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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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wenn es in Deutschland wäre,, in seinen Einrichtungen sonderbar erscheinen
könnte, auf einen Deutschen aber, der im Zwischendecke eines Anöwandererschiffes
die See und nach der Landung andere fremdartige Schicksale passiren muß, keinen
besondern Eindruck machte. Daher kaun ich mich nicht erinnern, daß ich früher
jemals eine Sylbe darüber gesagt hätte, und erst jetzt, wo mich nur deutsche Gast¬
höfe umringen, fällt mir der Unterschied auf.

Der amerikanische Gasthof hat zur ebenen Erde, wie ein öffentliches Ver-
kaufslocal, sein unmittelbar auf die Straße ausmündendes Schenkzimmer, mit
einem Schenktische (bar), dahinter verschiedene Flaschen und Gläser, mit verschie¬
denen Getränken angefüllt, wobei Brandy und Wasser die Hauptrollen spielen.
Ueber dem Schänktische hängt eine Tafel mit der Aufschrift ,M eroclit", und
nicht weit davon auf einem Nebentische liegt ein großes Buch, in welches die
Schulden eingetragen werden; im Vordergrunde stehen einige Stühle, welche sich
die Gäste nach Bedürfniß aus dem Speisezimmer hervorgeholt haben. Das
Schenkzimmer oder der Zsrroom ist der Aufenthaltsort derjenigen Gäste, welche
im Gasthause logiren, und die auch eigentlich nur allein von den Stühlen Ge>
brauch machen, während die Trinkgäste an dem Bar herumstehen, und sich aus
den Flaschen, die ihnen auf ihre" Wunsch von dem LarKoepsr gereicht werden,
so viel zulangen, als sie wünschen. Jedes Glas kostet meist 3 Cent, in einigen
Localen 10 Cent. Die Gläser sind von der Form und der Größe unsrer kleinen
Wassergläser. Einen solchen Tumbler füllt der Gast sich selbst ungefähr bis zum
8ten oder neu Theile mit dem vorgesetzten Getränk, und gießt nach Belieben Wasser
hinzu. Dabei wird wacker getritet und eben so wacker revanchirt. Nach,einem
Aufenthalte, der nicht viel mehr'Zeit in Anspruch nimmt, als das Einschenker,
das Austrittkett in einem Zuge und einige Worte über Geschäfte und Politik
erfordern, verläßt man dann stillschweigend das Local, um entweder den Ge¬
schäften nachzugehen, oder um die Operation in einem andern Larroom z"
wiederholen.

Die Gäste schlafen, sobald sie uicht in Begleitung von Damen sind, oder
sobald sie sich nicht eine besondere Lvgirstube ausbedungen haben, in einem ge-
meinschaftlichen Schlafzimmer, in welchem lange Reihen von Bettstellen, die oft
nur ans 2 Böcken bestehen, aufgestellt sind; über diese sind Gurte oder Lein-
wand ausgespannt, und auf letzteren liegt eine Matratze von ,Mo88"; zur Be¬
deckung dienen wollene Flauclldecken oder baumwollene Steppdecken.

Wie überhaupt der Amerikaner praktischer ist als der Deutsche, so ist er es
auch in der Wahl der Mittel, seinen Körper gegen den Einfluß der Wärme und
Kälte zu schützen. In Texas und in allen südlichen Staaten hat man Feder¬
betten nicht nöthig, oder man wendet sie nur in Krankheitsfällen an; dagegen
hat Jeder für die Nacht eine Auswahl von wollenen oder baumwollenen Decken,
so daß er nach der Temperatur der Lust die Dicke oder die Anzahl, die ihm


wenn es in Deutschland wäre,, in seinen Einrichtungen sonderbar erscheinen
könnte, auf einen Deutschen aber, der im Zwischendecke eines Anöwandererschiffes
die See und nach der Landung andere fremdartige Schicksale passiren muß, keinen
besondern Eindruck machte. Daher kaun ich mich nicht erinnern, daß ich früher
jemals eine Sylbe darüber gesagt hätte, und erst jetzt, wo mich nur deutsche Gast¬
höfe umringen, fällt mir der Unterschied auf.

Der amerikanische Gasthof hat zur ebenen Erde, wie ein öffentliches Ver-
kaufslocal, sein unmittelbar auf die Straße ausmündendes Schenkzimmer, mit
einem Schenktische (bar), dahinter verschiedene Flaschen und Gläser, mit verschie¬
denen Getränken angefüllt, wobei Brandy und Wasser die Hauptrollen spielen.
Ueber dem Schänktische hängt eine Tafel mit der Aufschrift ,M eroclit", und
nicht weit davon auf einem Nebentische liegt ein großes Buch, in welches die
Schulden eingetragen werden; im Vordergrunde stehen einige Stühle, welche sich
die Gäste nach Bedürfniß aus dem Speisezimmer hervorgeholt haben. Das
Schenkzimmer oder der Zsrroom ist der Aufenthaltsort derjenigen Gäste, welche
im Gasthause logiren, und die auch eigentlich nur allein von den Stühlen Ge>
brauch machen, während die Trinkgäste an dem Bar herumstehen, und sich aus
den Flaschen, die ihnen auf ihre» Wunsch von dem LarKoepsr gereicht werden,
so viel zulangen, als sie wünschen. Jedes Glas kostet meist 3 Cent, in einigen
Localen 10 Cent. Die Gläser sind von der Form und der Größe unsrer kleinen
Wassergläser. Einen solchen Tumbler füllt der Gast sich selbst ungefähr bis zum
8ten oder neu Theile mit dem vorgesetzten Getränk, und gießt nach Belieben Wasser
hinzu. Dabei wird wacker getritet und eben so wacker revanchirt. Nach,einem
Aufenthalte, der nicht viel mehr'Zeit in Anspruch nimmt, als das Einschenker,
das Austrittkett in einem Zuge und einige Worte über Geschäfte und Politik
erfordern, verläßt man dann stillschweigend das Local, um entweder den Ge¬
schäften nachzugehen, oder um die Operation in einem andern Larroom z»
wiederholen.

