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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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bewältigen kann. Um nenn Uhr ist deshalb auch der College, den die Reihe
am Morgen getroffen hatte, wieder zur Stelle, um die weitere Nachtarbeit zu
theilen. Er bleibt längere oder kürzere Zeit, je nachdem für ihn Arbeit vorhanden
ist. Einer der beiden verläßt jedoch das Office nicht, bevor ihm der erste Abzug des
morgigen Exemplars vorgelegt werden konnte und er sein Imprimatur daraus ge¬
schrieben hat. Außerdem hat er noch zu bestimmen, wie viele Exemplare gedruckt
werden sollen. Die Zahl ist nämlich nicht fixirt, und der Redacteur hat darüber,
je nach der Wichtigkeit des Inhalts, sein Urtheil abzugeben.*)

Was aber -- wird man fragen -- giebt es so spät noch zu thun? Unsre
deutschen Redactionen sind selten bis nach Mitternacht beschäftigt, die französischen
liefern ihr Manuscript gewöhnlich schon um acht Uhr Abends ab; was hält die
englischen bis drei, vier Uhr Morgens wach?

Zum Theil warten sie telegraphische Berichte ab, um sie noch in's Morgenblatt
zu bringen; während der Parlamentszeit dagegen läuft erst in den späten Nacht¬
stunden der größte Theil des zu druckenden Materiales ein. Sonst kommt wol
nach Mitternacht kaum neuer Stoff, deun die letzten Berichte aus der Provinz,
die irländische Post und andere, sind um zehn Uhr mit dem letzten Eisenbahnzüge
schon eingelaufen während der sogenannte City-oder Moneyartikel außerhalb
des Times'office gearbeitet wird, und weder von Mr. Morris, noch von einem der beiden
Redacteure redigirt und controlirt wird. -- Die Berichte.derselben müssen gewöhnlich
erst gekürzt werden (was von einem emeritirten Reporter versehen wird). Den Redac¬
teuren bleibt blos die letzte Uebersicht. Sie haben oft alle Hände voll zu thun/ um Leute
zu empfangen, die in Geschäften kommen, darunter nicht selten Parlamentsmitglieder,
die ihre Reden corrigiren wollen, die den Redacteuren ihre Ansichten aus einander
setzen möchten, um nicht mißverstanden zu werden, und anderer sonderbarer Gäste
mehr, von denen wir jedoch weiter keine Notiz nehmen wollen, weil ihre Ange¬
legenheiten Nedactionsgeheimnisse sind, und nicht immer vor's Publicum gehören.
Genug, ein Redacteur der "Times" hat selten Zeit, müßig zu sitzen. Es wird
oft vier Uhr Morgeus, bis der letzte sich einen Cad aufsucht, um im Morgengrauen
seine entlegene Wohnung auszusuchen. --

Unsren Lesern wird's noch nicht so wohl. Sie müssen noch mit uns ein
Weilchen im Times-Office bleiben, und abwechselnd einen Blick nach Westminster
werfen, um zu sehen, wie englische Reporters arbeiten.

Vorerst müssen wir bemerken, daß ein englischer Reporter in literarischen




An den drei ans den Tod des Herzogs von Wellinaton folgenden Tagen setzte "Times"
gegen -12,000 Exemplare mehr als gewöhnlich ab.
") Die großen Londoner Zeitungen stehen mit den meisten Provinzredactionen in Ver¬
bindung. Diese liefern ihnen gegen ein gewisses Honorar die ihnen zukommenden wichtigeren
Provinznenigkeitm am selbigen Tage oft 2i Stunden, bevor sie selbe in ihrem eigenen Jour¬
nale abdrucken können, nach London.

bewältigen kann. Um nenn Uhr ist deshalb auch der College, den die Reihe
am Morgen getroffen hatte, wieder zur Stelle, um die weitere Nachtarbeit zu
theilen. Er bleibt längere oder kürzere Zeit, je nachdem für ihn Arbeit vorhanden
ist. Einer der beiden verläßt jedoch das Office nicht, bevor ihm der erste Abzug des
morgigen Exemplars vorgelegt werden konnte und er sein Imprimatur daraus ge¬
schrieben hat. Außerdem hat er noch zu bestimmen, wie viele Exemplare gedruckt
werden sollen. Die Zahl ist nämlich nicht fixirt, und der Redacteur hat darüber,
je nach der Wichtigkeit des Inhalts, sein Urtheil abzugeben.*)

Was aber — wird man fragen — giebt es so spät noch zu thun? Unsre
deutschen Redactionen sind selten bis nach Mitternacht beschäftigt, die französischen
liefern ihr Manuscript gewöhnlich schon um acht Uhr Abends ab; was hält die
englischen bis drei, vier Uhr Morgens wach?

Zum Theil warten sie telegraphische Berichte ab, um sie noch in's Morgenblatt
zu bringen; während der Parlamentszeit dagegen läuft erst in den späten Nacht¬
stunden der größte Theil des zu druckenden Materiales ein. Sonst kommt wol
nach Mitternacht kaum neuer Stoff, deun die letzten Berichte aus der Provinz,
die irländische Post und andere, sind um zehn Uhr mit dem letzten Eisenbahnzüge
schon eingelaufen während der sogenannte City-oder Moneyartikel außerhalb
des Times'office gearbeitet wird, und weder von Mr. Morris, noch von einem der beiden
Redacteure redigirt und controlirt wird. — Die Berichte.derselben müssen gewöhnlich
erst gekürzt werden (was von einem emeritirten Reporter versehen wird). Den Redac¬
teuren bleibt blos die letzte Uebersicht. Sie haben oft alle Hände voll zu thun/ um Leute
zu empfangen, die in Geschäften kommen, darunter nicht selten Parlamentsmitglieder,
die ihre Reden corrigiren wollen, die den Redacteuren ihre Ansichten aus einander
setzen möchten, um nicht mißverstanden zu werden, und anderer sonderbarer Gäste
mehr, von denen wir jedoch weiter keine Notiz nehmen wollen, weil ihre Ange¬
legenheiten Nedactionsgeheimnisse sind, und nicht immer vor's Publicum gehören.
Genug, ein Redacteur der „Times" hat selten Zeit, müßig zu sitzen. Es wird
oft vier Uhr Morgeus, bis der letzte sich einen Cad aufsucht, um im Morgengrauen
seine entlegene Wohnung auszusuchen. —

Unsren Lesern wird's noch nicht so wohl. Sie müssen noch mit uns ein
Weilchen im Times-Office bleiben, und abwechselnd einen Blick nach Westminster
werfen, um zu sehen, wie englische Reporters arbeiten.

Vorerst müssen wir bemerken, daß ein englischer Reporter in literarischen




An den drei ans den Tod des Herzogs von Wellinaton folgenden Tagen setzte „Times"
gegen -12,000 Exemplare mehr als gewöhnlich ab.
") Die großen Londoner Zeitungen stehen mit den meisten Provinzredactionen in Ver¬
bindung. Diese liefern ihnen gegen ein gewisses Honorar die ihnen zukommenden wichtigeren
Provinznenigkeitm am selbigen Tage oft 2i Stunden, bevor sie selbe in ihrem eigenen Jour¬
nale abdrucken können, nach London.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/420>, abgerufen am 27.09.2024.