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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Perspective des Thurmes von Trinity - Church auf Broadway und Bowery zu
thun und der Battery und dem anmuthigen Hobocken einen flüchtigen Besuch' zu
machen.

Der Abend des 5. Septembers sah mich auf einem der Niesendampfboote,
welche an den Hafendämmen und Landungsbrücken unterhalb Courtlandstrcet die
Reisenden erwarten, die sich der Erie-Eisenbahn zur Fahrt uach dem Westen bedie¬
nen wollen. Gegen 6 Uhr begannen die Lungen unsres Leviathan aus seinen
beiden Schorustciurüsscln zu stöhnen, und nachdem zwei Schleppschiffe angehängt
worden, schwamm er, die Wasser des majestätischen Hudson auf weite Ferne in
Bewegung setzend, aus dem Mastcngewirre, welches wie ein riesiges Röhricht die
Manhattan-Jnsel umgiebt, in den offnen Strom hinaus.

Die landschaftlichen Schönheiten dieser Gegend waren mir nur zu ahnen
verstattet. Sie sollen weiter hinauf dem Rheine in seinen besten Partien gleich¬
kommen, wie beiläufig die Anmuth der Bay von Newyork von Kennern für nicht
geringer als die der Bucht vou Neapel gehalten wird. Sei dem, wie ihm wolle,
uus ließen die Nebel, welche dem Flusse entquollen, nur die Schattenbilder bewal¬
deter Berge und Hügel erblicken, und bald verschlang das Dunkel der Nacht auch
diese Andeutungen.

Nach 9 Uhr landeten wir bei dem kleinen Orte Piermonnt am westlichen
Ufer des Hudson, wo wir den Dampfer verließen, um die Eisenbahnwagen zu
besteige", die unsrer hier zum Aufbruch nach Dunkirk am Erie-See warteten. Ich
hatte mich für den Emigrantenzug aus dem Grunde entschieden, weil er durch
öfteres und längeres Anhalten mehr Gelegenheit zur Beobachtung des Landes gab,
und wenn die damit verbundenen Unannehmlichkeiten mich diesen Entschluß zuwei¬
len bereuen ließen, so glich sich das dadurch aus, daß ich auf diese Weise hiu
und wieder einem armen Landsmanne als Dolmetscher nützlich sein konnte. Außer¬
dem aber sah ich mich so im Stande, die ans dem Schiffe begonnenen Studien
des Auswandrerthums noch ein Stück fortzusetzen und durch Vergleiche zwischen
Deutschen und Jrländern meinen etwas geschwächten Nationalstolz ein wenig auf¬
zubessern.

Als der Tag graute, hauchte uns eine frische harzduftige Waldluft an. Berge
mit Nadelbäumen schlössen ein Thal ein, das sich bald zur klippeugckröuteu Schlucht
verengte, bald zu schonen fruchtbaren Kesseln erweiterte. Die Aexte von Holz¬
schlägern ließen ihre munteren Stimmen erschallen. Einzelne Raubvögel flogen
aus den Felsen auf. Am Fuße der Höhe stand hiu und wieder ein einsames
ärmliches 'Blockhaus inmitten einer angefangenen Rodung. Geringelte Riesenbäume
starrten mit ertödteten blätterlosen Wipfeln Mf die Cultur herüber, die mit der
Eisenbahn in die langbewahrte Ursprünglichkeit ihrer Heimath gedrungen war. Von
noch brennenden Waldstrecken stäubte weiße Asche, wirbelte schwarzer Rauch, leckte
zuweilen an halbverkohlter stumpfen die rothe Flamme empor. Zickzackfencen,


Perspective des Thurmes von Trinity - Church auf Broadway und Bowery zu
thun und der Battery und dem anmuthigen Hobocken einen flüchtigen Besuch' zu
machen.

Der Abend des 5. Septembers sah mich auf einem der Niesendampfboote,
welche an den Hafendämmen und Landungsbrücken unterhalb Courtlandstrcet die
Reisenden erwarten, die sich der Erie-Eisenbahn zur Fahrt uach dem Westen bedie¬
nen wollen. Gegen 6 Uhr begannen die Lungen unsres Leviathan aus seinen
beiden Schorustciurüsscln zu stöhnen, und nachdem zwei Schleppschiffe angehängt
worden, schwamm er, die Wasser des majestätischen Hudson auf weite Ferne in
Bewegung setzend, aus dem Mastcngewirre, welches wie ein riesiges Röhricht die
Manhattan-Jnsel umgiebt, in den offnen Strom hinaus.

Die landschaftlichen Schönheiten dieser Gegend waren mir nur zu ahnen
verstattet. Sie sollen weiter hinauf dem Rheine in seinen besten Partien gleich¬
kommen, wie beiläufig die Anmuth der Bay von Newyork von Kennern für nicht
geringer als die der Bucht vou Neapel gehalten wird. Sei dem, wie ihm wolle,
uus ließen die Nebel, welche dem Flusse entquollen, nur die Schattenbilder bewal¬
deter Berge und Hügel erblicken, und bald verschlang das Dunkel der Nacht auch
diese Andeutungen.

Nach 9 Uhr landeten wir bei dem kleinen Orte Piermonnt am westlichen
Ufer des Hudson, wo wir den Dampfer verließen, um die Eisenbahnwagen zu
besteige«, die unsrer hier zum Aufbruch nach Dunkirk am Erie-See warteten. Ich
hatte mich für den Emigrantenzug aus dem Grunde entschieden, weil er durch
öfteres und längeres Anhalten mehr Gelegenheit zur Beobachtung des Landes gab,
und wenn die damit verbundenen Unannehmlichkeiten mich diesen Entschluß zuwei¬
len bereuen ließen, so glich sich das dadurch aus, daß ich auf diese Weise hiu
und wieder einem armen Landsmanne als Dolmetscher nützlich sein konnte. Außer¬
dem aber sah ich mich so im Stande, die ans dem Schiffe begonnenen Studien
des Auswandrerthums noch ein Stück fortzusetzen und durch Vergleiche zwischen
Deutschen und Jrländern meinen etwas geschwächten Nationalstolz ein wenig auf¬
zubessern.

Als der Tag graute, hauchte uns eine frische harzduftige Waldluft an. Berge
mit Nadelbäumen schlössen ein Thal ein, das sich bald zur klippeugckröuteu Schlucht
verengte, bald zu schonen fruchtbaren Kesseln erweiterte. Die Aexte von Holz¬
schlägern ließen ihre munteren Stimmen erschallen. Einzelne Raubvögel flogen
aus den Felsen auf. Am Fuße der Höhe stand hiu und wieder ein einsames
ärmliches 'Blockhaus inmitten einer angefangenen Rodung. Geringelte Riesenbäume
starrten mit ertödteten blätterlosen Wipfeln Mf die Cultur herüber, die mit der
Eisenbahn in die langbewahrte Ursprünglichkeit ihrer Heimath gedrungen war. Von
noch brennenden Waldstrecken stäubte weiße Asche, wirbelte schwarzer Rauch, leckte
zuweilen an halbverkohlter stumpfen die rothe Flamme empor. Zickzackfencen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/372>, abgerufen am 27.09.2024.