Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Wein, welche ihre Ranken bis ans die höchsten Spitzen der Bäume Hinanstreiben
und diese noch überwölben, und am Boden mit ihren armdicken Stämmen oder
ihren stachlichten Zweigen dem Wanderer den Zutritt verweigern, wuchern in
dunkelem Grün, und verursachen die seuchte, drückende Schwüle, welche Leben
über die vegetabilische Natur, aber Siechthum und Tod über die Menschen breitet
welche mit Axt und Pflug der Cultur die Bahn brechen, und zuerst Meuschen-
hütten da bauen, wo nur Würmer und Reptilien -ihre Stätte hatten.

Farmer und Neger, die beim Urbarmachen der Wälder hinlänglich Gelegen¬
heishaben, "Moos" von den gefällten Bäumen zu sammeln, verschaffen sich einen
Nebenverdienst dadurch, daß sie es zum Behuf der Matratzen zubereiten, und in
dieser Form in den Städten verkaufen. Zu diesem Zwecke muß die graugrüne,
der Fäulniß unterworfene und im getrockneten Zustande spröde Rinde entfernt
werden, so daß nur der holzige Kern, einen dünnen, elastischen Faden bildend,
zurückbleibt. Man gräbt das Moos daher in großen Massen in die Erde und
läßt die Fäulniß auf die Rinde einwirken, oder man sucht durch Kochen mit
Wasser dasselbe Resultat -zu erzielen. Nach dieser Vorbereitung wird es gezupft
und auch wol geklopft, um die Unreinigkeiten, welche aus Erde, Laub, Holz,
Früchten und vornehmlich aus dem erdigen Staube der Rinde bestehen, zu ent¬
fernen, und in der. Gestalt von langen, dunkelbraunen verzweigten Fäden zum
Stopfen der Matratzen verwendet. Möglicher Weise könnte dieses Product als
Handelsartikel, zum Ersatz d^r theuren Pferdehaare, einmal eine Rolle spielen;
bis jetzt haben sich wahrscheinlich die Höhe des Arbeitslohnes in Amerika, oder
sobald es erst in Europa bearbeitet werden sollte, der Mehrbetrag der Fracht,
welche sich ungefähr auf 1 Cent oder etwas mehr auf das Pfund belaufen
könnte, als Hindernisse für die Einfuhr in Europa entgegengestellt. Ein Matratzen-
machcr in New-Orleans erzählte mir, daß er eine kleine Ladung dieses Mooses
nach Paris gesandt, aber durchaus kein Geschäft damit gemacht habe.

Sobald man sich nun des Morgens von der Matratze erhoben hat und unter
dem Mnsquetvebar hervorgeschlüpft ist, geht man hinunter in die Hausflur oder
wol gar in den Hof, wo an der Wand mehrere Waschbecken in einem mit
Höhlungen versehenen Brete stehen; darüber hängen lange Handtücher, deren
Enden zusammengenäht sind, so daß sie wie eine Rolle ans einer horizontalen
Stange, an welcher sie hängen, herumgedreht werden können, und daß jeder
der Gäste das reinste Fleckchen aussuchen kann. Dieser Apparat kommt aus¬
schließlich den Inhabern des gemeinschaftlichen Schlafsaales zu, während die Be¬
wohner der einzelnen Zimmer besondere Waschbecken und Handtücher zur Be¬
nutzung haben.

Um 7 Uhr wird mit einer Glocke das Zeichen zum Breakfast gegeben. Wie
durch einen Zauberschlag ist der Speisesaal mit Gästen angefüllt; Jeder sucht
möglichst rasch einen Platz zu bekommen; der Wirth präsidire an dem einen Ende,


37"

Wein, welche ihre Ranken bis ans die höchsten Spitzen der Bäume Hinanstreiben
und diese noch überwölben, und am Boden mit ihren armdicken Stämmen oder
ihren stachlichten Zweigen dem Wanderer den Zutritt verweigern, wuchern in
dunkelem Grün, und verursachen die seuchte, drückende Schwüle, welche Leben
über die vegetabilische Natur, aber Siechthum und Tod über die Menschen breitet
welche mit Axt und Pflug der Cultur die Bahn brechen, und zuerst Meuschen-
hütten da bauen, wo nur Würmer und Reptilien -ihre Stätte hatten.

