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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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zimmer das Neueste aus den Zeitungen von Newyork, Buffalo und Cleveland
gefrühstückt, stiegen wir nach dem im Souterrain befindlichen Barroom hinab, um
uns mit einem Glase Ale zu einem Spaziergange durch die Stadt zu stärken.
Eine solche amerikanische Schankstube der bessern Art giebt dnrch ihre naive
Mischung des Vornehmen mit dem Gemeinen (von beiden Elementen hat die
"Mnsterrepublik" Vorrath) ein pikantes Bild. Hinter der Bar, einem eleganten
Ladentische aus solidem Mahagony, stand der Barkeeper in Hemdärmeln, den
Hut ans dem Kopfe. Die Wände schmückten englische Stahlstiche ans "Wie es
Euch gefällt", und neben einem großen Spiegel präsentirte sich an messingener
Kette ein schmuziger Haarkamm. Hinter der Bar erhob sich ans einem geschnitz¬
ten Säulentische eine Pyramide funkelnder Krystallflaschen mit Flüssigkeiten von allen
Farben. Darunter lagen Schichten von Pfirsichen und Orangen ueben Häuser von
Cigarrenbündeln, und in der Ecke stand ans einer dickbohligen schwarz angestrichenen
Ansternkiste eine gläserne Urne, in welcher Goldfische schwammen. Dem Gemisch
von Dingen entsprach eine Mannichfaltigkeit von Personen. Hier ließ sich aus
einer mit Eiswasser gefüllten Porzellanvase ein "Sohn der Mäßigkeit" die
Flüssigkeit in's Glas laufen, die Vater Matthew ihm gestattet. Dort stolperte
ein zerlumpter irischer Tagelöhner, einen halben Strohhut auf dem struppigen
Kopfe, nach der Bar, um sich von der Flaschenpyramide die Whiskey-Bulle her-
untcrreichen zu lassen.' Da tänzelte und schwänzelte mit lackirten Stiefeln ein
stutzerhaft gekleideter junger Kaufmann mit, der Bitte herein, daß ihm der Gany-
med in Hemdärmeln so schnell wie möglich einen Jnlep bereiten möge. Dort
langte der Mundschenk einem stämmigen Farmer mit einer Zange ein Stück Eis
in sein- Bier, welches einer schlangeuhalsigcn Pumpe auf dem Tische entströmte.
Hier endlich, hart vor der offnen Thür, waren selbst Milchtrinker vertreten;
denn behaglich quiekend saugten im Winkel an der Treppe zehn Ferkel an einem
schmeerstrvtzcnden Mutterschweine.

Von der Bequemlichkeit und Gemüthlichkeit einer deutschen Bierbank hat das
Bienenvolk der Amerikaner keine Ahnung. ^.1va.ys in a dürr^I summt es wie
in den Börsen und Bahnhöfen, so auch in den Schänken. In der denkbar kür¬
zesten Zeit zum Ziele zu kommen, ist leitender Grundsatz bei dem Glase, wie bei der
Arbeit, und ich erkläre mir die Vorliebe, die hier selbst von Gebildeten für ge¬
brannte Wasser an den Tag gelegt wird, nicht allein ans der Abstammung Bruder
Jonathan's von John Bull, dem Freunde von rum ana valsr, sondern anch,
und zum größeren Theile, ans dem Umstände, daß man durch Branntwein schneller
betrunken wird, als durch Trauben- oder Gerstensaft. Alles stand. Von bedäch-
tigem Nippen und Zungenschnalzen war keine Rede. Nur die Mintjnlep-Trinker
saßen oder besser ritten ein Viertelstündchen aus den vorhandenen Stühlen, um,
die Lehne vor der Brust, mit gläsernen Röhrchen die bittersüße Flüssigkeit ans
ihren Gläsern zu saugen. Alle Uebrigen kamen, tranken und gingen. Gesprochen


