Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.Bewohner und eine Zeitung, die "Germania" vertreten, welche letztere bis kurz Der -10. September sah uns in einem eleganten Eisenbahn-Waggon durch Columbus, der Sitz des Gouverneurs und der Legislatur von Ohio, liegt Bewohner und eine Zeitung, die „Germania" vertreten, welche letztere bis kurz Der -10. September sah uns in einem eleganten Eisenbahn-Waggon durch Columbus, der Sitz des Gouverneurs und der Legislatur von Ohio, liegt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0384" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95365"/> <p xml:id="ID_1099" prev="#ID_1098"> Bewohner und eine Zeitung, die „Germania" vertreten, welche letztere bis kurz<lb/> vor meinem Eintreffen von dem bekannten Fenner v. Fenneberg redigirt worden<lb/> war und zu den besseren Blättern Ohios zu rechnen sein dürste.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1100"> Der -10. September sah uns in einem eleganten Eisenbahn-Waggon durch<lb/> Wald und Wald und abermals Wald dem Herzen Ohios und seiner Hauptstadt<lb/> Columbus zueilen. Bei Betrachtung dieser unermeßlichen Forsten dunkler Laub¬<lb/> hölzer regen sich nicht blos mwäldliche, sondern in Momenten der Verlorenheit<lb/> sogar nrweltliche Phantasien. Ein Dichter könnte in dem dahinrasselnden Zuge,<lb/> dessen Locomotiven hier nicht pfeifen, sondern brüllen, einen jener gigantischen<lb/> vielgliedrigen Saurier sehen, die durch den Sumpfpflauzenwuchs des Autedilnviums<lb/> fuhren. Das Gezweig aber der abgestorbenen Banmkolosse, welches hier und da<lb/> die niedrigeren Wipfelschichten zu beiden Seiten des Schienenwegs überragt, ließe'<lb/> sich mit dem Geweihe ungeheurer UrHirsche vergleichen, die ängstlich das Vorüber¬<lb/> schießen des rauchspeienden Ungethüms erwarten. Die Gegenden, die wir passtrten,<lb/> sind flach, höchstens von Hügelwellen durchschnitten, manchmal feucht, hin und wieder<lb/> dem Sumpfe sich nähernd. Die Cultur hat auch hier überall hereingegriffen.<lb/> Kaum drei Meilen vergehen,, ohne daß man die niedlichen Moosbilder von<lb/> Farmer und kleinen Städten auf Augenblicke aus dem Waldesdunkel treten sieht.<lb/> Wo diese länger auf sich warten lassen, zeugen wenigstens Rodungen, gegürtelte<lb/> Stämme, Holzschichten und der Bahn zustrebende Riegelstraßen von dem Walten<lb/> der Menschenhand. Ja an einer der Stationen mitten im dichtesten Forste hielt<lb/> ein Omnibus, so nett, so modisch gebaut, so bunt überbildert, als ob er gerade-<lb/> wegs vom Bowling-Green in Newyork käme.</p><lb/> <p xml:id="ID_1101" next="#ID_1102"> Columbus, der Sitz des Gouverneurs und der Legislatur von Ohio, liegt<lb/> am östlichen Ufer des Scioto, ungefähr einen Büchsenschuß von der Stelle, wo<lb/> der Olentangi in ihn mündet, etwa 130 Meilen vom Erie-See und 100 vom<lb/> Ohioflusse entfernt. Es hat, wie die meisten neueren Orte Amerikas, eine freund-<lb/> liche, aber ziemlich charakterlose Physiognomie. Obwol weder Handels- noch<lb/> Fabrikstadt, ist es doch innerhalb der letzten zehn Jahre von 7000 auf 18,000<lb/> Einwohner gewachsen. Die Deutschen müssen anch hier zahlreich sein; denn sie<lb/> haben vier Kirchen und eine Zeitung, den nach hiesigen Anforderungen ganz<lb/> achtungswerthen „Westboten"; auch besteht schon seit zwanzig Jahren eine Bil- '<lb/> duugsanstalt für lutherische Geistliche hier. Ein besonderes Interesse gewinnt<lb/> die Stadt durch die zum Theil sehr großartigen öffentlichen Gebäude. Das<lb/> Taubstummeninstitnt des Staates mit 130 Zöglingen, das Asyl für Blinde, welches<lb/> deren 100 erzieht und verpflegt, vor Allem aber das Irrenhaus mit seiner<lb/> 370 Fuß breiten Front und ii0 Zimmern, worin über 300 Geisteskranke unter¬<lb/> gebracht sind, legen durch ihr Aeußeres Zeugniß von dem guten Geschmacke ihrer<lb/> Erbauer ab, und sollen im Innern eben so zweckmäßig ausgestattet, als verstän-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0384]
Bewohner und eine Zeitung, die „Germania" vertreten, welche letztere bis kurz
vor meinem Eintreffen von dem bekannten Fenner v. Fenneberg redigirt worden
war und zu den besseren Blättern Ohios zu rechnen sein dürste.