Farmer und Neger, die beim Urbarmachen der Wälder hinlänglich Gelegen¬
heishaben, „Moos" von den gefällten Bäumen zu sammeln, verschaffen sich einen
Nebenverdienst dadurch, daß sie es zum Behuf der Matratzen zubereiten, und in
dieser Form in den Städten verkaufen. Zu diesem Zwecke muß die graugrüne,
der Fäulniß unterworfene und im getrockneten Zustande spröde Rinde entfernt
werden, so daß nur der holzige Kern, einen dünnen, elastischen Faden bildend,
zurückbleibt. Man gräbt das Moos daher in großen Massen in die Erde und
läßt die Fäulniß auf die Rinde einwirken, oder man sucht durch Kochen mit
Wasser dasselbe Resultat -zu erzielen. Nach dieser Vorbereitung wird es gezupft
und auch wol geklopft, um die Unreinigkeiten, welche aus Erde, Laub, Holz,
Früchten und vornehmlich aus dem erdigen Staube der Rinde bestehen, zu ent¬
fernen, und in der. Gestalt von langen, dunkelbraunen verzweigten Fäden zum
Stopfen der Matratzen verwendet. Möglicher Weise könnte dieses Product als
Handelsartikel, zum Ersatz d^r theuren Pferdehaare, einmal eine Rolle spielen;
bis jetzt haben sich wahrscheinlich die Höhe des Arbeitslohnes in Amerika, oder
sobald es erst in Europa bearbeitet werden sollte, der Mehrbetrag der Fracht,
welche sich ungefähr auf 1 Cent oder etwas mehr auf das Pfund belaufen
könnte, als Hindernisse für die Einfuhr in Europa entgegengestellt. Ein Matratzen-
machcr in New-Orleans erzählte mir, daß er eine kleine Ladung dieses Mooses
nach Paris gesandt, aber durchaus kein Geschäft damit gemacht habe.

Sobald man sich nun des Morgens von der Matratze erhoben hat und unter
dem Mnsquetvebar hervorgeschlüpft ist, geht man hinunter in die Hausflur oder
wol gar in den Hof, wo an der Wand mehrere Waschbecken in einem mit
Höhlungen versehenen Brete stehen; darüber hängen lange Handtücher, deren
Enden zusammengenäht sind, so daß sie wie eine Rolle ans einer horizontalen
Stange, an welcher sie hängen, herumgedreht werden können, und daß jeder
der Gäste das reinste Fleckchen aussuchen kann. Dieser Apparat kommt aus¬
schließlich den Inhabern des gemeinschaftlichen Schlafsaales zu, während die Be¬
wohner der einzelnen Zimmer besondere Waschbecken und Handtücher zur Be¬
nutzung haben.

Um 7 Uhr wird mit einer Glocke das Zeichen zum Breakfast gegeben. Wie
durch einen Zauberschlag ist der Speisesaal mit Gästen angefüllt; Jeder sucht
möglichst rasch einen Platz zu bekommen; der Wirth präsidire an dem einen Ende,


