Friedrich den Zweiten, auch ohne Bewußtsein dieser Aufgabe sie gleichwol verfolgten, daß selbst der große König sich ihrer nur sehr bedingt bewußt war. Sie handelten jedoch Grenzboten. IV. 4862. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/491>, abgerufen am 27.09.2024.