Der -10. September sah uns in einem eleganten Eisenbahn-Waggon durch
Wald und Wald und abermals Wald dem Herzen Ohios und seiner Hauptstadt
Columbus zueilen. Bei Betrachtung dieser unermeßlichen Forsten dunkler Laub¬
hölzer regen sich nicht blos mwäldliche, sondern in Momenten der Verlorenheit
sogar nrweltliche Phantasien. Ein Dichter könnte in dem dahinrasselnden Zuge,
dessen Locomotiven hier nicht pfeifen, sondern brüllen, einen jener gigantischen
vielgliedrigen Saurier sehen, die durch den Sumpfpflauzenwuchs des Autedilnviums
fuhren. Das Gezweig aber der abgestorbenen Banmkolosse, welches hier und da
die niedrigeren Wipfelschichten zu beiden Seiten des Schienenwegs überragt, ließe'
sich mit dem Geweihe ungeheurer UrHirsche vergleichen, die ängstlich das Vorüber¬
schießen des rauchspeienden Ungethüms erwarten. Die Gegenden, die wir passtrten,
sind flach, höchstens von Hügelwellen durchschnitten, manchmal feucht, hin und wieder
dem Sumpfe sich nähernd. Die Cultur hat auch hier überall hereingegriffen.
Kaum drei Meilen vergehen,, ohne daß man die niedlichen Moosbilder von
Farmer und kleinen Städten auf Augenblicke aus dem Waldesdunkel treten sieht.
Wo diese länger auf sich warten lassen, zeugen wenigstens Rodungen, gegürtelte
Stämme, Holzschichten und der Bahn zustrebende Riegelstraßen von dem Walten
der Menschenhand. Ja an einer der Stationen mitten im dichtesten Forste hielt
ein Omnibus, so nett, so modisch gebaut, so bunt überbildert, als ob er gerade-
wegs vom Bowling-Green in Newyork käme.
Columbus, der Sitz des Gouverneurs und der Legislatur von Ohio, liegt
am östlichen Ufer des Scioto, ungefähr einen Büchsenschuß von der Stelle, wo
der Olentangi in ihn mündet, etwa 130 Meilen vom Erie-See und 100 vom
Ohioflusse entfernt. Es hat, wie die meisten neueren Orte Amerikas, eine freund-
liche, aber ziemlich charakterlose Physiognomie. Obwol weder Handels- noch
Fabrikstadt, ist es doch innerhalb der letzten zehn Jahre von 7000 auf 18,000
Einwohner gewachsen. Die Deutschen müssen anch hier zahlreich sein; denn sie
haben vier Kirchen und eine Zeitung, den nach hiesigen Anforderungen ganz
achtungswerthen „Westboten"; auch besteht schon seit zwanzig Jahren eine Bil- '
duugsanstalt für lutherische Geistliche hier. Ein besonderes Interesse gewinnt
die Stadt durch die zum Theil sehr großartigen öffentlichen Gebäude. Das
Taubstummeninstitnt des Staates mit 130 Zöglingen, das Asyl für Blinde, welches
deren 100 erzieht und verpflegt, vor Allem aber das Irrenhaus mit seiner
370 Fuß breiten Front und ii0 Zimmern, worin über 300 Geisteskranke unter¬
gebracht sind, legen durch ihr Aeußeres Zeugniß von dem guten Geschmacke ihrer
Erbauer ab, und sollen im Innern eben so zweckmäßig ausgestattet, als verstän-
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