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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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der tugendsam secundairen Rolle, in der die Bundesgenossen Preußen so gern
sahen, -- als habe nur Preußen dankbar zu sein, zu fürchten und zu hoffen --
diejenige geltend zu machen, zu welcher das schon Geleistete das volle Recht gab.
Daß auch Preußen seine Interessen und seine Ansprüche, daß es einen deutschen
und europäischen Ruf habe, -- nicht in Heer und Volk, wol aber in den höchst
entscheidenden Rollen schien es -- nach den Demüthigungen und Hoffnungslosig¬
keiten der letzten Jahre -- nicht mehr oder uoch nicht wieder geglaubt zu werden."

Kehren wir wieder von dieser Abschweifung zurück, denn wir können natürlich
hier nicht eine Geschichte jener großen Zeit schreiben, wollen nicht einmal dem
Feldzuge Schritt für Schritt folgen, sondern nnr die charakteristischen Züge zu dem'
Bilde eines preußischen Feldherrn und seiner Truppen sammeln. Und auch da
werden wir uns, des beschränkten Raumes wegen, manchmal in Sprüngen bewegen
müssen.

Aork erhielt den Oberbefehl über das erste Armeecorps von 38,000 Manu
und blieb unter Blücher's unmittelbaren Befehl, während von den anderen diesem
untergeordneten beiden Corps Bülow zur Nordarmee, und Kleist zur große" Armee
abrückte. Uork dagegen bildete mit deu beiden russischem Corps, Sacken und
Langeron, die schlesische Armee. Er war mit dieser Anordnung auf's Höchste
unzufrieden. Auf Blücher hielt er uicht viel, er nannte ihn einen Hnsarengeneral;
mit Gneisenau, seinem Chef des Generalstabes, lebte er in der größten Span-'
mung, die in offene Feindschaft auszubrechen drohte. Wir wünschten sehr, daß
Droysen dieses Verhältniß klarer beleuchtet hätte, doch mag es an Materialien
gefehlt haben, und ist wol erst von den in Aussicht stehenden Denkwürdigkeiten
Gneisenau's Aufhellung über diese dunkle Partie der Geschichte des Befreiungs¬
krieges zu erwarten. Bis jetzt sehen wir blos, daß U^ut beständig mäkelte,
Gneisenau kopfloser und leichtsinniger Operationen und unnützer Fatiguinmg der
Truppen beschuldigte und sich über stete geflissentliche Kränkungen mit großer Bit¬
terkeit beschwerte; während Gneisenau über bösen Willen und Widerspruchsgeist,
über das Einwirken persönlicher Leidenschaften auf die große Sache der Nation
klagt. Die Hauptschuld lag wol an der ganz verschiedenen Geistesrichtung der
Beiden, und an dem galligen und argwöhnischen Wesen Aork's. Die eigenthüm¬
liche Haltung der beiden russischen Cvrpsführer gab auch zu mancher Gereiztheit
Anlaß; sie betrachteten sich als halb selbstständig, befolgten die erhaltenen Befehle
erst nach vorheriger Kritik, manchmal anch gar nicht. Dadurch wurde manche
günstige Gelegenheit versäumt, kam manche Verwirrung in die Bewegungen, die
Uork bereitwillig auf die Dispositionen der "Strategen" des Hauptquartiers schob.
Bei alledem fühlte man sich dnrch politische Rücksichten bewogen, den Russen einen
weit über die Gebühr gehenden Antheil am Ruhme zukommen zu lassen, was
abermals Aork als absichtliche Vernachlässigung von Seiten des Generalstabes
auslegte. Was vollends in Schlesien bis zu dem Abrücken nach der Elbe


Grenzboten. IV. 1862. S7

der tugendsam secundairen Rolle, in der die Bundesgenossen Preußen so gern
sahen, — als habe nur Preußen dankbar zu sein, zu fürchten und zu hoffen —
diejenige geltend zu machen, zu welcher das schon Geleistete das volle Recht gab.
Daß auch Preußen seine Interessen und seine Ansprüche, daß es einen deutschen
und europäischen Ruf habe, — nicht in Heer und Volk, wol aber in den höchst
entscheidenden Rollen schien es — nach den Demüthigungen und Hoffnungslosig¬
keiten der letzten Jahre — nicht mehr oder uoch nicht wieder geglaubt zu werden."

Kehren wir wieder von dieser Abschweifung zurück, denn wir können natürlich
hier nicht eine Geschichte jener großen Zeit schreiben, wollen nicht einmal dem
Feldzuge Schritt für Schritt folgen, sondern nnr die charakteristischen Züge zu dem'
Bilde eines preußischen Feldherrn und seiner Truppen sammeln. Und auch da
werden wir uns, des beschränkten Raumes wegen, manchmal in Sprüngen bewegen
müssen.

