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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Graf Bork von Wartenburg.
Ein Bild aus dem deutschen Befreiungskrieg.

Zu einer Zeit, wo man jenseit des, Rheins ein neues bonapartisches Kaiser-
thum aufrichtet und die alten imperatorischen Erinnerungen wieder auffrischt,
ziemt es dem Deutschen wohl, zur Stärkung und Nacheiferung für die Zukunft an
die glorreichen und mit Sieg gekrönten Anstrengungen zurückzudenken, mit denen
das Vaterland sich damals von der Gewaltherrschaft des Franzosenkaisers losrang.
Der reiche Schatz von Kräften, der sich damals trotz langer Jahre der Ernie¬
drigung in der Nation vorfand, mag uns auch heute die Hoffnung einflößen,
daß es uns in Zeiten der Gefahr nicht an Männern fehlen wird.

Der vor Kurzem erschienene dritte Band von Droysen's trefflichem "Leben
des Feldmarschalls Grasen Dort, von Wartenburg" giebt uns einen willkommenen
-Anlaß dazu. Uork war zu jener Zeit unzweifelhaft einer der ausgezeichnetsten
Männer der preußischen Armee, ein ungewöhnlicher Charakter vou herber Männ¬
lichkeit, in dem freilich die gemüthlich liebenswürdige Seite wenig ausgebildet war.
"General Aork war ein Mann von einigen 50 Jahren, ausgezeichnet durch
Bravour und kriegerische Tüchtigkeit. Er hatte in seiner Jngend in den hollän¬
dischen Colonien gedient, sich also in der Welt umgesehen und den Blick des
Geistes erweitert. Ein heftiger leidenschaftlicher Wille, den er aber in anscheinender
Kälte, ein gewaltiger Ehrgeiz, den er in beständiger Resignation verbirgt, und
ein starker kühner Charakter zeichnen diesen Manu aus. General Dort ist ein
rechtschaffener Mann, aber er ist finster, gallsüchtig und versteckt, und darum ist
er ein schlimmer Untergebener. Persönliche Anhänglichkeit ist ihm ziemlich fremd,
was er thut, thut er seines Rufes willen, und weil er von Natur tüchtig U
Das Schlimmste ist, daß er bei einer Maske von Derbheit und Geradheit im
Grunde sehr versteckt ist. Er prahlt, wo er wenig Hoffnung hat, aber noch
weit lieber scheint er eine Sache für verloren zu halten, wo er eigentlich wenig


Grenzboten. IV. 1832. 56
Graf Bork von Wartenburg.
Ein Bild aus dem deutschen Befreiungskrieg.

Zu einer Zeit, wo man jenseit des, Rheins ein neues bonapartisches Kaiser-
thum aufrichtet und die alten imperatorischen Erinnerungen wieder auffrischt,
ziemt es dem Deutschen wohl, zur Stärkung und Nacheiferung für die Zukunft an
die glorreichen und mit Sieg gekrönten Anstrengungen zurückzudenken, mit denen
das Vaterland sich damals von der Gewaltherrschaft des Franzosenkaisers losrang.
Der reiche Schatz von Kräften, der sich damals trotz langer Jahre der Ernie¬
drigung in der Nation vorfand, mag uns auch heute die Hoffnung einflößen,
daß es uns in Zeiten der Gefahr nicht an Männern fehlen wird.

Der vor Kurzem erschienene dritte Band von Droysen's trefflichem „Leben
des Feldmarschalls Grasen Dort, von Wartenburg" giebt uns einen willkommenen
-Anlaß dazu. Uork war zu jener Zeit unzweifelhaft einer der ausgezeichnetsten
Männer der preußischen Armee, ein ungewöhnlicher Charakter vou herber Männ¬
lichkeit, in dem freilich die gemüthlich liebenswürdige Seite wenig ausgebildet war.
„General Aork war ein Mann von einigen 50 Jahren, ausgezeichnet durch
Bravour und kriegerische Tüchtigkeit. Er hatte in seiner Jngend in den hollän¬
dischen Colonien gedient, sich also in der Welt umgesehen und den Blick des
Geistes erweitert. Ein heftiger leidenschaftlicher Wille, den er aber in anscheinender
Kälte, ein gewaltiger Ehrgeiz, den er in beständiger Resignation verbirgt, und
ein starker kühner Charakter zeichnen diesen Manu aus. General Dort ist ein
rechtschaffener Mann, aber er ist finster, gallsüchtig und versteckt, und darum ist
er ein schlimmer Untergebener. Persönliche Anhänglichkeit ist ihm ziemlich fremd,
was er thut, thut er seines Rufes willen, und weil er von Natur tüchtig U
Das Schlimmste ist, daß er bei einer Maske von Derbheit und Geradheit im
Grunde sehr versteckt ist. Er prahlt, wo er wenig Hoffnung hat, aber noch
weit lieber scheint er eine Sache für verloren zu halten, wo er eigentlich wenig


Grenzboten. IV. 1832. 56
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[0451] Graf Bork von Wartenburg. Ein Bild aus dem deutschen Befreiungskrieg. Zu einer Zeit, wo man jenseit des, Rheins ein neues bonapartisches Kaiser- thum aufrichtet und die alten imperatorischen Erinnerungen wieder auffrischt, ziemt es dem Deutschen wohl, zur Stärkung und Nacheiferung für die Zukunft an die glorreichen und mit Sieg gekrönten Anstrengungen zurückzudenken, mit denen das Vaterland sich damals von der Gewaltherrschaft des Franzosenkaisers losrang. Der reiche Schatz von Kräften, der sich damals trotz langer Jahre der Ernie¬ drigung in der Nation vorfand, mag uns auch heute die Hoffnung einflößen, daß es uns in Zeiten der Gefahr nicht an Männern fehlen wird. Der vor Kurzem erschienene dritte Band von Droysen's trefflichem „Leben des Feldmarschalls Grasen Dort, von Wartenburg" giebt uns einen willkommenen -Anlaß dazu. Uork war zu jener Zeit unzweifelhaft einer der ausgezeichnetsten Männer der preußischen Armee, ein ungewöhnlicher Charakter vou herber Männ¬ lichkeit, in dem freilich die gemüthlich liebenswürdige Seite wenig ausgebildet war. „General Aork war ein Mann von einigen 50 Jahren, ausgezeichnet durch Bravour und kriegerische Tüchtigkeit. Er hatte in seiner Jngend in den hollän¬ dischen Colonien gedient, sich also in der Welt umgesehen und den Blick des Geistes erweitert. Ein heftiger leidenschaftlicher Wille, den er aber in anscheinender Kälte, ein gewaltiger Ehrgeiz, den er in beständiger Resignation verbirgt, und ein starker kühner Charakter zeichnen diesen Manu aus. General Dort ist ein rechtschaffener Mann, aber er ist finster, gallsüchtig und versteckt, und darum ist er ein schlimmer Untergebener. Persönliche Anhänglichkeit ist ihm ziemlich fremd, was er thut, thut er seines Rufes willen, und weil er von Natur tüchtig U Das Schlimmste ist, daß er bei einer Maske von Derbheit und Geradheit im Grunde sehr versteckt ist. Er prahlt, wo er wenig Hoffnung hat, aber noch weit lieber scheint er eine Sache für verloren zu halten, wo er eigentlich wenig Grenzboten. IV. 1832. 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/451>, abgerufen am 27.09.2024.