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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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die Maschine zu Hilfe: sie blieb stehen und ich blieb sitzen. Bald stellte es
sich heraus, daß die Achse des einen Schaufelrades gebrochen war. Einige
Stunden suchte man nun den Schaden wieder gut zu machen; da dies aber nicht
gelang, so wurde bei Anbruch des folgenden Tages mit einem Schaufelrade weiter
gefahren.

Sogleich, nachdem das Dampfboot gelandet hatte, beeilte ich mich, einen in
Houston ansässigen Freund, deu ich auf der Reise von Deutschland nach Amerika
kennen gelernt hatte, auszusuchen, um ihn in Betreff der Fortsetzung meiner Reise
und des Boardiug und Lodging in Houston zu befragen. Nach einem kurzen
Aufenthalte begleitete mich mein Freund S. zurück uach dem Dampfboote, wo
mein Reisegefährte, der Horndrechsler, das Gepäck bewachte. Wir luden unsre
.Koffer aus eine zweiräderige Drap und bezogen das von S. uns empfohlene
Houston-House, wo wir nach amerikanischer Sitte Boarding und Lodgiug vorher
veraccordirteu, und 75 Cent ü, Person für den Tag festsetzten.

Da von der Zeit unsres Einzuges, etwa 10 Uhr Morgeus, bis zum Mittags-
essen noch einige Stunden todtgeschlagen werden mußten, so hielt es S. für
das Zweckmäßigste, mich zu "triten" lroal,, bewirthen) und mir zugleich bei¬
läufig Gelegenheit zu geben, einen gebildeten Deutschen, der in wenigen Jahren
ein tüchtiger Amerikaner geworden sei, kennen zu lernen. A. war der Wirth
einer Schenkstube, die mau in Amerika allgemein mit dem ehrbaren Name LxoKanKe
belegt. S. tritete mich mit einem Glase Ale, und dann der Wirth mit einem
Glase, ich weiß nicht mehr, ob mit Rothwein oder sonst Etwas u. s. s.; es ge¬
sellten sich sodann noch andere Deutsche und Amerikaner hinzu, vou denen jeder
die übrigen tritete, während sie von mir als Fremdling keine Erwiderung der
Bewirthung annahmen. Dabei entspann sich zwischen mir und dem Wirthe ein
Gespräch, das uns bald zu einander führte. A. hatte ungefähr in derselben Zeit,
als ich in Halle die Naturwissenschaften cultivirte, in Berlin Jura studirt, und
kannte so Manche von meinen Uuiversitätsfreunden, die entweder von Breslau
nach Halle, oder umgekehrt übergegangen waren; in Folge eines Duells, bei
welchem er sich betheiligt hatte, wurde er von Breslau relegirt, und da aus diese
Weise der Fortsetzung seiner Studien ein Hinderniß in den Weg gelegt war, so
-hatte er es für das Räthlichste gehalten, nach Amerika auszuwandern, vorher
aber sich mit seiner Braut zu verheirathen. Er versicherte mir, daß er in einem
Jahre 300 Dollars zurückgelegt habe, und daß er dieses Geld nächstens verwenden
wolle, um deu Grund zu einem Geschäfte, das ihm mehr zusagen würde, zu legen.
Als ich ein halbes Jahr später wiederum ans einer Reise Houston passirte, war
die Schenkstube geschlossen; A. hatte eine Mädchenschule gegründet; ich besuchte
ihn in seiner Wohnung und lernte seine Familie kennen: ein Bild vou häuslichem
Glück, gegründet auf Liebe, Thätigkeit und Bescheidenheit.

Das Houston-House war ein Gasthaus mittleren Ranges, welches vielleicht,


die Maschine zu Hilfe: sie blieb stehen und ich blieb sitzen. Bald stellte es
sich heraus, daß die Achse des einen Schaufelrades gebrochen war. Einige
Stunden suchte man nun den Schaden wieder gut zu machen; da dies aber nicht
gelang, so wurde bei Anbruch des folgenden Tages mit einem Schaufelrade weiter
gefahren.

Sogleich, nachdem das Dampfboot gelandet hatte, beeilte ich mich, einen in
Houston ansässigen Freund, deu ich auf der Reise von Deutschland nach Amerika
kennen gelernt hatte, auszusuchen, um ihn in Betreff der Fortsetzung meiner Reise
und des Boardiug und Lodging in Houston zu befragen. Nach einem kurzen
Aufenthalte begleitete mich mein Freund S. zurück uach dem Dampfboote, wo
mein Reisegefährte, der Horndrechsler, das Gepäck bewachte. Wir luden unsre
.Koffer aus eine zweiräderige Drap und bezogen das von S. uns empfohlene
Houston-House, wo wir nach amerikanischer Sitte Boarding und Lodgiug vorher
veraccordirteu, und 75 Cent ü, Person für den Tag festsetzten.

