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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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dig verwaltet sein. Das Capitol, an welchem man seit mehreren Jahren baut,
ohne viel über die Grundmauern hinausgekommen zu sein, wird eine Fläche von
SS,936 Quadratfuß bedecken, und nicht nur an Größe, sondern an Schönheit
alle ähnlichen Architekturwerke innerhalb der Vereinigten Staaten übertreffen.

Die Umstände gestatteten mir nur bei dem Staatsgefängnisse einen Blick in
die innere Einrichtung zu thun. Dieser imposante Bau befindet sich hart, am
Ufer des Flusses, dessen Trauerweiden zu dem Orte des bürgerlichen Todes recht
wohl stimmen. Das Hauptgebäude besteht aus Ohio-Marmor, enthält in seinen
langgestreckten Flügeln 700 Gefangenzellen und bildet die Mitte der einen Seite
eines mit hohen Mauern umschlossenen Vierecks von sechs Acres. Die Sträflinge,
deren sich bei meinem Besuche zwischen fünf- und sechshundert hier befanden, find
in 13 Compagnien getheilt, von denen, als wir den Hos betraten, mehrere in
militärischer Ordnung, schweigsam, die Gesichter den sie begleitenden Aufsehern
zugekehrt, an uns vorübermarschirten. Man hat den Unterschied der Farbe und
die darauf bastrte Aristokratie der weißen Haut auch bei Verbrechern berück¬
sichtigen zu müssen gemeint; denn eine der Compagnien ist aus Farbigen zusammen¬
gesetzt. Die Disciplin wird streug gehandhabt, die Verletzung der Hausordnung,
von welcher jeder Hieher Verbannte bei seiner Einlieferung ein gedrucktes Exemplar
bekommt, unnachsichtlich mit der Peitsche geahndet. Ein Theil der Gefangenen
arbeitet in einem zwei Meilen entfernten Steinbruche und am Baue des Capitols.
Die Uebrigen sind mit der Fabrikation von Holzwaaren und anderen Industrie¬
zweigen beschäftigt, deren Ertrag in manchen Jahren die Unterhaltungskosten der
Anstalt um nahe an 20,000 Dollars überstiegen hat. Zur Mittagszeit ordnen
sich auf ein Zeichen mit der Glocke die verschiedenen Compagnien vor ihren
Werkstätten, um sich auf ein zweites Lauten nach den Speisesälen zu begeben,
wo sie sich auf den Schall einer Klingel zu Tische setzen. Sie essen aus selbst¬
verfertigten Holznäpfen und trinken aus Blechbechern. Zum Frühstück wird ihnen
Roggencaffee, beim Mittagsessen Wasser als Getränk gereicht. Den Gottesdienst
im Hause hält ein Methodistenprediger ab, und es ist zur Verbesserung des Gesanges
ein Chor aus denjenigen Sträflingen gebildet, welche passende Stimmen und
guten Willen zu diesem Zwecke haben. Außerdem ist mit der Capelle eine
Sabbathschule verbunden, in der mehrere angesehene Privatleute aus der Stadt
Unterricht ertheilen, und an welcher im verflossenen Jahre 93 Gefangene als
Lernende Theil nahmen. Zum Inventar dieser Schule gehört eine nicht un¬
beträchtliche Bibliothek, ans der den Zöglingen auf Verlangen Bücher geliehen
werden.

Der Verwaltungsbeamte, der mir diese Notizen mittheilte, fügte hinzu, daß
bei einer neulich von einem Enthaltsamkeitsprediger gehaltenen Ansprache an die
Sträflinge auf die Frage, wie viele derselben die Verbrechen, die sie Hieher
gebracht, unter dem Einflüsse geistiger Getränke begangen hätten, mehr als vier


dig verwaltet sein. Das Capitol, an welchem man seit mehreren Jahren baut,
ohne viel über die Grundmauern hinausgekommen zu sein, wird eine Fläche von
SS,936 Quadratfuß bedecken, und nicht nur an Größe, sondern an Schönheit
alle ähnlichen Architekturwerke innerhalb der Vereinigten Staaten übertreffen.

