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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Beköstigung und ein besonderes, mit einem guten Bette ausgerüstetes Schlaf¬
zimmer, während man sich als Deckpassagier für 8 Dollars der Erlaubniß er¬
freute, im unteren Deck zwischen.Kisten, Säcken und Hunden ein Plätzchen auf-
zusuchen, daselbst die mitgenommenen Provisionen zu verzehren, und während der
Nacht, wenn man so glücklich war', eine unbesetzte Stelle zu finden, sich auf dem
harten Fußboden auszustrecken; aus besonderer Zuneigung ließ mich wol der
gelbe Cajntenkoch diesem oder jenem Deckpassagier einige Tassen heißes Wasser,
oder von den Ueberbleibseln der Cajütentafel eine süße Kartoffel zukommen; das
contractmäßige Boardiug bestand aber in kaltem Trinkwasser, wovon man so viel
nehmen durfte, als man wollte.

Die Passagiere waren meist Californienfahrer, welche beabsichtigten, znerst
von New-Orleans nach Galveston, von da wiederum mit Dampfschiff nach Jndia-
nöla und hierauf zu Lande nach San Antonio zu gehen, um mit einer daselbst
zusammenkommenden Gesellschaft die beschwerliche Landreise zu. unternehmen. Die
Meisten warm Amerikaner, d. h. in Amerika geborene, englisch sprechende Weiße,
doch waren auch einige Deutsche und französische Creolen nnter der Zahl. Nach¬
mittags vier Uhr verließen wir den Hafen von New-Orleans, jenen Wald von
Masten und Schornsteinen, und hatten den andern Morgen, als wir von unsren
Lagern aufstanden, den Mississippi im Rücken und das Festland an der rechten
Seite, aber zu fern, als daß wir es mit bloßen Augen unterscheiden konnten.
Die Entfernung von New-Orleans bis zur Mündung des Mississippi, dem
Balize, wird 110 engl. Meilen gerechnet, und von da bis Galveston 360 ; da
nnn die Geschwindigkeit eines Dampfschiffes im Durchschnitt 10 engl. Meilen in
der Stunde beträgt, so hätten wir in 47 Stunden unsren Weg zurücklegen können.
Unsre Ankunft in Galveston wurde aber durch einen am dritten Nachmittage
eintretenden starken Nebel verzögert, so daß wir nur wenige Meilen von Galveston
entfernt, um uicht etwa auf Sandbänke zu gerathen, Anker werfen mußten; erst
am 24. Februar, Morgens 11 Uhr, konnten wir landen.

Von den verschiedenen Elementen, ans denen die Deck-Reisegesellschaft
bestand, zeigte nur ein Deutscher einige Verwandtschaft zu mir. Er hatte sich
2V2 Jahre in New-Orleans aufgehalten, sprach aber dessen ungeachtet noch gar
uicht englisch -- ein Umstand, der darin seine Erklärung fand, daß er sich früher
durch einen längern Aufenthalt in Paris eine ziemliche Fertigkeit im Gebrauche der
französischen Sprache angeeignet, und in New-Orleans, wo man fast mehr fran¬
zösisch als englisch spricht, das Bedürfniß einer andern Sprache nicht gefühlt
hatte. Seiner Profession nach war er Horndrechsler, hatte sich aber während
seines Aufenthaltes in Amerika ans Mangel an hinlänglicher Beschäftigung in
manchen anderen Arbeiten versucht, indeß im Ganzen mehr verloren als erworben.
Dieser blieb mein Neisefährte bis in das Innere des Landes. Außer ihm suchte
sich noch ein anderer Deutschet, der früher in Deutschland Kaufmann, dann aber


Beköstigung und ein besonderes, mit einem guten Bette ausgerüstetes Schlaf¬
zimmer, während man sich als Deckpassagier für 8 Dollars der Erlaubniß er¬
freute, im unteren Deck zwischen.Kisten, Säcken und Hunden ein Plätzchen auf-
zusuchen, daselbst die mitgenommenen Provisionen zu verzehren, und während der
Nacht, wenn man so glücklich war', eine unbesetzte Stelle zu finden, sich auf dem
harten Fußboden auszustrecken; aus besonderer Zuneigung ließ mich wol der
gelbe Cajntenkoch diesem oder jenem Deckpassagier einige Tassen heißes Wasser,
oder von den Ueberbleibseln der Cajütentafel eine süße Kartoffel zukommen; das
contractmäßige Boardiug bestand aber in kaltem Trinkwasser, wovon man so viel
nehmen durfte, als man wollte.

Die Passagiere waren meist Californienfahrer, welche beabsichtigten, znerst
von New-Orleans nach Galveston, von da wiederum mit Dampfschiff nach Jndia-
nöla und hierauf zu Lande nach San Antonio zu gehen, um mit einer daselbst
zusammenkommenden Gesellschaft die beschwerliche Landreise zu. unternehmen. Die
Meisten warm Amerikaner, d. h. in Amerika geborene, englisch sprechende Weiße,
doch waren auch einige Deutsche und französische Creolen nnter der Zahl. Nach¬
mittags vier Uhr verließen wir den Hafen von New-Orleans, jenen Wald von
Masten und Schornsteinen, und hatten den andern Morgen, als wir von unsren
Lagern aufstanden, den Mississippi im Rücken und das Festland an der rechten
Seite, aber zu fern, als daß wir es mit bloßen Augen unterscheiden konnten.
Die Entfernung von New-Orleans bis zur Mündung des Mississippi, dem
Balize, wird 110 engl. Meilen gerechnet, und von da bis Galveston 360 ; da
nnn die Geschwindigkeit eines Dampfschiffes im Durchschnitt 10 engl. Meilen in
der Stunde beträgt, so hätten wir in 47 Stunden unsren Weg zurücklegen können.
Unsre Ankunft in Galveston wurde aber durch einen am dritten Nachmittage
eintretenden starken Nebel verzögert, so daß wir nur wenige Meilen von Galveston
entfernt, um uicht etwa auf Sandbänke zu gerathen, Anker werfen mußten; erst
am 24. Februar, Morgens 11 Uhr, konnten wir landen.