Da von der Zeit unsres Einzuges, etwa 10 Uhr Morgeus, bis zum Mittags-
essen noch einige Stunden todtgeschlagen werden mußten, so hielt es S. für
das Zweckmäßigste, mich zu „triten" lroal,, bewirthen) und mir zugleich bei¬
läufig Gelegenheit zu geben, einen gebildeten Deutschen, der in wenigen Jahren
ein tüchtiger Amerikaner geworden sei, kennen zu lernen. A. war der Wirth
einer Schenkstube, die mau in Amerika allgemein mit dem ehrbaren Name LxoKanKe
belegt. S. tritete mich mit einem Glase Ale, und dann der Wirth mit einem
Glase, ich weiß nicht mehr, ob mit Rothwein oder sonst Etwas u. s. s.; es ge¬
sellten sich sodann noch andere Deutsche und Amerikaner hinzu, vou denen jeder
die übrigen tritete, während sie von mir als Fremdling keine Erwiderung der
Bewirthung annahmen. Dabei entspann sich zwischen mir und dem Wirthe ein
Gespräch, das uns bald zu einander führte. A. hatte ungefähr in derselben Zeit,
als ich in Halle die Naturwissenschaften cultivirte, in Berlin Jura studirt, und
kannte so Manche von meinen Uuiversitätsfreunden, die entweder von Breslau
nach Halle, oder umgekehrt übergegangen waren; in Folge eines Duells, bei
welchem er sich betheiligt hatte, wurde er von Breslau relegirt, und da aus diese
Weise der Fortsetzung seiner Studien ein Hinderniß in den Weg gelegt war, so
-hatte er es für das Räthlichste gehalten, nach Amerika auszuwandern, vorher
aber sich mit seiner Braut zu verheirathen. Er versicherte mir, daß er in einem
Jahre 300 Dollars zurückgelegt habe, und daß er dieses Geld nächstens verwenden
wolle, um deu Grund zu einem Geschäfte, das ihm mehr zusagen würde, zu legen.
Als ich ein halbes Jahr später wiederum ans einer Reise Houston passirte, war
die Schenkstube geschlossen; A. hatte eine Mädchenschule gegründet; ich besuchte
ihn in seiner Wohnung und lernte seine Familie kennen: ein Bild vou häuslichem
Glück, gegründet auf Liebe, Thätigkeit und Bescheidenheit.

Das Houston-House war ein Gasthaus mittleren Ranges, welches vielleicht,


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[0297] die Maschine zu Hilfe: sie blieb stehen und ich blieb sitzen. Bald stellte es sich heraus, daß die Achse des einen Schaufelrades gebrochen war. Einige Stunden suchte man nun den Schaden wieder gut zu machen; da dies aber nicht gelang, so wurde bei Anbruch des folgenden Tages mit einem Schaufelrade weiter gefahren. Sogleich, nachdem das Dampfboot gelandet hatte, beeilte ich mich, einen in Houston ansässigen Freund, deu ich auf der Reise von Deutschland nach Amerika kennen gelernt hatte, auszusuchen, um ihn in Betreff der Fortsetzung meiner Reise und des Boardiug und Lodging in Houston zu befragen. Nach einem kurzen Aufenthalte begleitete mich mein Freund S. zurück uach dem Dampfboote, wo mein Reisegefährte, der Horndrechsler, das Gepäck bewachte. Wir luden unsre .Koffer aus eine zweiräderige Drap und bezogen das von S. uns empfohlene Houston-House, wo wir nach amerikanischer Sitte Boarding und Lodgiug vorher veraccordirteu, und 75 Cent ü, Person für den Tag festsetzten. Da von der Zeit unsres Einzuges, etwa 10 Uhr Morgeus, bis zum Mittags- essen noch einige Stunden todtgeschlagen werden mußten, so hielt es S. für das Zweckmäßigste, mich zu „triten" lroal,, bewirthen) und mir zugleich bei¬ läufig Gelegenheit zu geben, einen gebildeten Deutschen, der in wenigen Jahren ein tüchtiger Amerikaner geworden sei, kennen zu lernen. A. war der Wirth einer Schenkstube, die mau in Amerika allgemein mit dem ehrbaren Name LxoKanKe belegt. S. tritete mich mit einem Glase Ale, und dann der Wirth mit einem Glase, ich weiß nicht mehr, ob mit Rothwein oder sonst Etwas u. s. s.; es ge¬ sellten sich sodann noch andere Deutsche und Amerikaner hinzu, vou denen jeder die übrigen tritete, während sie von mir als Fremdling keine Erwiderung der Bewirthung annahmen. Dabei entspann sich zwischen mir und dem Wirthe ein Gespräch, das uns bald zu einander führte. A. hatte ungefähr in derselben Zeit, als ich in Halle die Naturwissenschaften cultivirte, in Berlin Jura studirt, und kannte so Manche von meinen Uuiversitätsfreunden, die entweder von Breslau nach Halle, oder umgekehrt übergegangen waren; in Folge eines Duells, bei welchem er sich betheiligt hatte, wurde er von Breslau relegirt, und da aus diese Weise der Fortsetzung seiner Studien ein Hinderniß in den Weg gelegt war, so -hatte er es für das Räthlichste gehalten, nach Amerika auszuwandern, vorher aber sich mit seiner Braut zu verheirathen. Er versicherte mir, daß er in einem Jahre 300 Dollars zurückgelegt habe, und daß er dieses Geld nächstens verwenden wolle, um deu Grund zu einem Geschäfte, das ihm mehr zusagen würde, zu legen. Als ich ein halbes Jahr später wiederum ans einer Reise Houston passirte, war die Schenkstube geschlossen; A. hatte eine Mädchenschule gegründet; ich besuchte ihn in seiner Wohnung und lernte seine Familie kennen: ein Bild vou häuslichem Glück, gegründet auf Liebe, Thätigkeit und Bescheidenheit. Das Houston-House war ein Gasthaus mittleren Ranges, welches vielleicht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/297>, abgerufen am 27.09.2024.