Aork erhielt den Oberbefehl über das erste Armeecorps von 38,000 Manu
und blieb unter Blücher's unmittelbaren Befehl, während von den anderen diesem
untergeordneten beiden Corps Bülow zur Nordarmee, und Kleist zur große» Armee
abrückte. Uork dagegen bildete mit deu beiden russischem Corps, Sacken und
Langeron, die schlesische Armee. Er war mit dieser Anordnung auf's Höchste
unzufrieden. Auf Blücher hielt er uicht viel, er nannte ihn einen Hnsarengeneral;
mit Gneisenau, seinem Chef des Generalstabes, lebte er in der größten Span-'
mung, die in offene Feindschaft auszubrechen drohte. Wir wünschten sehr, daß
Droysen dieses Verhältniß klarer beleuchtet hätte, doch mag es an Materialien
gefehlt haben, und ist wol erst von den in Aussicht stehenden Denkwürdigkeiten
Gneisenau's Aufhellung über diese dunkle Partie der Geschichte des Befreiungs¬
krieges zu erwarten. Bis jetzt sehen wir blos, daß U^ut beständig mäkelte,
Gneisenau kopfloser und leichtsinniger Operationen und unnützer Fatiguinmg der
Truppen beschuldigte und sich über stete geflissentliche Kränkungen mit großer Bit¬
terkeit beschwerte; während Gneisenau über bösen Willen und Widerspruchsgeist,
über das Einwirken persönlicher Leidenschaften auf die große Sache der Nation
klagt. Die Hauptschuld lag wol an der ganz verschiedenen Geistesrichtung der
Beiden, und an dem galligen und argwöhnischen Wesen Aork's. Die eigenthüm¬
liche Haltung der beiden russischen Cvrpsführer gab auch zu mancher Gereiztheit
Anlaß; sie betrachteten sich als halb selbstständig, befolgten die erhaltenen Befehle
erst nach vorheriger Kritik, manchmal anch gar nicht. Dadurch wurde manche
günstige Gelegenheit versäumt, kam manche Verwirrung in die Bewegungen, die
Uork bereitwillig auf die Dispositionen der „Strategen" des Hauptquartiers schob.
Bei alledem fühlte man sich dnrch politische Rücksichten bewogen, den Russen einen
weit über die Gebühr gehenden Antheil am Ruhme zukommen zu lassen, was
abermals Aork als absichtliche Vernachlässigung von Seiten des Generalstabes
auslegte. Was vollends in Schlesien bis zu dem Abrücken nach der Elbe


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[0459] der tugendsam secundairen Rolle, in der die Bundesgenossen Preußen so gern sahen, — als habe nur Preußen dankbar zu sein, zu fürchten und zu hoffen — diejenige geltend zu machen, zu welcher das schon Geleistete das volle Recht gab. Daß auch Preußen seine Interessen und seine Ansprüche, daß es einen deutschen und europäischen Ruf habe, — nicht in Heer und Volk, wol aber in den höchst entscheidenden Rollen schien es — nach den Demüthigungen und Hoffnungslosig¬ keiten der letzten Jahre — nicht mehr oder uoch nicht wieder geglaubt zu werden." Kehren wir wieder von dieser Abschweifung zurück, denn wir können natürlich hier nicht eine Geschichte jener großen Zeit schreiben, wollen nicht einmal dem Feldzuge Schritt für Schritt folgen, sondern nnr die charakteristischen Züge zu dem' Bilde eines preußischen Feldherrn und seiner Truppen sammeln. Und auch da werden wir uns, des beschränkten Raumes wegen, manchmal in Sprüngen bewegen müssen. Aork erhielt den Oberbefehl über das erste Armeecorps von 38,000 Manu und blieb unter Blücher's unmittelbaren Befehl, während von den anderen diesem untergeordneten beiden Corps Bülow zur Nordarmee, und Kleist zur große» Armee abrückte. Uork dagegen bildete mit deu beiden russischem Corps, Sacken und Langeron, die schlesische Armee. Er war mit dieser Anordnung auf's Höchste unzufrieden. Auf Blücher hielt er uicht viel, er nannte ihn einen Hnsarengeneral; mit Gneisenau, seinem Chef des Generalstabes, lebte er in der größten Span-' mung, die in offene Feindschaft auszubrechen drohte. Wir wünschten sehr, daß Droysen dieses Verhältniß klarer beleuchtet hätte, doch mag es an Materialien gefehlt haben, und ist wol erst von den in Aussicht stehenden Denkwürdigkeiten Gneisenau's Aufhellung über diese dunkle Partie der Geschichte des Befreiungs¬ krieges zu erwarten. Bis jetzt sehen wir blos, daß U^ut beständig mäkelte, Gneisenau kopfloser und leichtsinniger Operationen und unnützer Fatiguinmg der Truppen beschuldigte und sich über stete geflissentliche Kränkungen mit großer Bit¬ terkeit beschwerte; während Gneisenau über bösen Willen und Widerspruchsgeist, über das Einwirken persönlicher Leidenschaften auf die große Sache der Nation klagt. Die Hauptschuld lag wol an der ganz verschiedenen Geistesrichtung der Beiden, und an dem galligen und argwöhnischen Wesen Aork's. Die eigenthüm¬ liche Haltung der beiden russischen Cvrpsführer gab auch zu mancher Gereiztheit Anlaß; sie betrachteten sich als halb selbstständig, befolgten die erhaltenen Befehle erst nach vorheriger Kritik, manchmal anch gar nicht. Dadurch wurde manche günstige Gelegenheit versäumt, kam manche Verwirrung in die Bewegungen, die Uork bereitwillig auf die Dispositionen der „Strategen" des Hauptquartiers schob. Bei alledem fühlte man sich dnrch politische Rücksichten bewogen, den Russen einen weit über die Gebühr gehenden Antheil am Ruhme zukommen zu lassen, was abermals Aork als absichtliche Vernachlässigung von Seiten des Generalstabes auslegte. Was vollends in Schlesien bis zu dem Abrücken nach der Elbe Grenzboten. IV. 1862. S7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/459>, abgerufen am 27.09.2024.