Von den verschiedenen Elementen, ans denen die Deck-Reisegesellschaft
bestand, zeigte nur ein Deutscher einige Verwandtschaft zu mir. Er hatte sich
2V2 Jahre in New-Orleans aufgehalten, sprach aber dessen ungeachtet noch gar
uicht englisch — ein Umstand, der darin seine Erklärung fand, daß er sich früher
durch einen längern Aufenthalt in Paris eine ziemliche Fertigkeit im Gebrauche der
französischen Sprache angeeignet, und in New-Orleans, wo man fast mehr fran¬
zösisch als englisch spricht, das Bedürfniß einer andern Sprache nicht gefühlt
hatte. Seiner Profession nach war er Horndrechsler, hatte sich aber während
seines Aufenthaltes in Amerika ans Mangel an hinlänglicher Beschäftigung in
manchen anderen Arbeiten versucht, indeß im Ganzen mehr verloren als erworben.
Dieser blieb mein Neisefährte bis in das Innere des Landes. Außer ihm suchte
sich noch ein anderer Deutschet, der früher in Deutschland Kaufmann, dann aber


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[0295] Beköstigung und ein besonderes, mit einem guten Bette ausgerüstetes Schlaf¬ zimmer, während man sich als Deckpassagier für 8 Dollars der Erlaubniß er¬ freute, im unteren Deck zwischen.Kisten, Säcken und Hunden ein Plätzchen auf- zusuchen, daselbst die mitgenommenen Provisionen zu verzehren, und während der Nacht, wenn man so glücklich war', eine unbesetzte Stelle zu finden, sich auf dem harten Fußboden auszustrecken; aus besonderer Zuneigung ließ mich wol der gelbe Cajntenkoch diesem oder jenem Deckpassagier einige Tassen heißes Wasser, oder von den Ueberbleibseln der Cajütentafel eine süße Kartoffel zukommen; das contractmäßige Boardiug bestand aber in kaltem Trinkwasser, wovon man so viel nehmen durfte, als man wollte. Die Passagiere waren meist Californienfahrer, welche beabsichtigten, znerst von New-Orleans nach Galveston, von da wiederum mit Dampfschiff nach Jndia- nöla und hierauf zu Lande nach San Antonio zu gehen, um mit einer daselbst zusammenkommenden Gesellschaft die beschwerliche Landreise zu. unternehmen. Die Meisten warm Amerikaner, d. h. in Amerika geborene, englisch sprechende Weiße, doch waren auch einige Deutsche und französische Creolen nnter der Zahl. Nach¬ mittags vier Uhr verließen wir den Hafen von New-Orleans, jenen Wald von Masten und Schornsteinen, und hatten den andern Morgen, als wir von unsren Lagern aufstanden, den Mississippi im Rücken und das Festland an der rechten Seite, aber zu fern, als daß wir es mit bloßen Augen unterscheiden konnten. Die Entfernung von New-Orleans bis zur Mündung des Mississippi, dem Balize, wird 110 engl. Meilen gerechnet, und von da bis Galveston 360 ; da nnn die Geschwindigkeit eines Dampfschiffes im Durchschnitt 10 engl. Meilen in der Stunde beträgt, so hätten wir in 47 Stunden unsren Weg zurücklegen können. Unsre Ankunft in Galveston wurde aber durch einen am dritten Nachmittage eintretenden starken Nebel verzögert, so daß wir nur wenige Meilen von Galveston entfernt, um uicht etwa auf Sandbänke zu gerathen, Anker werfen mußten; erst am 24. Februar, Morgens 11 Uhr, konnten wir landen. Von den verschiedenen Elementen, ans denen die Deck-Reisegesellschaft bestand, zeigte nur ein Deutscher einige Verwandtschaft zu mir. Er hatte sich 2V2 Jahre in New-Orleans aufgehalten, sprach aber dessen ungeachtet noch gar uicht englisch — ein Umstand, der darin seine Erklärung fand, daß er sich früher durch einen längern Aufenthalt in Paris eine ziemliche Fertigkeit im Gebrauche der französischen Sprache angeeignet, und in New-Orleans, wo man fast mehr fran¬ zösisch als englisch spricht, das Bedürfniß einer andern Sprache nicht gefühlt hatte. Seiner Profession nach war er Horndrechsler, hatte sich aber während seines Aufenthaltes in Amerika ans Mangel an hinlänglicher Beschäftigung in manchen anderen Arbeiten versucht, indeß im Ganzen mehr verloren als erworben. Dieser blieb mein Neisefährte bis in das Innere des Landes. Außer ihm suchte sich noch ein anderer Deutschet, der früher in Deutschland Kaufmann, dann aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/295>, abgerufen am 27.09.2024.