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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Rang in der Wehrkraft des Landes einzunehmen, drückt sich auch in der sardi¬
nischen Reiterei aus, obschon sie, wie überall der Fall, .die elegantesten und von
Aussehn ritterlichsten Officiere besitzt. Dazu kommt, daß der Italiener, gleich
seinem Nachbarn, dem Franzosen, im Allgemeinen kein guter Reiter ist. Seiner
leichten, quecksilberartigen Natur sagt der Dienst zu Roß und noch weniger die
Wartung und Fütterung desselben, die besonders aus Märschen und im Kriege sehr
viel Unbequemes hat, uicht sonderlich zu. Auch eine gute Remontirnng der Reiterei ist
für die sardinische Regierung schwierig und kostspielig, da die Pferdezucht des
eigenen Landes nicht dafür ausreicht, und man für große Summen Rosse aus
dem fernen Norddeutschland kommen lassen muß. Dem Auge gewährt die sar¬
dinische Reiterei einen stattlichen Anblick. Die Rosse derselben sind groß nud
gut genährt, die Leute kräftig und von hübschen Gesichtszügen, und die einfach ge¬
schmackvolle, knappe Uniform steht ihnen sehr gut. Daß aber die militärische
Tüchtigkeit dieser Kavallerie den k. k. Reiterregimentern, den polnischen Uhlanen,
böhmischen Cuirassieren und ungarischen Husaren widerstehen kann, möchte ich
bezweifeln. Oestreichs Reiterei ist entschieden die stärkste Seite seiner militärischen
Macht, und Frankreich, Sardinien, ja auch Preußen möchten es bei den größten
Anstrengungen hierin schwerlich erreichen. Dies weiß man recht wohl im Kriegs¬
ministerium in Turin, daher man dieselben nicht vermehrt, sondern die Kosten
lieber für Vermehrung der LorsaxUen und Verstärkung und Verbesserung der
Artillerie verwendet. Eine gut bespannte, rasche Artillerie mit weithin reichenden
Zwölfpsündern, selbst für den Felddienst, und gewandte, ausdauernde, gut zielende
Jäger, mit den besten Büchsen der neuesten Erfindung bewaffnet, darauf kommt
es bei allen ferneren Kämpfen in Italien vorzugsweise an. Hierin hat die sar¬
dinische Armee ihre Hauptstärke.

Im vortrefflichen Zustande ist anch das Geniewcsen und Alles, was dazu
gehört, alle militairischen Bildungsanstalten und Kriegsschulen. Früher hat man
sich die desfallsigen Einrichtungen in der preußischen Armee unbedingt zum Muster
genommen, und sardinische Officiere siud wiederholt in Berlin gewesen, dort zu
lernen. Seit dem Jahre 1830, wo man vergebens hoffte, mit Preußens Heer
vereint gegen Oestreichs Oberherrschaft zu kämpfen, hat das Vertrauen auf die
militärische Thätigkeit desselben leider einen gewaltigen Stoß erhalten. Man hat sich
jetzt anch in allen derartigen militärischen Einrichtungen die französische Armee
zum Muster genommen, und statt nach Berlin gehen die sardinischen Officiere
jetzt "ach Paris zu lernen. Ich könnte überhaupt bei dieser Gelegenheit noch
Manches über den Eindruck, tru Preußens Benehmen im Herbst 1860 und die
Schlacht bei Bronzell unter deu sardinischen Officieren hervorgerufen haben,
anführen. Wohlthuend und unserem Stolze schmeichelnd sind die Urtheile
gerade nicht.

Eine eigenthümliche Reserve des Heeres, im Fall dasselbe zum Kampfe


Rang in der Wehrkraft des Landes einzunehmen, drückt sich auch in der sardi¬
nischen Reiterei aus, obschon sie, wie überall der Fall, .die elegantesten und von
Aussehn ritterlichsten Officiere besitzt. Dazu kommt, daß der Italiener, gleich
seinem Nachbarn, dem Franzosen, im Allgemeinen kein guter Reiter ist. Seiner
leichten, quecksilberartigen Natur sagt der Dienst zu Roß und noch weniger die
Wartung und Fütterung desselben, die besonders aus Märschen und im Kriege sehr
viel Unbequemes hat, uicht sonderlich zu. Auch eine gute Remontirnng der Reiterei ist
für die sardinische Regierung schwierig und kostspielig, da die Pferdezucht des
eigenen Landes nicht dafür ausreicht, und man für große Summen Rosse aus
dem fernen Norddeutschland kommen lassen muß. Dem Auge gewährt die sar¬
dinische Reiterei einen stattlichen Anblick. Die Rosse derselben sind groß nud
gut genährt, die Leute kräftig und von hübschen Gesichtszügen, und die einfach ge¬
schmackvolle, knappe Uniform steht ihnen sehr gut. Daß aber die militärische
Tüchtigkeit dieser Kavallerie den k. k. Reiterregimentern, den polnischen Uhlanen,
böhmischen Cuirassieren und ungarischen Husaren widerstehen kann, möchte ich
bezweifeln. Oestreichs Reiterei ist entschieden die stärkste Seite seiner militärischen
Macht, und Frankreich, Sardinien, ja auch Preußen möchten es bei den größten
Anstrengungen hierin schwerlich erreichen. Dies weiß man recht wohl im Kriegs¬
ministerium in Turin, daher man dieselben nicht vermehrt, sondern die Kosten
lieber für Vermehrung der LorsaxUen und Verstärkung und Verbesserung der
Artillerie verwendet. Eine gut bespannte, rasche Artillerie mit weithin reichenden
Zwölfpsündern, selbst für den Felddienst, und gewandte, ausdauernde, gut zielende
Jäger, mit den besten Büchsen der neuesten Erfindung bewaffnet, darauf kommt
es bei allen ferneren Kämpfen in Italien vorzugsweise an. Hierin hat die sar¬
dinische Armee ihre Hauptstärke.

