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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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mit den Kolben in die Franzosen hinein. Schnell wurde das Carr", da wir in
Linie standen, rechts und links umzingelt und so von allen Seiten mit Bayonnet
und Kolben angegriffen. Jetzt war an kein Pardongeben mehr zu denken und
nach zehn Minuten lag das ganze Carrs da zu Boden geschlagen und in eine
Pyramide verwandelt. Etwa 130 Lebendige und Leichtblesstrte fanden sich hernach
noch aus dem niedergeschlagenen Menschenhaufen heraus, diese wurden als Ge¬
fangene zurückgeschickt. Die, nachfolgenden anderen Bataillone und die Landwehr
hatten sich auf die übrige Infanterie und die Geschütze gestürzt. Letztere war
etwas aus einander gekommen, als feindliche Chasseurs auf sie losgesprengt kamen,
und Pardon anboten. Aber schnell gesammelt stürzte sie sich unter ihrem Obersten
Gaza mit dem Bayonnet aus die Reiter, und schlug sie aus dem Felde. Das war
das 1i. schlesische Landwehrregiment. Ein Paar Tage früher hatte das Füsilier¬
bataillon des Leibregiments bei Löwenberg einen ähnlichen glücklichen Bayonnet-
angriff auf französische Cavallerie gemacht. Noch war aber der Sieg nicht
entschieden; neue Massen, namentlich Reiterei, drängten herauf und kamen bis in
die preußischen Batterien; aber umsonst. Bald sind die Preußen wieder im Vor¬
rücken, Sacken schwenkt gegen die linke Flanke der Franzosen an, und als noch
vier Kavallerieregimenter, das letzte von Macdonald selbst geführt, vergeblich
angreifen und aus einander stieben, stürzt sich Alles in wilder Verwirrung die steilen
Thalränder der Neisse und Katzbach hinunter. 18,000 Gefangene, 103 Kanonen,
230 Munitionswagen und das ganze übrige Fuhrwerk des Feindes waren die
Trophäen des Sieges, der natürlich verhältnißmäßige Verluste gekostet hatte.
Jork's Corps war während der 18 Tage seit Eröffnung des Feldzuges
38,000 auf 23,000 Mann gesunken.

Der Rechtsabmarsch der schlesischen Armee zur Vereinigung mit der Nord¬
armee in den letzten Septemberwochen führte U^rk mit seinem Corps an die
Elbe, wo er den Uebergang bei Wartenbnrg bewerkstelligte und hier einen seiner
schönsten Lorbeer" pflückte. Es war ein Mustergefecht so recht nach Uork's Art,
denn wo "der alte Jsegrimm", wie ihn die Soldaten nannten, sich einmal festgebissen,
da ließ er nicht wieder los. Man fand drüben einen weit stärkern Feind, als
man erwartet hatte, in einer sehr starken verdeckten Stellung mit überlegenem
Geschütz. Mit einem raschen Anlauf war hier nichts zu machen; nur zäheste
Ausdauer, kalte Ruhe und unbedingte Herrschaft über die Truppen kounte hier
den Sieg bringen, indem man den Feind am hartnäckigen Widerstand im sparsam
genährten Gefecht sich allmählich aufreiben ließ, bis er, mürbe geworden, von dem
letzten Stoße zerbrach. Hier war es, wo der tapfere Horn seine Brigade über
einen schmalen Damm persönlich zum Sturm führte. Der Zugang war durch eine
feindliche Batterie vertheidigt (wir folgen hier abermals dem Bericht eines Augen¬
zeugen bei Droysen). Die erste Paßkugel, die der anstürmenden preußischen
Brigade entgegenflog, traf gerade in die Brust des Pferdes, auf dem General


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mit den Kolben in die Franzosen hinein. Schnell wurde das Carr«, da wir in
Linie standen, rechts und links umzingelt und so von allen Seiten mit Bayonnet
und Kolben angegriffen. Jetzt war an kein Pardongeben mehr zu denken und
nach zehn Minuten lag das ganze Carrs da zu Boden geschlagen und in eine
Pyramide verwandelt. Etwa 130 Lebendige und Leichtblesstrte fanden sich hernach
noch aus dem niedergeschlagenen Menschenhaufen heraus, diese wurden als Ge¬
fangene zurückgeschickt. Die, nachfolgenden anderen Bataillone und die Landwehr
hatten sich auf die übrige Infanterie und die Geschütze gestürzt. Letztere war
etwas aus einander gekommen, als feindliche Chasseurs auf sie losgesprengt kamen,
und Pardon anboten. Aber schnell gesammelt stürzte sie sich unter ihrem Obersten
Gaza mit dem Bayonnet aus die Reiter, und schlug sie aus dem Felde. Das war
das 1i. schlesische Landwehrregiment. Ein Paar Tage früher hatte das Füsilier¬
bataillon des Leibregiments bei Löwenberg einen ähnlichen glücklichen Bayonnet-
angriff auf französische Cavallerie gemacht. Noch war aber der Sieg nicht
entschieden; neue Massen, namentlich Reiterei, drängten herauf und kamen bis in
die preußischen Batterien; aber umsonst. Bald sind die Preußen wieder im Vor¬
rücken, Sacken schwenkt gegen die linke Flanke der Franzosen an, und als noch
vier Kavallerieregimenter, das letzte von Macdonald selbst geführt, vergeblich
angreifen und aus einander stieben, stürzt sich Alles in wilder Verwirrung die steilen
Thalränder der Neisse und Katzbach hinunter. 18,000 Gefangene, 103 Kanonen,
230 Munitionswagen und das ganze übrige Fuhrwerk des Feindes waren die
Trophäen des Sieges, der natürlich verhältnißmäßige Verluste gekostet hatte.
Jork's Corps war während der 18 Tage seit Eröffnung des Feldzuges
38,000 auf 23,000 Mann gesunken.

Der Rechtsabmarsch der schlesischen Armee zur Vereinigung mit der Nord¬
armee in den letzten Septemberwochen führte U^rk mit seinem Corps an die
Elbe, wo er den Uebergang bei Wartenbnrg bewerkstelligte und hier einen seiner
schönsten Lorbeer» pflückte. Es war ein Mustergefecht so recht nach Uork's Art,
denn wo „der alte Jsegrimm", wie ihn die Soldaten nannten, sich einmal festgebissen,
da ließ er nicht wieder los. Man fand drüben einen weit stärkern Feind, als
man erwartet hatte, in einer sehr starken verdeckten Stellung mit überlegenem
Geschütz. Mit einem raschen Anlauf war hier nichts zu machen; nur zäheste
Ausdauer, kalte Ruhe und unbedingte Herrschaft über die Truppen kounte hier
den Sieg bringen, indem man den Feind am hartnäckigen Widerstand im sparsam
genährten Gefecht sich allmählich aufreiben ließ, bis er, mürbe geworden, von dem
letzten Stoße zerbrach. Hier war es, wo der tapfere Horn seine Brigade über
einen schmalen Damm persönlich zum Sturm führte. Der Zugang war durch eine
feindliche Batterie vertheidigt (wir folgen hier abermals dem Bericht eines Augen¬
zeugen bei Droysen). Die erste Paßkugel, die der anstürmenden preußischen
Brigade entgegenflog, traf gerade in die Brust des Pferdes, auf dem General


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/461>, abgerufen am 27.09.2024.