Die Umstände gestatteten mir nur bei dem Staatsgefängnisse einen Blick in
die innere Einrichtung zu thun. Dieser imposante Bau befindet sich hart, am
Ufer des Flusses, dessen Trauerweiden zu dem Orte des bürgerlichen Todes recht
wohl stimmen. Das Hauptgebäude besteht aus Ohio-Marmor, enthält in seinen
langgestreckten Flügeln 700 Gefangenzellen und bildet die Mitte der einen Seite
eines mit hohen Mauern umschlossenen Vierecks von sechs Acres. Die Sträflinge,
deren sich bei meinem Besuche zwischen fünf- und sechshundert hier befanden, find
in 13 Compagnien getheilt, von denen, als wir den Hos betraten, mehrere in
militärischer Ordnung, schweigsam, die Gesichter den sie begleitenden Aufsehern
zugekehrt, an uns vorübermarschirten. Man hat den Unterschied der Farbe und
die darauf bastrte Aristokratie der weißen Haut auch bei Verbrechern berück¬
sichtigen zu müssen gemeint; denn eine der Compagnien ist aus Farbigen zusammen¬
gesetzt. Die Disciplin wird streug gehandhabt, die Verletzung der Hausordnung,
von welcher jeder Hieher Verbannte bei seiner Einlieferung ein gedrucktes Exemplar
bekommt, unnachsichtlich mit der Peitsche geahndet. Ein Theil der Gefangenen
arbeitet in einem zwei Meilen entfernten Steinbruche und am Baue des Capitols.
Die Uebrigen sind mit der Fabrikation von Holzwaaren und anderen Industrie¬
zweigen beschäftigt, deren Ertrag in manchen Jahren die Unterhaltungskosten der
Anstalt um nahe an 20,000 Dollars überstiegen hat. Zur Mittagszeit ordnen
sich auf ein Zeichen mit der Glocke die verschiedenen Compagnien vor ihren
Werkstätten, um sich auf ein zweites Lauten nach den Speisesälen zu begeben,
wo sie sich auf den Schall einer Klingel zu Tische setzen. Sie essen aus selbst¬
verfertigten Holznäpfen und trinken aus Blechbechern. Zum Frühstück wird ihnen
Roggencaffee, beim Mittagsessen Wasser als Getränk gereicht. Den Gottesdienst
im Hause hält ein Methodistenprediger ab, und es ist zur Verbesserung des Gesanges
ein Chor aus denjenigen Sträflingen gebildet, welche passende Stimmen und
guten Willen zu diesem Zwecke haben. Außerdem ist mit der Capelle eine
Sabbathschule verbunden, in der mehrere angesehene Privatleute aus der Stadt
Unterricht ertheilen, und an welcher im verflossenen Jahre 93 Gefangene als
Lernende Theil nahmen. Zum Inventar dieser Schule gehört eine nicht un¬
beträchtliche Bibliothek, ans der den Zöglingen auf Verlangen Bücher geliehen
werden.

Der Verwaltungsbeamte, der mir diese Notizen mittheilte, fügte hinzu, daß
bei einer neulich von einem Enthaltsamkeitsprediger gehaltenen Ansprache an die
Sträflinge auf die Frage, wie viele derselben die Verbrechen, die sie Hieher
gebracht, unter dem Einflüsse geistiger Getränke begangen hätten, mehr als vier


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[0385] dig verwaltet sein. Das Capitol, an welchem man seit mehreren Jahren baut, ohne viel über die Grundmauern hinausgekommen zu sein, wird eine Fläche von SS,936 Quadratfuß bedecken, und nicht nur an Größe, sondern an Schönheit alle ähnlichen Architekturwerke innerhalb der Vereinigten Staaten übertreffen. Die Umstände gestatteten mir nur bei dem Staatsgefängnisse einen Blick in die innere Einrichtung zu thun. Dieser imposante Bau befindet sich hart, am Ufer des Flusses, dessen Trauerweiden zu dem Orte des bürgerlichen Todes recht wohl stimmen. Das Hauptgebäude besteht aus Ohio-Marmor, enthält in seinen langgestreckten Flügeln 700 Gefangenzellen und bildet die Mitte der einen Seite eines mit hohen Mauern umschlossenen Vierecks von sechs Acres. Die Sträflinge, deren sich bei meinem Besuche zwischen fünf- und sechshundert hier befanden, find in 13 Compagnien getheilt, von denen, als wir den Hos betraten, mehrere in militärischer Ordnung, schweigsam, die Gesichter den sie begleitenden Aufsehern zugekehrt, an uns vorübermarschirten. Man hat den Unterschied der Farbe und die darauf bastrte Aristokratie der weißen Haut auch bei Verbrechern berück¬ sichtigen zu müssen gemeint; denn eine der Compagnien ist aus Farbigen zusammen¬ gesetzt. Die Disciplin wird streug gehandhabt, die Verletzung der Hausordnung, von welcher jeder Hieher Verbannte bei seiner Einlieferung ein gedrucktes Exemplar bekommt, unnachsichtlich mit der Peitsche geahndet. Ein Theil der Gefangenen arbeitet in einem zwei Meilen entfernten Steinbruche und am Baue des Capitols. Die Uebrigen sind mit der Fabrikation von Holzwaaren und anderen Industrie¬ zweigen beschäftigt, deren Ertrag in manchen Jahren die Unterhaltungskosten der Anstalt um nahe an 20,000 Dollars überstiegen hat. Zur Mittagszeit ordnen sich auf ein Zeichen mit der Glocke die verschiedenen Compagnien vor ihren Werkstätten, um sich auf ein zweites Lauten nach den Speisesälen zu begeben, wo sie sich auf den Schall einer Klingel zu Tische setzen. Sie essen aus selbst¬ verfertigten Holznäpfen und trinken aus Blechbechern. Zum Frühstück wird ihnen Roggencaffee, beim Mittagsessen Wasser als Getränk gereicht. Den Gottesdienst im Hause hält ein Methodistenprediger ab, und es ist zur Verbesserung des Gesanges ein Chor aus denjenigen Sträflingen gebildet, welche passende Stimmen und guten Willen zu diesem Zwecke haben. Außerdem ist mit der Capelle eine Sabbathschule verbunden, in der mehrere angesehene Privatleute aus der Stadt Unterricht ertheilen, und an welcher im verflossenen Jahre 93 Gefangene als Lernende Theil nahmen. Zum Inventar dieser Schule gehört eine nicht un¬ beträchtliche Bibliothek, ans der den Zöglingen auf Verlangen Bücher geliehen werden. Der Verwaltungsbeamte, der mir diese Notizen mittheilte, fügte hinzu, daß bei einer neulich von einem Enthaltsamkeitsprediger gehaltenen Ansprache an die Sträflinge auf die Frage, wie viele derselben die Verbrechen, die sie Hieher gebracht, unter dem Einflüsse geistiger Getränke begangen hätten, mehr als vier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/385>, abgerufen am 27.09.2024.