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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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reporters fuhrt und dessen Autorität auch von den Berichterstattern der übrigen
Londoner Blätter anerkannt wird.

Mr. Dod wird uns neugierigen Ausländern heute schon erlauben müssen, ihn
mit seinem Corps die Revue passtren zu lassen. Mr. Dod ist ein liebenswürdiger
Herr mit stark grauen Haaren, der alle Parlamentsgeschichten am kleinen Finger
hat, und bei dem sich mancher grüne Commoner Rath erholen könnte. Mr.
Dod ist für die Times im Parlament, was Mr. Morus für sie im Office ist;
er besorgt Alles, was in's Fach der Parlamentsberichtc gehört; er engagirt,
mustert, exercirt und commandirt sein kleines Corps; er schreibt im Office am
schwarzen Bret Tag und Stunde der nächsten Sitzung an; er ist bald auf der
Journalistentribune, um den Reporters Winke zu geben, bald unten im Hause,
um sich von den Mitgliedern oder Secretairen einen statistischen Ausweis oder
ein Document zur Benutzung zu erbitten, bald im Bureau der Times, um die
von den Reporters eingelaufenen Bruchstücke zu überfliegen, zu kürzen und zu
redigiren; kurz, der ehrenvolle Mr. Dod ist in Parlamentsnächten überall und
nirgends, das heißt immer auf der Wanderung zwischen Westminster und dem
Times' Office.

Sein Corps theilt er gewöhnlich in zwei getrennte Häuflein. Die Jüngeren
arbeiten im Oberhause, die Garde sitzt im Hause der Gemeinen, wo die Arbeit
schwerer ist, weil die Sitzungen länger, die Vorlagen und Reden bedeutender, die
Debatten verwickelter sind, weil die Schwerkraft der parlamentarischen Thätigkeit
doch zumeist im Unterhause ruht. Es gilt in beiden Häusern die Regel, daß die
Reporters in einem regelmäßigen, gewöhnlich halbstündigen Turnus einander ab¬
wechseln. Mr. A... zum Beispiel ist bei Beginn der Sitzung auf seinem Platze
in der vordem Bankreihe, neben ihm Mr. B..., der ihn zunächst ablöst, so
daß jedes der sechs Morgenjournale zwei von den zwölf Vordersitzen occupiren
kann. Nach der ersten halben Stunde tritt Mr. A ... ab, Mr. B ... nimmt
seinen Platz ein, und Mr. C... erscheint ans dem.eben von Mr. B... ver¬
lassenen Sitze. Am morgigen Abend wird der Turnus da wieder aufgenommen,
wo er heute schließt, so daß jedem Reporter die Arbeit gleichförmig zugemessen ist.

Was aber thut Mr. A., nachdem er eine halbe Stunde auf der Galerie
geschrieben hat? Es bleiben ihm zwei Stunden, bis die Reihe wieder an ihn
kommt, aber von diesen zwei Stunden bleibt ihm gar wenig Zeit zur Erholung.
Er fährt in einem, die Nacht über immer bereit stehenden Cad in die City in's
Office, um das, was er flüchtig im Parlament mit Bleistift aufzeichnen konnte,
gehörig zu stylistrcn. Auf jede während einer halben Stunde hingeworfene
Skizze rechnet man im Durchschnitt eine Stunde bis fünf Viertel Stunden Arbeit.
War es nöthig zu stenographiren -- und jeder Reporter muß im Stenographiren
geübt sein, obwol er diese Kunst nur bei außerordentlich wichtigen Reden in An¬
wendung bringen soll -- dann nimmt das Niederschreiben noch viel mehr Zeit


reporters fuhrt und dessen Autorität auch von den Berichterstattern der übrigen
Londoner Blätter anerkannt wird.

Mr. Dod wird uns neugierigen Ausländern heute schon erlauben müssen, ihn
mit seinem Corps die Revue passtren zu lassen. Mr. Dod ist ein liebenswürdiger
Herr mit stark grauen Haaren, der alle Parlamentsgeschichten am kleinen Finger
hat, und bei dem sich mancher grüne Commoner Rath erholen könnte. Mr.
Dod ist für die Times im Parlament, was Mr. Morus für sie im Office ist;
er besorgt Alles, was in's Fach der Parlamentsberichtc gehört; er engagirt,
mustert, exercirt und commandirt sein kleines Corps; er schreibt im Office am
schwarzen Bret Tag und Stunde der nächsten Sitzung an; er ist bald auf der
Journalistentribune, um den Reporters Winke zu geben, bald unten im Hause,
um sich von den Mitgliedern oder Secretairen einen statistischen Ausweis oder
ein Document zur Benutzung zu erbitten, bald im Bureau der Times, um die
von den Reporters eingelaufenen Bruchstücke zu überfliegen, zu kürzen und zu
redigiren; kurz, der ehrenvolle Mr. Dod ist in Parlamentsnächten überall und
nirgends, das heißt immer auf der Wanderung zwischen Westminster und dem
Times' Office.

Sein Corps theilt er gewöhnlich in zwei getrennte Häuflein. Die Jüngeren
arbeiten im Oberhause, die Garde sitzt im Hause der Gemeinen, wo die Arbeit
schwerer ist, weil die Sitzungen länger, die Vorlagen und Reden bedeutender, die
Debatten verwickelter sind, weil die Schwerkraft der parlamentarischen Thätigkeit
doch zumeist im Unterhause ruht. Es gilt in beiden Häusern die Regel, daß die
Reporters in einem regelmäßigen, gewöhnlich halbstündigen Turnus einander ab¬
wechseln. Mr. A... zum Beispiel ist bei Beginn der Sitzung auf seinem Platze
in der vordem Bankreihe, neben ihm Mr. B..., der ihn zunächst ablöst, so
daß jedes der sechs Morgenjournale zwei von den zwölf Vordersitzen occupiren
kann. Nach der ersten halben Stunde tritt Mr. A ... ab, Mr. B ... nimmt
seinen Platz ein, und Mr. C... erscheint ans dem.eben von Mr. B... ver¬
lassenen Sitze. Am morgigen Abend wird der Turnus da wieder aufgenommen,
wo er heute schließt, so daß jedem Reporter die Arbeit gleichförmig zugemessen ist.

Was aber thut Mr. A., nachdem er eine halbe Stunde auf der Galerie
geschrieben hat? Es bleiben ihm zwei Stunden, bis die Reihe wieder an ihn
kommt, aber von diesen zwei Stunden bleibt ihm gar wenig Zeit zur Erholung.
Er fährt in einem, die Nacht über immer bereit stehenden Cad in die City in's
Office, um das, was er flüchtig im Parlament mit Bleistift aufzeichnen konnte,
gehörig zu stylistrcn. Auf jede während einer halben Stunde hingeworfene
Skizze rechnet man im Durchschnitt eine Stunde bis fünf Viertel Stunden Arbeit.
War es nöthig zu stenographiren — und jeder Reporter muß im Stenographiren
geübt sein, obwol er diese Kunst nur bei außerordentlich wichtigen Reden in An¬
wendung bringen soll — dann nimmt das Niederschreiben noch viel mehr Zeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/424>, abgerufen am 27.09.2024.