Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.die Wirthin oder ein Adjutant des Wirths an dem andern Ende der Tafel. Von diesem Boarding and Lodging der Königin des ost-texanischen Handels Nachdem wir mehrere Tage lang kahle und üppig grüne Grasflächen durch- die Wirthin oder ein Adjutant des Wirths an dem andern Ende der Tafel. Von diesem Boarding and Lodging der Königin des ost-texanischen Handels Nachdem wir mehrere Tage lang kahle und üppig grüne Grasflächen durch- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95283"/> <p xml:id="ID_873" prev="#ID_872"> die Wirthin oder ein Adjutant des Wirths an dem andern Ende der Tafel.<lb/> Ersterer schneidet das Fleisch, meist Beefsteak, aber daneben auch andere Sorten,<lb/> und läßt die Mehl- und Eierspeisen herumgehen, letztere ist die Herrscherin über<lb/> die Kaffee- und Theekanne. So schnell als möglich sucht Jeder die erste Tasse<lb/> hinunterzugießen, reicht schweigend der Wirthin die geleerte Tasse, welche sie<lb/> wiederum füllt, und ißt mit einer Hast, daß man glauben möchte, es handele<lb/> sich um Leben und Tod. Diese Eile im Essen ist allerdings den Amerikanern<lb/> eigenthümlich, aber der Deutsche, ohne Selbstgefühl und stets der Nachahmer<lb/> fremder Nationaleigenthümlichkeiten, legt sich in seiner Sucht, als Amerikaner zu<lb/> erscheinen, mit Energie auf die Einübung' dieser Fertigkeit, und übertrifft seiue<lb/> Lehrmeister. In einem Zeitraume von ö bis 8 Minuten ist ein deutsch-ameri¬<lb/> kanisches Frühstück beendigt. Das Mittags- und Abendessen stimmt ziemlich mit<lb/> dem Frühstück überein, nnr daß bei ersteren eine größere Auswahl von Fleisch¬<lb/> sorten stattfindet, während die Kaffeekanne auch oft paradirt, und bei letzterem der<lb/> Thee die Stelle des Kaffees vertritt. Kaffee und Thee trinkt der Amerikaner,<lb/> und natürlich auch der Deutsch-Amerikaner, anders als der Deutsche; Beide freilich<lb/> lassen ihn durch die. Kehle zum Magen gelangen, aber während der Deutsche mit<lb/> wenigen Ausnahmen aus der Obertasse trinkt und sich der Untertasse nur bedient,<lb/> um die Obertasse hineinzusetzen und den Tisch nicht zu beflecken, vertritt die Ober¬<lb/> tasse bei dem Amerikaner die Stelle einer Privatkanne, aus welcher er eine ge¬<lb/> ringe Quantität des Getränkes in die Untertasse gjeßt; diese setzt er sodann an<lb/> den Mund und leert sie aus. Daher sind erstere beträchtlich größer als die<lb/> deutschen, ohne Henkel und von der Form kleiner Terrinen. Zucker wird viel<lb/> genossen, aber sast nur als Muscovado oder Farinzucker, da die Zuckerraffination<lb/> in Amerika noch in der Wiege liegt, und feiner Zucker daher hoch im Preise steht.</p><lb/> <p xml:id="ID_874"> Von diesem Boarding and Lodging der Königin des ost-texanischen Handels<lb/> schweift die Erinnerung hinüber nach Westen in das endlose Prairiemeer.</p><lb/> <p xml:id="ID_875" next="#ID_876"> Nachdem wir mehrere Tage lang kahle und üppig grüne Grasflächen durch-<lb/> wandert und nur selten am Rande eines Baches einige schmale Reihen von Bäu¬<lb/> men und in weiter Entfernung hier und da ein niedriges, hölzernes Farmer¬<lb/> häuschen mit seinem eingefenzten Felde zu Gesicht bekommen hatten, langten wir<lb/> an dem breiten, mit dichtem Urwalde bewachsenen Brazosbottom an. Diese Bottom-<lb/> Wälder sind weit dichter und üppiger als die hochliegenden Wälder, und der<lb/> Boden derselben ist, nachdem er urbar gemacht ist, besonders für Zuckerbau sehr<lb/> geeignet. Den Eingang in diesen Wald bildete ein sehr tief fließender Bach;<lb/> über denselben harte der Brazos-Fährmann, der nebenbei Boardingkeeper ist, eine<lb/> hölzerne Brücke bauen lassen^ und eben so hatte er durch den dichten Urwald eine<lb/> mehrere Meilen lange Straße durchgeschlagen — Alles dies auf seine eigenen<lb/> Kosten, um dadurch die Möglichkeit, sein Geschäft ausüben zu können, zu erlangen;<lb/> denn die Fähre über den Fluß ist nutzlos, sobald nicht zugleich ein Weg durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
die Wirthin oder ein Adjutant des Wirths an dem andern Ende der Tafel.