Im vortrefflichen Zustande ist anch das Geniewcsen und Alles, was dazu
gehört, alle militairischen Bildungsanstalten und Kriegsschulen. Früher hat man
sich die desfallsigen Einrichtungen in der preußischen Armee unbedingt zum Muster
genommen, und sardinische Officiere siud wiederholt in Berlin gewesen, dort zu
lernen. Seit dem Jahre 1830, wo man vergebens hoffte, mit Preußens Heer
vereint gegen Oestreichs Oberherrschaft zu kämpfen, hat das Vertrauen auf die
militärische Thätigkeit desselben leider einen gewaltigen Stoß erhalten. Man hat sich
jetzt anch in allen derartigen militärischen Einrichtungen die französische Armee
zum Muster genommen, und statt nach Berlin gehen die sardinischen Officiere
jetzt »ach Paris zu lernen. Ich könnte überhaupt bei dieser Gelegenheit noch
Manches über den Eindruck, tru Preußens Benehmen im Herbst 1860 und die
Schlacht bei Bronzell unter deu sardinischen Officieren hervorgerufen haben,
anführen. Wohlthuend und unserem Stolze schmeichelnd sind die Urtheile
gerade nicht.

Eine eigenthümliche Reserve des Heeres, im Fall dasselbe zum Kampfe


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[0338] Rang in der Wehrkraft des Landes einzunehmen, drückt sich auch in der sardi¬ nischen Reiterei aus, obschon sie, wie überall der Fall, .die elegantesten und von Aussehn ritterlichsten Officiere besitzt. Dazu kommt, daß der Italiener, gleich seinem Nachbarn, dem Franzosen, im Allgemeinen kein guter Reiter ist. Seiner leichten, quecksilberartigen Natur sagt der Dienst zu Roß und noch weniger die Wartung und Fütterung desselben, die besonders aus Märschen und im Kriege sehr viel Unbequemes hat, uicht sonderlich zu. Auch eine gute Remontirnng der Reiterei ist für die sardinische Regierung schwierig und kostspielig, da die Pferdezucht des eigenen Landes nicht dafür ausreicht, und man für große Summen Rosse aus dem fernen Norddeutschland kommen lassen muß. Dem Auge gewährt die sar¬ dinische Reiterei einen stattlichen Anblick. Die Rosse derselben sind groß nud gut genährt, die Leute kräftig und von hübschen Gesichtszügen, und die einfach ge¬ schmackvolle, knappe Uniform steht ihnen sehr gut. Daß aber die militärische Tüchtigkeit dieser Kavallerie den k. k. Reiterregimentern, den polnischen Uhlanen, böhmischen Cuirassieren und ungarischen Husaren widerstehen kann, möchte ich bezweifeln. Oestreichs Reiterei ist entschieden die stärkste Seite seiner militärischen Macht, und Frankreich, Sardinien, ja auch Preußen möchten es bei den größten Anstrengungen hierin schwerlich erreichen. Dies weiß man recht wohl im Kriegs¬ ministerium in Turin, daher man dieselben nicht vermehrt, sondern die Kosten lieber für Vermehrung der LorsaxUen und Verstärkung und Verbesserung der Artillerie verwendet. Eine gut bespannte, rasche Artillerie mit weithin reichenden Zwölfpsündern, selbst für den Felddienst, und gewandte, ausdauernde, gut zielende Jäger, mit den besten Büchsen der neuesten Erfindung bewaffnet, darauf kommt es bei allen ferneren Kämpfen in Italien vorzugsweise an. Hierin hat die sar¬ dinische Armee ihre Hauptstärke. Im vortrefflichen Zustande ist anch das Geniewcsen und Alles, was dazu gehört, alle militairischen Bildungsanstalten und Kriegsschulen. Früher hat man sich die desfallsigen Einrichtungen in der preußischen Armee unbedingt zum Muster genommen, und sardinische Officiere siud wiederholt in Berlin gewesen, dort zu lernen. Seit dem Jahre 1830, wo man vergebens hoffte, mit Preußens Heer vereint gegen Oestreichs Oberherrschaft zu kämpfen, hat das Vertrauen auf die militärische Thätigkeit desselben leider einen gewaltigen Stoß erhalten. Man hat sich jetzt anch in allen derartigen militärischen Einrichtungen die französische Armee zum Muster genommen, und statt nach Berlin gehen die sardinischen Officiere jetzt »ach Paris zu lernen. Ich könnte überhaupt bei dieser Gelegenheit noch Manches über den Eindruck, tru Preußens Benehmen im Herbst 1860 und die Schlacht bei Bronzell unter deu sardinischen Officieren hervorgerufen haben, anführen. Wohlthuend und unserem Stolze schmeichelnd sind die Urtheile gerade nicht. Eine eigenthümliche Reserve des Heeres, im Fall dasselbe zum Kampfe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/338>, abgerufen am 27.09.2024.