zimmer das Neueste aus den Zeitungen von Newyork, Buffalo und Cleveland
gefrühstückt, stiegen wir nach dem im Souterrain befindlichen Barroom hinab, um
uns mit einem Glase Ale zu einem Spaziergange durch die Stadt zu stärken.
Eine solche amerikanische Schankstube der bessern Art giebt dnrch ihre naive
Mischung des Vornehmen mit dem Gemeinen (von beiden Elementen hat die
„Mnsterrepublik" Vorrath) ein pikantes Bild. Hinter der Bar, einem eleganten
Ladentische aus solidem Mahagony, stand der Barkeeper in Hemdärmeln, den
Hut ans dem Kopfe. Die Wände schmückten englische Stahlstiche ans „Wie es
Euch gefällt", und neben einem großen Spiegel präsentirte sich an messingener
Kette ein schmuziger Haarkamm. Hinter der Bar erhob sich ans einem geschnitz¬
ten Säulentische eine Pyramide funkelnder Krystallflaschen mit Flüssigkeiten von allen
Farben. Darunter lagen Schichten von Pfirsichen und Orangen ueben Häuser von
Cigarrenbündeln, und in der Ecke stand ans einer dickbohligen schwarz angestrichenen
Ansternkiste eine gläserne Urne, in welcher Goldfische schwammen. Dem Gemisch
von Dingen entsprach eine Mannichfaltigkeit von Personen. Hier ließ sich aus
einer mit Eiswasser gefüllten Porzellanvase ein „Sohn der Mäßigkeit" die
Flüssigkeit in's Glas laufen, die Vater Matthew ihm gestattet. Dort stolperte
ein zerlumpter irischer Tagelöhner, einen halben Strohhut auf dem struppigen
Kopfe, nach der Bar, um sich von der Flaschenpyramide die Whiskey-Bulle her-
untcrreichen zu lassen.' Da tänzelte und schwänzelte mit lackirten Stiefeln ein
stutzerhaft gekleideter junger Kaufmann mit, der Bitte herein, daß ihm der Gany-
med in Hemdärmeln so schnell wie möglich einen Jnlep bereiten möge. Dort
langte der Mundschenk einem stämmigen Farmer mit einer Zange ein Stück Eis
in sein- Bier, welches einer schlangeuhalsigcn Pumpe auf dem Tische entströmte.
Hier endlich, hart vor der offnen Thür, waren selbst Milchtrinker vertreten;
denn behaglich quiekend saugten im Winkel an der Treppe zehn Ferkel an einem
schmeerstrvtzcnden Mutterschweine.

Von der Bequemlichkeit und Gemüthlichkeit einer deutschen Bierbank hat das
Bienenvolk der Amerikaner keine Ahnung. ^.1va.ys in a dürr^I summt es wie
in den Börsen und Bahnhöfen, so auch in den Schänken. In der denkbar kür¬
zesten Zeit zum Ziele zu kommen, ist leitender Grundsatz bei dem Glase, wie bei der
Arbeit, und ich erkläre mir die Vorliebe, die hier selbst von Gebildeten für ge¬
brannte Wasser an den Tag gelegt wird, nicht allein ans der Abstammung Bruder
Jonathan's von John Bull, dem Freunde von rum ana valsr, sondern anch,
und zum größeren Theile, ans dem Umstände, daß man durch Branntwein schneller
betrunken wird, als durch Trauben- oder Gerstensaft. Alles stand. Von bedäch-
tigem Nippen und Zungenschnalzen war keine Rede. Nur die Mintjnlep-Trinker
saßen oder besser ritten ein Viertelstündchen aus den vorhandenen Stühlen, um,
die Lehne vor der Brust, mit gläsernen Röhrchen die bittersüße Flüssigkeit ans
ihren Gläsern zu saugen. Alle Uebrigen kamen, tranken und gingen. Gesprochen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/377>, abgerufen am 27.09.2024.