Ersterer schneidet das Fleisch, meist Beefsteak, aber daneben auch andere Sorten,
und läßt die Mehl- und Eierspeisen herumgehen, letztere ist die Herrscherin über
die Kaffee- und Theekanne. So schnell als möglich sucht Jeder die erste Tasse
hinunterzugießen, reicht schweigend der Wirthin die geleerte Tasse, welche sie
wiederum füllt, und ißt mit einer Hast, daß man glauben möchte, es handele
sich um Leben und Tod. Diese Eile im Essen ist allerdings den Amerikanern
eigenthümlich, aber der Deutsche, ohne Selbstgefühl und stets der Nachahmer
fremder Nationaleigenthümlichkeiten, legt sich in seiner Sucht, als Amerikaner zu
erscheinen, mit Energie auf die Einübung' dieser Fertigkeit, und übertrifft seiue
Lehrmeister. In einem Zeitraume von ö bis 8 Minuten ist ein deutsch-ameri¬
kanisches Frühstück beendigt. Das Mittags- und Abendessen stimmt ziemlich mit
dem Frühstück überein, nnr daß bei ersteren eine größere Auswahl von Fleisch¬
sorten stattfindet, während die Kaffeekanne auch oft paradirt, und bei letzterem der
Thee die Stelle des Kaffees vertritt. Kaffee und Thee trinkt der Amerikaner,
und natürlich auch der Deutsch-Amerikaner, anders als der Deutsche; Beide freilich
lassen ihn durch die. Kehle zum Magen gelangen, aber während der Deutsche mit
wenigen Ausnahmen aus der Obertasse trinkt und sich der Untertasse nur bedient,
um die Obertasse hineinzusetzen und den Tisch nicht zu beflecken, vertritt die Ober¬
tasse bei dem Amerikaner die Stelle einer Privatkanne, aus welcher er eine ge¬
ringe Quantität des Getränkes in die Untertasse gjeßt; diese setzt er sodann an
den Mund und leert sie aus. Daher sind erstere beträchtlich größer als die
deutschen, ohne Henkel und von der Form kleiner Terrinen. Zucker wird viel
genossen, aber sast nur als Muscovado oder Farinzucker, da die Zuckerraffination
in Amerika noch in der Wiege liegt, und feiner Zucker daher hoch im Preise steht.
Von diesem Boarding and Lodging der Königin des ost-texanischen Handels
schweift die Erinnerung hinüber nach Westen in das endlose Prairiemeer.
Nachdem wir mehrere Tage lang kahle und üppig grüne Grasflächen durch-
wandert und nur selten am Rande eines Baches einige schmale Reihen von Bäu¬
men und in weiter Entfernung hier und da ein niedriges, hölzernes Farmer¬
häuschen mit seinem eingefenzten Felde zu Gesicht bekommen hatten, langten wir
an dem breiten, mit dichtem Urwalde bewachsenen Brazosbottom an. Diese Bottom-
Wälder sind weit dichter und üppiger als die hochliegenden Wälder, und der
Boden derselben ist, nachdem er urbar gemacht ist, besonders für Zuckerbau sehr
geeignet. Den Eingang in diesen Wald bildete ein sehr tief fließender Bach;
über denselben harte der Brazos-Fährmann, der nebenbei Boardingkeeper ist, eine
hölzerne Brücke bauen lassen^ und eben so hatte er durch den dichten Urwald eine
mehrere Meilen lange Straße durchgeschlagen — Alles dies auf seine eigenen
Kosten, um dadurch die Möglichkeit, sein Geschäft ausüben zu können, zu erlangen;
denn die Fähre über den Fluß ist nutzlos, sobald nicht zugleich ein Weg durch
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