Die Gäste schlafen, sobald sie uicht in Begleitung von Damen sind, oder
sobald sie sich nicht eine besondere Lvgirstube ausbedungen haben, in einem ge-
meinschaftlichen Schlafzimmer, in welchem lange Reihen von Bettstellen, die oft
nur ans 2 Böcken bestehen, aufgestellt sind; über diese sind Gurte oder Lein-
wand ausgespannt, und auf letzteren liegt eine Matratze von ,Mo88"; zur Be¬
deckung dienen wollene Flauclldecken oder baumwollene Steppdecken.

Wie überhaupt der Amerikaner praktischer ist als der Deutsche, so ist er es
auch in der Wahl der Mittel, seinen Körper gegen den Einfluß der Wärme und
Kälte zu schützen. In Texas und in allen südlichen Staaten hat man Feder¬
betten nicht nöthig, oder man wendet sie nur in Krankheitsfällen an; dagegen
hat Jeder für die Nacht eine Auswahl von wollenen oder baumwollenen Decken,
so daß er nach der Temperatur der Lust die Dicke oder die Anzahl, die ihm


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[0298] wenn es in Deutschland wäre,, in seinen Einrichtungen sonderbar erscheinen könnte, auf einen Deutschen aber, der im Zwischendecke eines Anöwandererschiffes die See und nach der Landung andere fremdartige Schicksale passiren muß, keinen besondern Eindruck machte. Daher kaun ich mich nicht erinnern, daß ich früher jemals eine Sylbe darüber gesagt hätte, und erst jetzt, wo mich nur deutsche Gast¬ höfe umringen, fällt mir der Unterschied auf. Der amerikanische Gasthof hat zur ebenen Erde, wie ein öffentliches Ver- kaufslocal, sein unmittelbar auf die Straße ausmündendes Schenkzimmer, mit einem Schenktische (bar), dahinter verschiedene Flaschen und Gläser, mit verschie¬ denen Getränken angefüllt, wobei Brandy und Wasser die Hauptrollen spielen. Ueber dem Schänktische hängt eine Tafel mit der Aufschrift ,M eroclit", und nicht weit davon auf einem Nebentische liegt ein großes Buch, in welches die Schulden eingetragen werden; im Vordergrunde stehen einige Stühle, welche sich die Gäste nach Bedürfniß aus dem Speisezimmer hervorgeholt haben. Das Schenkzimmer oder der Zsrroom ist der Aufenthaltsort derjenigen Gäste, welche im Gasthause logiren, und die auch eigentlich nur allein von den Stühlen Ge> brauch machen, während die Trinkgäste an dem Bar herumstehen, und sich aus den Flaschen, die ihnen auf ihre» Wunsch von dem LarKoepsr gereicht werden, so viel zulangen, als sie wünschen. Jedes Glas kostet meist 3 Cent, in einigen Localen 10 Cent. Die Gläser sind von der Form und der Größe unsrer kleinen Wassergläser. Einen solchen Tumbler füllt der Gast sich selbst ungefähr bis zum 8ten oder neu Theile mit dem vorgesetzten Getränk, und gießt nach Belieben Wasser hinzu. Dabei wird wacker getritet und eben so wacker revanchirt. Nach,einem Aufenthalte, der nicht viel mehr'Zeit in Anspruch nimmt, als das Einschenker, das Austrittkett in einem Zuge und einige Worte über Geschäfte und Politik erfordern, verläßt man dann stillschweigend das Local, um entweder den Ge¬ schäften nachzugehen, oder um die Operation in einem andern Larroom z» wiederholen. Die Gäste schlafen, sobald sie uicht in Begleitung von Damen sind, oder sobald sie sich nicht eine besondere Lvgirstube ausbedungen haben, in einem ge- meinschaftlichen Schlafzimmer, in welchem lange Reihen von Bettstellen, die oft nur ans 2 Böcken bestehen, aufgestellt sind; über diese sind Gurte oder Lein- wand ausgespannt, und auf letzteren liegt eine Matratze von ,Mo88"; zur Be¬ deckung dienen wollene Flauclldecken oder baumwollene Steppdecken. Wie überhaupt der Amerikaner praktischer ist als der Deutsche, so ist er es auch in der Wahl der Mittel, seinen Körper gegen den Einfluß der Wärme und Kälte zu schützen. In Texas und in allen südlichen Staaten hat man Feder¬ betten nicht nöthig, oder man wendet sie nur in Krankheitsfällen an; dagegen hat Jeder für die Nacht eine Auswahl von wollenen oder baumwollenen Decken, so daß er nach der Temperatur der Lust die Dicke oder die Anzahl, die ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/298>, abgerufen am 27.09.2024.