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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Gefahr sieht." Das ist das classische Bild, welches General Clausewitz von
seinem persönlichen Charakter entwirft, und dem wir nur zur Ergänzung! noch
hinzuzufügen haben, daß das unter einer rauhen, ja abstoßenden Schale verbor¬
gene Herz doch auch sehr warm zu schlagen wußte, wie seine ausdauernde Freund¬
schaft für Solche zeigt, welche einmal sein Vertrauen zu gewinnen verstanden hatten/
wie Seydlitz, Schack, Valentini und einige wenige Andere, und sein inniges Ver¬
hältniß zu seinen Söhnen. Als Militair war er von bewährtester Tüchtigkeit.
Von zäher Ausdauer und eiserner Nuhe im Gefecht, besaß er eine besondere
Stärke darin, die Entscheidung lange hinzuhalten, und wußte dann den günstigen
Moment, wo der Feind sich erschöpft fühlte, mit kühner Entschlossenheit rasch zu
erfassen. Das Vertrauen und die Liebe seiner Truppen besaß er ganz, so streng
und vielfordernd er im Dienste, und so sparsam er mit dem Lobe war. In seinen
Operationen war er methodisch, dem Praktischen und,Einfachen zugewandt, und allem
"Genialischen", wie er es nannte, abhold, und brachte dem Schwunge der Be¬
geisterung gegenüber stets das beschränkte Maß leiblicher Kraft, die Bedingungen
von Zeit und Raum in Erinnerung. Bei seinen sonstigen Charaktereigen¬
thümlichkeiten konnten daher Reibungen mit Blücher und Gneisenau, die immer
aus den großen Zweck des Krieges bedacht, nach den Kosten an Anstrengung
und Blut wenig fragten, und die das Detail der Anordnung meistens Unter¬
geordneten überließen, nicht ausbleiben. In Bezug aus Letzteren kam noch der
tiefgehende Unterschied der politischen Richtung hinzu. Dennoch ergänzten sich
im Grunde die beiden Männer zu Preußens und Deutschlands großem Glücke
auf das Schönste. >"Es war," schreibt ein Officier des Aork'schen Stabes, "wol
eine gnädige Führung Gottes, der diese verschiedenen Charaktere auf diese Stelle
brachte; die kühnen großartigen Ideen des Blücher'schen Hauptquartiers wären
wol schwerlich so mit Erfolg gekrönt worden, wenn nicht ein Mann wie Dort'
da war, der mit gewissenhaftem Ernst und eiserner Strenge sür die Verfassung
und den Geist seines Corps sorgte, und dasselbe mit eben so viel Ruhe und
Umsicht, als Muth und Energie in den Gefechten führte."

Der wichtige Schritt, den Aork durch die Kapitulation von Tanroggen zur
Rettung des preußischen Staates that, ist schon früher in dieser Zeitschrift bei einer
Recension des ersten Bandes des Droysen'schen Werkes besprochen worden. Wir
kommen daher eben so wenig auf diesen wie ans die mannichfach verdrießlichen Ver¬
hältnisse mit den in Ostpreußen einrückenden Russen, auf die Beziehungen Vork's
zu den ostpreußischen Ständen, ans die selbstständige Organisation der Wehrkraft
des Landes zurück, und beschränken uns ans eine Schilderung des Antheils Aork's
und seines Corps an dem nun von Neuem ausbrechenden Kampfe. Aus Uork's
Charakter scheinen die Folgen jenes Schrittes eher einen verbitternden Einfluß gehabt
zu haben. Er hatte mit seinem Abfall seinen Kopf gewagt, und mußte dieses
Wagen um so höher anschlagen, als es seinen strengen Ansichten von militairischem


Gefahr sieht." Das ist das classische Bild, welches General Clausewitz von
seinem persönlichen Charakter entwirft, und dem wir nur zur Ergänzung! noch
hinzuzufügen haben, daß das unter einer rauhen, ja abstoßenden Schale verbor¬
gene Herz doch auch sehr warm zu schlagen wußte, wie seine ausdauernde Freund¬
schaft für Solche zeigt, welche einmal sein Vertrauen zu gewinnen verstanden hatten/
wie Seydlitz, Schack, Valentini und einige wenige Andere, und sein inniges Ver¬
hältniß zu seinen Söhnen. Als Militair war er von bewährtester Tüchtigkeit.
Von zäher Ausdauer und eiserner Nuhe im Gefecht, besaß er eine besondere
Stärke darin, die Entscheidung lange hinzuhalten, und wußte dann den günstigen
Moment, wo der Feind sich erschöpft fühlte, mit kühner Entschlossenheit rasch zu
erfassen. Das Vertrauen und die Liebe seiner Truppen besaß er ganz, so streng
und vielfordernd er im Dienste, und so sparsam er mit dem Lobe war. In seinen
Operationen war er methodisch, dem Praktischen und,Einfachen zugewandt, und allem
„Genialischen", wie er es nannte, abhold, und brachte dem Schwunge der Be¬
geisterung gegenüber stets das beschränkte Maß leiblicher Kraft, die Bedingungen
von Zeit und Raum in Erinnerung. Bei seinen sonstigen Charaktereigen¬
thümlichkeiten konnten daher Reibungen mit Blücher und Gneisenau, die immer
aus den großen Zweck des Krieges bedacht, nach den Kosten an Anstrengung
und Blut wenig fragten, und die das Detail der Anordnung meistens Unter¬
geordneten überließen, nicht ausbleiben. In Bezug aus Letzteren kam noch der
tiefgehende Unterschied der politischen Richtung hinzu. Dennoch ergänzten sich
im Grunde die beiden Männer zu Preußens und Deutschlands großem Glücke
auf das Schönste. >„Es war," schreibt ein Officier des Aork'schen Stabes, „wol
eine gnädige Führung Gottes, der diese verschiedenen Charaktere auf diese Stelle
brachte; die kühnen großartigen Ideen des Blücher'schen Hauptquartiers wären
wol schwerlich so mit Erfolg gekrönt worden, wenn nicht ein Mann wie Dort'
da war, der mit gewissenhaftem Ernst und eiserner Strenge sür die Verfassung
und den Geist seines Corps sorgte, und dasselbe mit eben so viel Ruhe und
Umsicht, als Muth und Energie in den Gefechten führte."

Der wichtige Schritt, den Aork durch die Kapitulation von Tanroggen zur
Rettung des preußischen Staates that, ist schon früher in dieser Zeitschrift bei einer
Recension des ersten Bandes des Droysen'schen Werkes besprochen worden. Wir
kommen daher eben so wenig auf diesen wie ans die mannichfach verdrießlichen Ver¬
hältnisse mit den in Ostpreußen einrückenden Russen, auf die Beziehungen Vork's
zu den ostpreußischen Ständen, ans die selbstständige Organisation der Wehrkraft
des Landes zurück, und beschränken uns ans eine Schilderung des Antheils Aork's
und seines Corps an dem nun von Neuem ausbrechenden Kampfe. Aus Uork's
Charakter scheinen die Folgen jenes Schrittes eher einen verbitternden Einfluß gehabt
zu haben. Er hatte mit seinem Abfall seinen Kopf gewagt, und mußte dieses
Wagen um so höher anschlagen, als es seinen strengen Ansichten von militairischem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/452>, abgerufen am 27.09.2024.