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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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den Wald geöffnet ist. Außerdem trieb ihn aber die Concurrenz dazu, den Weg
so viel als möglich fahrbar zu machen; denn einige Meilen nördlich bei San
Felippe führt eine andere Fähre über den Brazos, und die Reisenden wählen
natürlich die Straße, welche vornehmlich für das Fuhrwerk am leichtesten passirbar
ist. Dessen ungeachtet war der Boden an einigen Stellen so morastig, daß die
Räder des Wagens, den wir zufällig am Rande des Bottoms trafen, oft über
einen Fuß tief einsanken, und wieder an anderen Stellen, wo das Wasser weniger
und die Sonne mehr Zutritt gehabt hatte, waren die Fahrgleise so tief und dabei
der Boden so hart, daß wir genöthigt waren, die Gleise mit Baumästen aus¬
zufüllen, um den Wagen hindurch zu bringen. Endlich, als der Abend ankam,
hatten wir den Brazos und somit die Fähre erreicht, aber den ganzen Tag nicht
mehr als 6- 8 englische Meilen zurückgelegt. Da wir an diesem Tage nicht weiter
kommen konnten, so beschlossen wir, bei dem Fährmanne, einem geborenen,
Amerikaner, zu übernachten.

' Unter der Galerie des einfachen Blockhauses saß die Lady, ein rundes
Frauchen mit einem nichtssagenden Gesichte, ziemlich unsauber gekleidet und ein
kurzes Thonpfeifchen im Munde; neben ihr,spielte ein. eben so unsauber gekleidetes
Kind; sie selbst war beschäftigt, zwei Stücke Leinwand zusammenzunähen. Da
sie sehr oft das Nähen unterbrach, um den Rauch ihrer Tabakspfeife zu betrachten,
so konnte man schließen, daß ihr die Arbeit viel Mühe machte. Bei unsrer An¬
näherung blieb sie ruhig sitzen., und als wir sie möglichst freundlich begrüßten,
nickte sie ein klein Wenig mit dem Kopfe. Trotz unsrer eifrigen Bemühungen,
unsunit ihr zu unterhalten, gelang es nur schwer, ein Ve8 Sir oder 8ir,
oder wenn unsre Bemerkungen ihr zu gelehrt oder unamerikanisch erschienen, ein
bloßes 8ir? dann und wann hervorzulocken. Da fiel es meinem Reisegefährten,
dem Drechsler, ein, eine Spieldose heimlich aufzuziehen und in der Tasche must-
ciren zu lassen. Dies war ihr Etwas, das durchaus über ihren Horizont hin¬
ausging; sie horchte, staunte, lachte und machte ihrem Herzen nun durch vieles
Fragen Lust. Sie wollte durchaus die Nusiodox ihr Eigenthum nennen, aber
der Preis von 10 Dollars war ihr nnerschwingbar, und so fing sie an, Vorschläge
zum Täuschen zu machen. Bald waren weiße Arbeiter und Neger mit ihren
Kindern, so wie die Familie eines benachbarten Grobschmieds um uns, oder viel¬
mehr um die Nusiebox versammelt: Alles war Freude und Staunen. Unterdessen
war der Mann gekommen. Er lud uns ein, uns mit ihm an das Kamin zu"
setzen, in welchem ein Holzblock von nicht nttbedeuteuden Dimensionen loderte.
Der Gegenstand der Unterhaltung war aber nicht etwa Politik oder Farmerwirth¬
schaft, sondern die Nugiebox. Die kleine runde Frau bestürmte den Mann mit
Bitten, die Masiewx zu kaufen; aber auch er konnte nicht helfen; Geld hatte er
nicht, wie er sagte, oder wollte wenigstens den verlangten Preis nicht zahlen,
und von anderen Gegenständen war nur etwa ein Ochse oder eine Kuh von


den Wald geöffnet ist. Außerdem trieb ihn aber die Concurrenz dazu, den Weg
so viel als möglich fahrbar zu machen; denn einige Meilen nördlich bei San
Felippe führt eine andere Fähre über den Brazos, und die Reisenden wählen
natürlich die Straße, welche vornehmlich für das Fuhrwerk am leichtesten passirbar
ist. Dessen ungeachtet war der Boden an einigen Stellen so morastig, daß die
Räder des Wagens, den wir zufällig am Rande des Bottoms trafen, oft über
einen Fuß tief einsanken, und wieder an anderen Stellen, wo das Wasser weniger
und die Sonne mehr Zutritt gehabt hatte, waren die Fahrgleise so tief und dabei
der Boden so hart, daß wir genöthigt waren, die Gleise mit Baumästen aus¬
zufüllen, um den Wagen hindurch zu bringen. Endlich, als der Abend ankam,
hatten wir den Brazos und somit die Fähre erreicht, aber den ganzen Tag nicht
mehr als 6- 8 englische Meilen zurückgelegt. Da wir an diesem Tage nicht weiter
kommen konnten, so beschlossen wir, bei dem Fährmanne, einem geborenen,
Amerikaner, zu übernachten.

' Unter der Galerie des einfachen Blockhauses saß die Lady, ein rundes
Frauchen mit einem nichtssagenden Gesichte, ziemlich unsauber gekleidet und ein
kurzes Thonpfeifchen im Munde; neben ihr,spielte ein. eben so unsauber gekleidetes
Kind; sie selbst war beschäftigt, zwei Stücke Leinwand zusammenzunähen. Da
sie sehr oft das Nähen unterbrach, um den Rauch ihrer Tabakspfeife zu betrachten,
so konnte man schließen, daß ihr die Arbeit viel Mühe machte. Bei unsrer An¬
näherung blieb sie ruhig sitzen., und als wir sie möglichst freundlich begrüßten,
nickte sie ein klein Wenig mit dem Kopfe. Trotz unsrer eifrigen Bemühungen,
unsunit ihr zu unterhalten, gelang es nur schwer, ein Ve8 Sir oder 8ir,
oder wenn unsre Bemerkungen ihr zu gelehrt oder unamerikanisch erschienen, ein
bloßes 8ir? dann und wann hervorzulocken. Da fiel es meinem Reisegefährten,
dem Drechsler, ein, eine Spieldose heimlich aufzuziehen und in der Tasche must-
ciren zu lassen. Dies war ihr Etwas, das durchaus über ihren Horizont hin¬
ausging; sie horchte, staunte, lachte und machte ihrem Herzen nun durch vieles
Fragen Lust. Sie wollte durchaus die Nusiodox ihr Eigenthum nennen, aber
der Preis von 10 Dollars war ihr nnerschwingbar, und so fing sie an, Vorschläge
zum Täuschen zu machen. Bald waren weiße Arbeiter und Neger mit ihren
Kindern, so wie die Familie eines benachbarten Grobschmieds um uns, oder viel¬
mehr um die Nusiebox versammelt: Alles war Freude und Staunen. Unterdessen
war der Mann gekommen. Er lud uns ein, uns mit ihm an das Kamin zu"
setzen, in welchem ein Holzblock von nicht nttbedeuteuden Dimensionen loderte.
Der Gegenstand der Unterhaltung war aber nicht etwa Politik oder Farmerwirth¬
schaft, sondern die Nugiebox. Die kleine runde Frau bestürmte den Mann mit
Bitten, die Masiewx zu kaufen; aber auch er konnte nicht helfen; Geld hatte er
nicht, wie er sagte, oder wollte wenigstens den verlangten Preis nicht zahlen,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/303>, abgerufen am 27.09.2024.