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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Die Umgebungen Nürnbergs sind von keiner hervorragenden, landschaftlichen
Schönheit; zwar erblickt man von den Promenaden die blauen Berge, welche den
Saum des Horizontes umziehen. Sie sind jedoch zu weit entfernt und nicht hoch
genug, um einen wirksamen Eindruck zu erzeugen. Gleichwol bietet z. B. der

, Blick von der Burg hinab, der bis zu ihnen hin über eine fruchtbare Ebene und
die dunkeln Massen des Stadtwaldes schweift, ein ganz angenehmes Bild. In
der nächsten Nähe hat die Stadt einige sehr hübsche Vergnügungsorte und An¬
lagen, wie unter anderen die Haberwicse, welche an der Westseite sich am rechten
Ufer der Pegnitz hinzieht, die hier, ein ganz stattlicher Fluß, ihre trüben, gelb¬
lichen Wasser langsam dahinfließen läßt. Die sehr alten Bäume sollen zum Theil
schon 1484 gepflanzt worden sein. Der beliebteste Lustort der Nürnberger aber
ist die Rosenau; dieselbe liegt dicht an der Stadt an der südwestlichen Ecke der
Ringmauer, und besteht in einer schönen, parkähnlichen Anlage, die in einem
Thalgrunde neben einem großen Wasserbassin gelegen ist. Hier versammelt sich
des Abends die feine Welt, um sich von der bayerischen Militairmusik Garten¬
concerte geben zu lasse", Bier zu trinken, -- denn dies thun fast durchgehends
auch die Damen -- und sich an der buntfarbigen Illumination, womit die Estrade
des Orchesters geziert wird, zu erfreuen. Nebenbei läßt man öfters Raketen und

'Schwärmer in die Lust steigen, wie denn überhaupt die Nürnberger für Feuer-
werke passionirt scheinen. Am letzten Abend meines Aufenthaltes wurde ein wirk¬
lich sehr splendides in einem Garten gegeben, der unmittelbar der Rosenau gegen¬
über am innern Rande des Stadtgrabens liegt und einer geschlossenen Gesellschaft
gehört. Eine große Menschenmasse füllte den äußern Fahrweg. Der helle Mond¬
schein fiel ans die spitzen Dächer, auf die verwitterten Mauern und alterthümlichen
Festungsthürme, und vermischte sein sanftes Licht mit den grelleren Strahlen,
welche die Leuchtkugeln warfen, die von Zeit zu Zeit den kühn aufsteigenden
Raketen entfielen. Aus dem Grunde der Rosenau tönten die italienischen Melo¬
dien des Orchesters herauf, die buntfarbigen Lampen schimmerten durch die
Bäume, und zuweilen zischten auch von dort Raketen und Schwärmer in den
dunkeln Nachthimmel. Dieses fröhliche Leben in dem pittoresken Nahmen der
alten Mauern, die eine denkwürdige, für immer zu Grabe getragene Vorzeit in
die Seele rufen, das Alles in dem magischen Doppellicht des Mondes und der
künstlichen Sterne, die unaufhörlich auftauchten und verschwanden, gewährte ein
eigenthümlich reizvolles Bild, das nur zu erzeugen ist, wo so wirksame Contraste
einander begegnen.

Eigentliche Promenaden in dem Sinne wie Leipzig, Frankfurt oder Breslau
besitzt Nürnberg nicht; es hat seine Mauern behalten, deren Abtragung in jenen
Städten diese Anlagen hervorrief, und ist nicht rings von zusammenhängenden Vor¬
städten umgeben, die das Bedürfniß derartiger Anlagen inmitten der Stadtbezirke
fühlbar machen konnten. Seine sogenannten Vorstädte, die vor einigen seiner


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Die Umgebungen Nürnbergs sind von keiner hervorragenden, landschaftlichen
Schönheit; zwar erblickt man von den Promenaden die blauen Berge, welche den
Saum des Horizontes umziehen. Sie sind jedoch zu weit entfernt und nicht hoch
genug, um einen wirksamen Eindruck zu erzeugen. Gleichwol bietet z. B. der

, Blick von der Burg hinab, der bis zu ihnen hin über eine fruchtbare Ebene und
die dunkeln Massen des Stadtwaldes schweift, ein ganz angenehmes Bild. In
der nächsten Nähe hat die Stadt einige sehr hübsche Vergnügungsorte und An¬
lagen, wie unter anderen die Haberwicse, welche an der Westseite sich am rechten
Ufer der Pegnitz hinzieht, die hier, ein ganz stattlicher Fluß, ihre trüben, gelb¬
lichen Wasser langsam dahinfließen läßt. Die sehr alten Bäume sollen zum Theil
schon 1484 gepflanzt worden sein. Der beliebteste Lustort der Nürnberger aber
ist die Rosenau; dieselbe liegt dicht an der Stadt an der südwestlichen Ecke der
Ringmauer, und besteht in einer schönen, parkähnlichen Anlage, die in einem
Thalgrunde neben einem großen Wasserbassin gelegen ist. Hier versammelt sich
des Abends die feine Welt, um sich von der bayerischen Militairmusik Garten¬
concerte geben zu lasse», Bier zu trinken, — denn dies thun fast durchgehends
auch die Damen — und sich an der buntfarbigen Illumination, womit die Estrade
des Orchesters geziert wird, zu erfreuen. Nebenbei läßt man öfters Raketen und

