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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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sein. Familienverhältnisse machten es ihm allerdings dringend wünschenswert!),
bei den nächsten Wahlen übergangen zu werden; und da die Königsberger Libe¬
ralen sich bei der Wahl nicht betheiligen wollten, glaubte er auch, daß ihm eine Ent¬
scheidung erspart werden würde; doch war er stets entschlossen, falls wider Erwarten
eine Wahl ihn treffen sollte, dieselbe anzunehmen. Nach den mir zugegangenen
Nachrichten hat er diesen Entschluß auch nicht geändert, obgleich er an den
Kammersitzungcn in den ersten Wochen sich nicht wird betheiligen können; und
ich habe allen Grund, meiner Quelle mehr Glauben beizumessen, als der
Ostpr. Ztg.

Zu eiuer Charakteristik der neuen ersten Kammer fehlt mir die erforderliche
Personalkenntniß. Neben einem Demokraten und acht oder neun bekannten Kon¬
stitutionellen sitzen hier über 100 Personen, die entweder prononcirte Kreuz-
zcitnngsmänner sind, oder deren Namen schon einen so entschiedenen junkerlichen
Parfum verbreiten, daß der Duft des Weihrauchs, den Herr Nynv Quedl den
antiritterschaftlichen Tendenzen des Herrn Ministerpräsidenten spendet, sich hier
spurlos verflüchtigen dürfte. Wenn die Ritter an Herrn v. Manteuffel überhaupt
etwas zu bekehren finden, so wird die Zusammensetzung der ersten Kammer die
Konversion wesentlich beschleunigen; will er sich aber nicht bekehren lassen, wie
das C. B. versichert, so wird er eine Auflösung dieses hohen Hauses schwerlich
umgehen können, da er die verfassungsmäßige Ergänzung desselben durch die
Creirung erblicher und lebenslänglicher Pairs im antiritterschaftlichen Sinne nicht
wird empfehlen wollen. Wenn sich indeß dem Gange der Reaction Nichts weiter
als die Person des Herrn v. Manteuffel entgegenstellt, so wird sie ihren Weg
vollenden. Der Rnndschaner meinte zwar schon vor einiger Zeit, daß "die Sonne
der Reaction hoch am Himmel stehe;" wir meinen das nicht; uns scheint sie noch
immer im Steigen begriffen zu sein; aber es ist uns doch erfreulich gewesen, bei
dem Wortführer der Reaction den Gedanken durchbrechen zu sehen, daß die Zeit
nahe ist, wo" sein feudalistisches Gaukelspiel dem Untergange sich zuneigen wird.
Wir müssen inzwischen munter und unbeirrt auf der Wacht stehn., harrend, bis
die Einsicht in das Verderbliche der ritterschaftlichen Bestrebungen, durch bittere
Erfahrungen schneller gezeitigt, wie eine reift Frucht allem Volk in den Schooß
fallen wird; wir müssen nicht müde werden, den Blinden und Tauben die Zeichen
der Zeit zu erklären, und wenn uus wieder von "der Sonne der Reaction"
gesungen wird, die Kleinmüthigen durch ein anderes Liedchen aufrecht erhalten,
welches also lautet:


Und scheint die Sonne noch so schön,
Am Ende muß sie untergehn!



sein. Familienverhältnisse machten es ihm allerdings dringend wünschenswert!),
bei den nächsten Wahlen übergangen zu werden; und da die Königsberger Libe¬
ralen sich bei der Wahl nicht betheiligen wollten, glaubte er auch, daß ihm eine Ent¬
scheidung erspart werden würde; doch war er stets entschlossen, falls wider Erwarten
eine Wahl ihn treffen sollte, dieselbe anzunehmen. Nach den mir zugegangenen
Nachrichten hat er diesen Entschluß auch nicht geändert, obgleich er an den
Kammersitzungcn in den ersten Wochen sich nicht wird betheiligen können; und
ich habe allen Grund, meiner Quelle mehr Glauben beizumessen, als der
Ostpr. Ztg.

Zu eiuer Charakteristik der neuen ersten Kammer fehlt mir die erforderliche
Personalkenntniß. Neben einem Demokraten und acht oder neun bekannten Kon¬
stitutionellen sitzen hier über 100 Personen, die entweder prononcirte Kreuz-
zcitnngsmänner sind, oder deren Namen schon einen so entschiedenen junkerlichen
Parfum verbreiten, daß der Duft des Weihrauchs, den Herr Nynv Quedl den
antiritterschaftlichen Tendenzen des Herrn Ministerpräsidenten spendet, sich hier
spurlos verflüchtigen dürfte. Wenn die Ritter an Herrn v. Manteuffel überhaupt
etwas zu bekehren finden, so wird die Zusammensetzung der ersten Kammer die
Konversion wesentlich beschleunigen; will er sich aber nicht bekehren lassen, wie
das C. B. versichert, so wird er eine Auflösung dieses hohen Hauses schwerlich
umgehen können, da er die verfassungsmäßige Ergänzung desselben durch die
Creirung erblicher und lebenslänglicher Pairs im antiritterschaftlichen Sinne nicht
wird empfehlen wollen. Wenn sich indeß dem Gange der Reaction Nichts weiter
als die Person des Herrn v. Manteuffel entgegenstellt, so wird sie ihren Weg
vollenden. Der Rnndschaner meinte zwar schon vor einiger Zeit, daß „die Sonne
der Reaction hoch am Himmel stehe;" wir meinen das nicht; uns scheint sie noch
immer im Steigen begriffen zu sein; aber es ist uns doch erfreulich gewesen, bei
dem Wortführer der Reaction den Gedanken durchbrechen zu sehen, daß die Zeit
nahe ist, wo" sein feudalistisches Gaukelspiel dem Untergange sich zuneigen wird.
Wir müssen inzwischen munter und unbeirrt auf der Wacht stehn., harrend, bis
die Einsicht in das Verderbliche der ritterschaftlichen Bestrebungen, durch bittere
Erfahrungen schneller gezeitigt, wie eine reift Frucht allem Volk in den Schooß
fallen wird; wir müssen nicht müde werden, den Blinden und Tauben die Zeichen
der Zeit zu erklären, und wenn uus wieder von „der Sonne der Reaction"
gesungen wird, die Kleinmüthigen durch ein anderes Liedchen aufrecht erhalten,
welches also lautet:


Und scheint die Sonne noch so schön,
Am Ende muß sie untergehn!



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/400>, abgerufen am 27.09.2024.