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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Gehorsam widersprach, und er von Herzen die neuen politischen Richtungen haßte,
die ein so wichtiges Element in dem Aufschwung der Nation gegen Napoleon
bildeten. Die Anerkennung vom König ließ lange auf sich warten, und in der
That scheint ihm dieser nach Fürstenweise nie die Selbstständigkeit der rettenden
That ganz vergessen und stets einen Groll gegen ihn behalten zu haben, der sich
zuweilen in kleinlichen Aeußerungen Luft machte. Einmal wußte der König auf
Aork's sehr begründete Klagen über die mangelhafte Ausrüstung nichts zu er¬
widern als den grämlichen Vorwurf: "Ist mir sehr unangenehm, haben aber
den Krieg gewollt und Alles angefangen." Und das war nach dem Waffenstill¬
stand, wo sich Uvrk bereits bei Möckern, Lützen und Bautzen neue große Ver¬
dienste erworben hatte. Auch in seiner Stellung als General fühlte sich York in
seiner Gereiztheit mannichfach vernachlässigt. Daß er im Anfang des Krieges der
populairste General war, konnte ihn nicht entschädigen, und ärgerte ihn eher, da
er sich dadurch in eine Kategorie mit den "Revolutionairs", wie er die Scharn-
horst, die Gneisenau, die Stein nannte, geworfen sah. Als er im März 1813
mit seinen Truppen unter endlosem Jubel des Volkes in Berlin einrückte, rührte
ihn das nicht, ein Bild stolzer Strenge und Kälte, ritt er vor seinen Truppen
her, ohne den Blick auf die jubelnde Menge rechts oder links zu wenden.

Bei Wiederausbruch des Krieges kam Uorks Corps unter Wittgenstein's
Befehl. Es war in zwei Brigaden Infanterie und einer Brigade Reiterei
10,000 Mann stark, und hatte, mit Ausnahme eines Bataillons, schon in Kurland
seine Kriegsschule gemacht. Von den Brigadenführern sind Horn und Hünerbein
auszuzeichnen. Ersterer ,,recht eigentlich das Bild eines Soldaten, groß, kräftig,
derb, von unerschütterlicher Festigkeit, für seine Truppen sorgsam; Keiner verstand
es wie er, mit ihnen zu sein; Manchem hatte er gezeigt, wie er sich die
.Streu machen, wie er sich ein Essen schnell kochen, wie er wurde Füße behandeln
müsse. So kühn und gewaltig im Gefecht, so fest und scharf im Dienst, eben so
gütig und herzlich war er, wo er es konnte; gegen Arme, Kranke und Gefangene
voller Erbarmen. Mehr als einmal hat er in der Wintercampagne 181L in
französischen Dörfern für die Dorfarmen Suppe kochen lassen, und als er einst
dort ein Lazareth französischer Verwundeter fand, die von Behörde und Ein¬
wohnern ganz vernachlässigt waren, ruhte er uicht eher, als bis Alles in Ordnung ge¬
bracht war, und er legte selbst mit Hand an." Von ganz anderer Art war Hünerbein.
Ein gewandter Hofmann aus der Umgebung des Prinzen Louis, ein geistreicher
und übermüthiger Gegner der Stein'schen Reformen. Er sprudelte von Witz und
Malice; im Frieden bis zur Weichlichkeit üppig, war er im Felde wie verwandelt:
im Bivouak theilte er alle Anstrengungen der gemeinen' Soldaten, im Gefecht
vereinigte er mit großer Kaltblütigkeit einen raschen und klaren Blick. Des tüchtigen
Artilleriecommandanten, Major Schmidt, des Major Steinmetz, neben Gneisenau
Mitvertheidiger Colberg's, und eines ihm ähnlichen Charakters, des ritterlichen Jurgaß


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Gehorsam widersprach, und er von Herzen die neuen politischen Richtungen haßte,
die ein so wichtiges Element in dem Aufschwung der Nation gegen Napoleon
bildeten. Die Anerkennung vom König ließ lange auf sich warten, und in der
That scheint ihm dieser nach Fürstenweise nie die Selbstständigkeit der rettenden
That ganz vergessen und stets einen Groll gegen ihn behalten zu haben, der sich
zuweilen in kleinlichen Aeußerungen Luft machte. Einmal wußte der König auf
Aork's sehr begründete Klagen über die mangelhafte Ausrüstung nichts zu er¬
widern als den grämlichen Vorwurf: „Ist mir sehr unangenehm, haben aber
den Krieg gewollt und Alles angefangen." Und das war nach dem Waffenstill¬
stand, wo sich Uvrk bereits bei Möckern, Lützen und Bautzen neue große Ver¬
dienste erworben hatte. Auch in seiner Stellung als General fühlte sich York in
seiner Gereiztheit mannichfach vernachlässigt. Daß er im Anfang des Krieges der
populairste General war, konnte ihn nicht entschädigen, und ärgerte ihn eher, da
er sich dadurch in eine Kategorie mit den „Revolutionairs", wie er die Scharn-
horst, die Gneisenau, die Stein nannte, geworfen sah. Als er im März 1813
mit seinen Truppen unter endlosem Jubel des Volkes in Berlin einrückte, rührte
ihn das nicht, ein Bild stolzer Strenge und Kälte, ritt er vor seinen Truppen
her, ohne den Blick auf die jubelnde Menge rechts oder links zu wenden.

Bei Wiederausbruch des Krieges kam Uorks Corps unter Wittgenstein's
Befehl. Es war in zwei Brigaden Infanterie und einer Brigade Reiterei
10,000 Mann stark, und hatte, mit Ausnahme eines Bataillons, schon in Kurland
seine Kriegsschule gemacht. Von den Brigadenführern sind Horn und Hünerbein
auszuzeichnen. Ersterer ,,recht eigentlich das Bild eines Soldaten, groß, kräftig,
derb, von unerschütterlicher Festigkeit, für seine Truppen sorgsam; Keiner verstand
es wie er, mit ihnen zu sein; Manchem hatte er gezeigt, wie er sich die
.Streu machen, wie er sich ein Essen schnell kochen, wie er wurde Füße behandeln
müsse. So kühn und gewaltig im Gefecht, so fest und scharf im Dienst, eben so
gütig und herzlich war er, wo er es konnte; gegen Arme, Kranke und Gefangene
voller Erbarmen. Mehr als einmal hat er in der Wintercampagne 181L in
französischen Dörfern für die Dorfarmen Suppe kochen lassen, und als er einst
dort ein Lazareth französischer Verwundeter fand, die von Behörde und Ein¬
wohnern ganz vernachlässigt waren, ruhte er uicht eher, als bis Alles in Ordnung ge¬
bracht war, und er legte selbst mit Hand an." Von ganz anderer Art war Hünerbein.
Ein gewandter Hofmann aus der Umgebung des Prinzen Louis, ein geistreicher
und übermüthiger Gegner der Stein'schen Reformen. Er sprudelte von Witz und
Malice; im Frieden bis zur Weichlichkeit üppig, war er im Felde wie verwandelt:
im Bivouak theilte er alle Anstrengungen der gemeinen' Soldaten, im Gefecht
vereinigte er mit großer Kaltblütigkeit einen raschen und klaren Blick. Des tüchtigen
Artilleriecommandanten, Major Schmidt, des Major Steinmetz, neben Gneisenau
Mitvertheidiger Colberg's, und eines ihm ähnlichen Charakters, des ritterlichen Jurgaß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/453>, abgerufen am 27.09.2024.