37"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0301" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95282"/>
          <p xml:id="ID_869" prev="#ID_868"> Wein, welche ihre Ranken bis ans die höchsten Spitzen der Bäume Hinanstreiben<lb/>
und diese noch überwölben, und am Boden mit ihren armdicken Stämmen oder<lb/>
ihren stachlichten Zweigen dem Wanderer den Zutritt verweigern, wuchern in<lb/>
dunkelem Grün, und verursachen die seuchte, drückende Schwüle, welche Leben<lb/>
über die vegetabilische Natur, aber Siechthum und Tod über die Menschen breitet<lb/>
welche mit Axt und Pflug der Cultur die Bahn brechen, und zuerst Meuschen-<lb/>
hütten da bauen, wo nur Würmer und Reptilien -ihre Stätte hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_870"> Farmer und Neger, die beim Urbarmachen der Wälder hinlänglich Gelegen¬<lb/>
heishaben, &#x201E;Moos" von den gefällten Bäumen zu sammeln, verschaffen sich einen<lb/>
Nebenverdienst dadurch, daß sie es zum Behuf der Matratzen zubereiten, und in<lb/>
dieser Form in den Städten verkaufen. Zu diesem Zwecke muß die graugrüne,<lb/>
der Fäulniß unterworfene und im getrockneten Zustande spröde Rinde entfernt<lb/>
werden, so daß nur der holzige Kern, einen dünnen, elastischen Faden bildend,<lb/>
zurückbleibt. Man gräbt das Moos daher in großen Massen in die Erde und<lb/>
läßt die Fäulniß auf die Rinde einwirken, oder man sucht durch Kochen mit<lb/>
Wasser dasselbe Resultat -zu erzielen. Nach dieser Vorbereitung wird es gezupft<lb/>
und auch wol geklopft, um die Unreinigkeiten, welche aus Erde, Laub, Holz,<lb/>
Früchten und vornehmlich aus dem erdigen Staube der Rinde bestehen, zu ent¬<lb/>
fernen, und in der. Gestalt von langen, dunkelbraunen verzweigten Fäden zum<lb/>
Stopfen der Matratzen verwendet. Möglicher Weise könnte dieses Product als<lb/>
Handelsartikel, zum Ersatz d^r theuren Pferdehaare, einmal eine Rolle spielen;<lb/>
bis jetzt haben sich wahrscheinlich die Höhe des Arbeitslohnes in Amerika, oder<lb/>
sobald es erst in Europa bearbeitet werden sollte, der Mehrbetrag der Fracht,<lb/>
welche sich ungefähr auf 1 Cent oder etwas mehr auf das Pfund belaufen<lb/>
könnte, als Hindernisse für die Einfuhr in Europa entgegengestellt. Ein Matratzen-<lb/>
machcr in New-Orleans erzählte mir, daß er eine kleine Ladung dieses Mooses<lb/>
nach Paris gesandt, aber durchaus kein Geschäft damit gemacht habe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_871"> Sobald man sich nun des Morgens von der Matratze erhoben hat und unter<lb/>
dem Mnsquetvebar hervorgeschlüpft ist, geht man hinunter in die Hausflur oder<lb/>
wol gar in den Hof, wo an der Wand mehrere Waschbecken in einem mit<lb/>
Höhlungen versehenen Brete stehen; darüber hängen lange Handtücher, deren<lb/>
Enden zusammengenäht sind, so daß sie wie eine Rolle ans einer horizontalen<lb/>
Stange, an welcher sie hängen, herumgedreht werden können, und daß jeder<lb/>
der Gäste das reinste Fleckchen aussuchen kann. Dieser Apparat kommt aus¬<lb/>
schließlich den Inhabern des gemeinschaftlichen Schlafsaales zu, während die Be¬<lb/>
wohner der einzelnen Zimmer besondere Waschbecken und Handtücher zur Be¬<lb/>
nutzung haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_872" next="#ID_873"> Um 7 Uhr wird mit einer Glocke das Zeichen zum Breakfast gegeben. Wie<lb/>
durch einen Zauberschlag ist der Speisesaal mit Gästen angefüllt; Jeder sucht<lb/>
möglichst rasch einen Platz zu bekommen; der Wirth präsidire an dem einen Ende,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 37"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0301] Wein, welche ihre Ranken bis ans die höchsten Spitzen der Bäume Hinanstreiben und diese noch überwölben, und am Boden mit ihren armdicken Stämmen oder ihren stachlichten Zweigen dem Wanderer den Zutritt verweigern, wuchern in dunkelem Grün, und verursachen die seuchte, drückende Schwüle, welche Leben über die vegetabilische Natur, aber Siechthum und Tod über die Menschen breitet welche mit Axt und Pflug der Cultur die Bahn brechen, und zuerst Meuschen- hütten da bauen, wo nur Würmer und Reptilien -ihre Stätte hatten. Farmer und Neger, die beim Urbarmachen der Wälder hinlänglich Gelegen¬ heishaben, „Moos" von den gefällten Bäumen zu sammeln, verschaffen sich einen Nebenverdienst dadurch, daß sie es zum Behuf der Matratzen zubereiten, und in dieser Form in den Städten verkaufen. Zu diesem Zwecke muß die graugrüne, der Fäulniß unterworfene und im getrockneten Zustande spröde Rinde entfernt werden, so daß nur der holzige Kern, einen dünnen, elastischen Faden bildend, zurückbleibt. Man gräbt das Moos daher in großen Massen in die Erde und läßt die Fäulniß auf die Rinde einwirken, oder man sucht durch Kochen mit Wasser dasselbe Resultat -zu erzielen. Nach dieser Vorbereitung wird es gezupft und auch wol geklopft, um die Unreinigkeiten, welche aus Erde, Laub, Holz, Früchten und vornehmlich aus dem erdigen Staube der Rinde bestehen, zu ent¬ fernen, und in der. Gestalt von langen, dunkelbraunen verzweigten Fäden zum Stopfen der Matratzen verwendet. Möglicher Weise könnte dieses Product als Handelsartikel, zum Ersatz d^r theuren Pferdehaare, einmal eine Rolle spielen; bis jetzt haben sich wahrscheinlich die Höhe des Arbeitslohnes in Amerika, oder sobald es erst in Europa bearbeitet werden sollte, der Mehrbetrag der Fracht, welche sich ungefähr auf 1 Cent oder etwas mehr auf das Pfund belaufen könnte, als Hindernisse für die Einfuhr in Europa entgegengestellt. Ein Matratzen- machcr in New-Orleans erzählte mir, daß er eine kleine Ladung dieses Mooses nach Paris gesandt, aber durchaus kein Geschäft damit gemacht habe. Sobald man sich nun des Morgens von der Matratze erhoben hat und unter dem Mnsquetvebar hervorgeschlüpft ist, geht man hinunter in die Hausflur oder wol gar in den Hof, wo an der Wand mehrere Waschbecken in einem mit Höhlungen versehenen Brete stehen; darüber hängen lange Handtücher, deren Enden zusammengenäht sind, so daß sie wie eine Rolle ans einer horizontalen Stange, an welcher sie hängen, herumgedreht werden können, und daß jeder der Gäste das reinste Fleckchen aussuchen kann. Dieser Apparat kommt aus¬ schließlich den Inhabern des gemeinschaftlichen Schlafsaales zu, während die Be¬ wohner der einzelnen Zimmer besondere Waschbecken und Handtücher zur Be¬ nutzung haben. Um 7 Uhr wird mit einer Glocke das Zeichen zum Breakfast gegeben. Wie durch einen Zauberschlag ist der Speisesaal mit Gästen angefüllt; Jeder sucht möglichst rasch einen Platz zu bekommen; der Wirth präsidire an dem einen Ende, 37"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/301
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/301>, abgerufen am 27.09.2024.