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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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rothen Gensdarmen, mit ihren preußischen Pickelhauben und französischen selben
Fangschnüren, sind größtentheils Welsch-Tyroler, da sie der italienischen Sprache
mächtig sein müssen, doch anch Böhmen, Deutsche, Kroaten; nur selten eigentliche
Italiener/ Gleiches ist bei den Post-, Steuer- und Polizeibeamten der Fall.
Das Volk selbst in allen seinen Ständen, mit Ausnahme derjenigen, die unmittelbar
darauf angewiesen sind, von den Fremden zu leben, wie Gastwirthe, Lohnbediente,
Vetturine, Kofferträger und Bettler, wird sorgfältig jegliche Berührung mit
denselben vermeiden, zumal wenn es den Deutschen in ihnen erkannte. Selbst auf
höfliche Fragen an anständige Personen, nach Straßen und Plätzen u.s.w. erhält
man in Mailand häufig gar keine Autwort, kein Longobarde wird sich im Post¬
wagen, Kaffeehaus, Theater mit einem Deutschen so leicht in ein Gespräch ein¬
lassen, ja das Erscheinen eines Deutschen reicht hin, ein ganzes Kaffeehaus
verstummen zu machen, eine Wirthsstube sogar zu leeren. Es sind in Mailand
einige Kaffee- und Gasthäuser, die nur vou Officieren und Beamten besucht
werde", und selten wird ein Italiener dieselben betreten, ja viele werden es ver¬
meiden, an denselben anch nur vorüber zu gehen. Selbst das weibliche Geschlecht,
vornehm wie gering, theilt mit wenigen Ausnahmen diese Zurückhaltung gegen
die Oestreicher und Alle, die sie mit denselben in Zusammenhang glauben. Der
stattlichste Grenadier soll in Mailand oder Brescia nur mit der größten Schwierig¬
keit ein italienisches Dienstmädchen zur Geliebten bekommen können; die Dame
Von Stande wird sehr selten mit einem Officier sprechen, oder gar tanzen.
Habe ich doch anf dem Lago-Maggiore gesehen, daß ein sehr artiger östreichischer
Officier einer jungen schönen Dame aus einer vornehmen italienischen Familie
bei dem Einsteigen von dem Dampfer in das 'stark schwankende Boot behilflich
sein wollte, diese aber mit verächtlicher Geberde seinen Arm zurückschob und in
italienischer Zunge sagte: "ich habe Ihre Hilft nicht verlangt, mein Herr", und
so wartete, bis der Bootsführer ihr behilflich sein konnte. Solche und ähnliche
kleine Züge, die den unheimlichen Zustand in den italienischen Provinzen Oest¬
reichs genügend charaktensircu, wird mau überall in Menge finden.

Ganz anders, sobald man das sardinische Gebiet betreten hat. Zuerst fällt
dem Reisenden auf, daß er kaum ein Viertheil so viel Militair- und Civil-Uni¬
formen erblickt. Die zahlreichen Infanterie- und Kavallerie- Patrouillen auf der
Landstraße haben aufgehört, die Thore der kleinen Städte und Flecken sind nicht mehr
mit Piquets besetzt. Nur die Gensdarmerie ist ziemlich zahlreich. Ein zwangloser
fröhlicher Verkehr, wie der Italiener ihn so sehr liebt, herrscht zwischen der be¬
waffneten Macht und dem Bürgerthum, von einer Absonderung, einem gegen¬
seitigen Haß zwischen Beiden keine Spur. Soldaten sitzen in den Schankstnben
und trinken lachend und scherzend mit den Bauern oder Handwerkern aus der¬
selben "Lottisslig" den dunkeln rothen Wein, Officiere plaudern in den Kaffee¬
häusern unbefangen mit Civilisten, wandern Arm in Arm mit ihnen umher. Man


rothen Gensdarmen, mit ihren preußischen Pickelhauben und französischen selben
Fangschnüren, sind größtentheils Welsch-Tyroler, da sie der italienischen Sprache
mächtig sein müssen, doch anch Böhmen, Deutsche, Kroaten; nur selten eigentliche
Italiener/ Gleiches ist bei den Post-, Steuer- und Polizeibeamten der Fall.
Das Volk selbst in allen seinen Ständen, mit Ausnahme derjenigen, die unmittelbar
darauf angewiesen sind, von den Fremden zu leben, wie Gastwirthe, Lohnbediente,
Vetturine, Kofferträger und Bettler, wird sorgfältig jegliche Berührung mit
denselben vermeiden, zumal wenn es den Deutschen in ihnen erkannte. Selbst auf
höfliche Fragen an anständige Personen, nach Straßen und Plätzen u.s.w. erhält
man in Mailand häufig gar keine Autwort, kein Longobarde wird sich im Post¬
wagen, Kaffeehaus, Theater mit einem Deutschen so leicht in ein Gespräch ein¬
lassen, ja das Erscheinen eines Deutschen reicht hin, ein ganzes Kaffeehaus
verstummen zu machen, eine Wirthsstube sogar zu leeren. Es sind in Mailand
einige Kaffee- und Gasthäuser, die nur vou Officieren und Beamten besucht
werde», und selten wird ein Italiener dieselben betreten, ja viele werden es ver¬
meiden, an denselben anch nur vorüber zu gehen. Selbst das weibliche Geschlecht,
vornehm wie gering, theilt mit wenigen Ausnahmen diese Zurückhaltung gegen
die Oestreicher und Alle, die sie mit denselben in Zusammenhang glauben. Der
stattlichste Grenadier soll in Mailand oder Brescia nur mit der größten Schwierig¬
keit ein italienisches Dienstmädchen zur Geliebten bekommen können; die Dame
Von Stande wird sehr selten mit einem Officier sprechen, oder gar tanzen.
Habe ich doch anf dem Lago-Maggiore gesehen, daß ein sehr artiger östreichischer
Officier einer jungen schönen Dame aus einer vornehmen italienischen Familie
bei dem Einsteigen von dem Dampfer in das 'stark schwankende Boot behilflich
sein wollte, diese aber mit verächtlicher Geberde seinen Arm zurückschob und in
italienischer Zunge sagte: „ich habe Ihre Hilft nicht verlangt, mein Herr", und
so wartete, bis der Bootsführer ihr behilflich sein konnte. Solche und ähnliche
kleine Züge, die den unheimlichen Zustand in den italienischen Provinzen Oest¬
reichs genügend charaktensircu, wird mau überall in Menge finden.

Ganz anders, sobald man das sardinische Gebiet betreten hat. Zuerst fällt
dem Reisenden auf, daß er kaum ein Viertheil so viel Militair- und Civil-Uni¬
formen erblickt. Die zahlreichen Infanterie- und Kavallerie- Patrouillen auf der
Landstraße haben aufgehört, die Thore der kleinen Städte und Flecken sind nicht mehr
mit Piquets besetzt. Nur die Gensdarmerie ist ziemlich zahlreich. Ein zwangloser
fröhlicher Verkehr, wie der Italiener ihn so sehr liebt, herrscht zwischen der be¬
waffneten Macht und dem Bürgerthum, von einer Absonderung, einem gegen¬
seitigen Haß zwischen Beiden keine Spur. Soldaten sitzen in den Schankstnben
und trinken lachend und scherzend mit den Bauern oder Handwerkern aus der¬
selben „Lottisslig" den dunkeln rothen Wein, Officiere plaudern in den Kaffee¬
häusern unbefangen mit Civilisten, wandern Arm in Arm mit ihnen umher. Man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/332>, abgerufen am 27.09.2024.