'Schwärmer in die Lust steigen, wie denn überhaupt die Nürnberger für Feuer-
werke passionirt scheinen. Am letzten Abend meines Aufenthaltes wurde ein wirk¬
lich sehr splendides in einem Garten gegeben, der unmittelbar der Rosenau gegen¬
über am innern Rande des Stadtgrabens liegt und einer geschlossenen Gesellschaft
gehört. Eine große Menschenmasse füllte den äußern Fahrweg. Der helle Mond¬
schein fiel ans die spitzen Dächer, auf die verwitterten Mauern und alterthümlichen
Festungsthürme, und vermischte sein sanftes Licht mit den grelleren Strahlen,
welche die Leuchtkugeln warfen, die von Zeit zu Zeit den kühn aufsteigenden
Raketen entfielen. Aus dem Grunde der Rosenau tönten die italienischen Melo¬
dien des Orchesters herauf, die buntfarbigen Lampen schimmerten durch die
Bäume, und zuweilen zischten auch von dort Raketen und Schwärmer in den
dunkeln Nachthimmel. Dieses fröhliche Leben in dem pittoresken Nahmen der
alten Mauern, die eine denkwürdige, für immer zu Grabe getragene Vorzeit in
die Seele rufen, das Alles in dem magischen Doppellicht des Mondes und der
künstlichen Sterne, die unaufhörlich auftauchten und verschwanden, gewährte ein
eigenthümlich reizvolles Bild, das nur zu erzeugen ist, wo so wirksame Contraste
einander begegnen.

Eigentliche Promenaden in dem Sinne wie Leipzig, Frankfurt oder Breslau
besitzt Nürnberg nicht; es hat seine Mauern behalten, deren Abtragung in jenen
Städten diese Anlagen hervorrief, und ist nicht rings von zusammenhängenden Vor¬
städten umgeben, die das Bedürfniß derartiger Anlagen inmitten der Stadtbezirke
fühlbar machen konnten. Seine sogenannten Vorstädte, die vor einigen seiner


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[0269] Die Umgebungen Nürnbergs sind von keiner hervorragenden, landschaftlichen Schönheit; zwar erblickt man von den Promenaden die blauen Berge, welche den Saum des Horizontes umziehen. Sie sind jedoch zu weit entfernt und nicht hoch genug, um einen wirksamen Eindruck zu erzeugen. Gleichwol bietet z. B. der , Blick von der Burg hinab, der bis zu ihnen hin über eine fruchtbare Ebene und die dunkeln Massen des Stadtwaldes schweift, ein ganz angenehmes Bild. In der nächsten Nähe hat die Stadt einige sehr hübsche Vergnügungsorte und An¬ lagen, wie unter anderen die Haberwicse, welche an der Westseite sich am rechten Ufer der Pegnitz hinzieht, die hier, ein ganz stattlicher Fluß, ihre trüben, gelb¬ lichen Wasser langsam dahinfließen läßt. Die sehr alten Bäume sollen zum Theil schon 1484 gepflanzt worden sein. Der beliebteste Lustort der Nürnberger aber ist die Rosenau; dieselbe liegt dicht an der Stadt an der südwestlichen Ecke der Ringmauer, und besteht in einer schönen, parkähnlichen Anlage, die in einem Thalgrunde neben einem großen Wasserbassin gelegen ist. Hier versammelt sich des Abends die feine Welt, um sich von der bayerischen Militairmusik Garten¬ concerte geben zu lasse», Bier zu trinken, — denn dies thun fast durchgehends auch die Damen — und sich an der buntfarbigen Illumination, womit die Estrade des Orchesters geziert wird, zu erfreuen. Nebenbei läßt man öfters Raketen und 'Schwärmer in die Lust steigen, wie denn überhaupt die Nürnberger für Feuer- werke passionirt scheinen. Am letzten Abend meines Aufenthaltes wurde ein wirk¬ lich sehr splendides in einem Garten gegeben, der unmittelbar der Rosenau gegen¬ über am innern Rande des Stadtgrabens liegt und einer geschlossenen Gesellschaft gehört. Eine große Menschenmasse füllte den äußern Fahrweg. Der helle Mond¬ schein fiel ans die spitzen Dächer, auf die verwitterten Mauern und alterthümlichen Festungsthürme, und vermischte sein sanftes Licht mit den grelleren Strahlen, welche die Leuchtkugeln warfen, die von Zeit zu Zeit den kühn aufsteigenden Raketen entfielen. Aus dem Grunde der Rosenau tönten die italienischen Melo¬ dien des Orchesters herauf, die buntfarbigen Lampen schimmerten durch die Bäume, und zuweilen zischten auch von dort Raketen und Schwärmer in den dunkeln Nachthimmel. Dieses fröhliche Leben in dem pittoresken Nahmen der alten Mauern, die eine denkwürdige, für immer zu Grabe getragene Vorzeit in die Seele rufen, das Alles in dem magischen Doppellicht des Mondes und der künstlichen Sterne, die unaufhörlich auftauchten und verschwanden, gewährte ein eigenthümlich reizvolles Bild, das nur zu erzeugen ist, wo so wirksame Contraste einander begegnen. Eigentliche Promenaden in dem Sinne wie Leipzig, Frankfurt oder Breslau besitzt Nürnberg nicht; es hat seine Mauern behalten, deren Abtragung in jenen Städten diese Anlagen hervorrief, und ist nicht rings von zusammenhängenden Vor¬ städten umgeben, die das Bedürfniß derartiger Anlagen inmitten der Stadtbezirke fühlbar machen konnten. Seine sogenannten Vorstädte, die vor einigen seiner 33*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/269>, abgerufen am 28.09.2024.