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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Mann und schickt jenen Aufseher wieder herbei, damit er den Beitrag
in Empsaiig nehme. Man giebt ein Zweignldenstück und erhält den Paß. Das
ist I^po^e.

Die Profitka ist eine andere ärmliche Thätigkeit, welche sich allerdings
vorzugsweise auf das Heer und große Anstalten beschränkt, aber sie
ist dafür viel erhabener. Damit will ich nicht sagen, daß das l^povo immer
nur den kleinlichen Inhalt von einigen Gulden habe. Aber die Profitka steigt nie
zu der Kleinheit des I^xovs herab, welches in Pfennigen endet, da wo die
Stufenleiter des Bcamtenstandes sehr nahe beim gemeinen Bettlcrthum zu Ende
geht.

Nach einem kaiserlichen Ukas vom Jahre 1832, d. i. nach dem russischen
Gesetz, muß jedes Geschäft, welches von Privatpersonen für Staatszwecke auszu¬
führen ist, durch Licitation vergeben werden. Die Arbeiten für Staatszwecke sind
aber oft von bedeutendem Umfang, lassen daher auf großen Gewinn hoffen, und brin¬
gen dem Unternehmer außerdem Aussicht auf mauche Begünstigung in seiner
bürgerlichen Stellung und schmeichelhafte Ehrenbewcise. Daher ist der Zudrang
zu deu Licitationen immer sehr stark; doch liegt es in der Natur der Sache, daß
die Concurrenten vorzugsweise Juden und Deutsche sind. In Rußland kommt es
bisweilen vor, daß sich Edelleute, welche Güter besitzen und in der betreffenden
Sache zugleich als Producenten agiren können, in den Schwarm der Bewerber
mengen; in Polen geschieht dies nur selten.

Die Jagd nach Entreprisen beginnt aber lange vor der Licitation, ja die
Vorbereitungen sind viel wichtiger als der Licitationsact.

Kaum ist es bekannt geworden, daß die oder jene Entreprise zur Licitation
kommt, so zerbrechen sich die Bewerber sammt und sonders den Kopf, nicht wie
weit sie bei der Versteigerung hinaus oder hinab gehen wollen, sondern wie es
möglich ist, der würdigen Autorität beizukommen, welche den Zuschlag ertheilt.
Diese ist in der Regel ein Staatsrath oder General. Bei dem Festungswesen ist
es der General des Jngenieurcorps, bei Staatsamtsbauten der Chef der Schätz¬
commission, oder, der Generalbaudirector u. s. w. In den Provinzen ertheilte sonst
wenigstens bei Staatsbanten aller Art, Lieferungen sür's Heer :c., der Gubernator
den Zuschlag. Beamten dieser Grade ist nicht immer leicht beizukommen, wenig¬
stens erfordert das einiges Geschick. Der deutsche Bewerber wählt den Weg der
Empfehlung, geht zuerst zum Herrn Kreiscommissar und bittet diesen,
daß er ihn dem Herrn Vicepräsident empfehle und zuführe. Ist dies geschehen,
so bittet er den Vicepräsidenten in irgend einer fingirten Angelegenheit, daß er
ihn dem Präsidenten empfehlen und zuführe, den Präsidenten bittet er, ihn dem
Polizeimeister zu empfehlen, und kräftigt jede Bitte durch irgend ein passendes
Geschenk aus seinem Geschäft. Endlich durch Fürsprache von Stufe zu Stufe
emporgekrochen, langt der Schuft im Cabinet des Gesuchten an, und sucht


Mann und schickt jenen Aufseher wieder herbei, damit er den Beitrag
in Empsaiig nehme. Man giebt ein Zweignldenstück und erhält den Paß. Das
ist I^po^e.

Die Profitka ist eine andere ärmliche Thätigkeit, welche sich allerdings
vorzugsweise auf das Heer und große Anstalten beschränkt, aber sie
ist dafür viel erhabener. Damit will ich nicht sagen, daß das l^povo immer
nur den kleinlichen Inhalt von einigen Gulden habe. Aber die Profitka steigt nie
zu der Kleinheit des I^xovs herab, welches in Pfennigen endet, da wo die
Stufenleiter des Bcamtenstandes sehr nahe beim gemeinen Bettlcrthum zu Ende
geht.

Nach einem kaiserlichen Ukas vom Jahre 1832, d. i. nach dem russischen
Gesetz, muß jedes Geschäft, welches von Privatpersonen für Staatszwecke auszu¬
führen ist, durch Licitation vergeben werden. Die Arbeiten für Staatszwecke sind
aber oft von bedeutendem Umfang, lassen daher auf großen Gewinn hoffen, und brin¬
gen dem Unternehmer außerdem Aussicht auf mauche Begünstigung in seiner
bürgerlichen Stellung und schmeichelhafte Ehrenbewcise. Daher ist der Zudrang
zu deu Licitationen immer sehr stark; doch liegt es in der Natur der Sache, daß
die Concurrenten vorzugsweise Juden und Deutsche sind. In Rußland kommt es
bisweilen vor, daß sich Edelleute, welche Güter besitzen und in der betreffenden
Sache zugleich als Producenten agiren können, in den Schwarm der Bewerber
mengen; in Polen geschieht dies nur selten.

Die Jagd nach Entreprisen beginnt aber lange vor der Licitation, ja die
Vorbereitungen sind viel wichtiger als der Licitationsact.

Kaum ist es bekannt geworden, daß die oder jene Entreprise zur Licitation
kommt, so zerbrechen sich die Bewerber sammt und sonders den Kopf, nicht wie
weit sie bei der Versteigerung hinaus oder hinab gehen wollen, sondern wie es
möglich ist, der würdigen Autorität beizukommen, welche den Zuschlag ertheilt.
Diese ist in der Regel ein Staatsrath oder General. Bei dem Festungswesen ist
es der General des Jngenieurcorps, bei Staatsamtsbauten der Chef der Schätz¬
commission, oder, der Generalbaudirector u. s. w. In den Provinzen ertheilte sonst
wenigstens bei Staatsbanten aller Art, Lieferungen sür's Heer :c., der Gubernator
den Zuschlag. Beamten dieser Grade ist nicht immer leicht beizukommen, wenig¬
stens erfordert das einiges Geschick. Der deutsche Bewerber wählt den Weg der
Empfehlung, geht zuerst zum Herrn Kreiscommissar und bittet diesen,
daß er ihn dem Herrn Vicepräsident empfehle und zuführe. Ist dies geschehen,
so bittet er den Vicepräsidenten in irgend einer fingirten Angelegenheit, daß er
ihn dem Präsidenten empfehlen und zuführe, den Präsidenten bittet er, ihn dem
Polizeimeister zu empfehlen, und kräftigt jede Bitte durch irgend ein passendes
Geschenk aus seinem Geschäft. Endlich durch Fürsprache von Stufe zu Stufe
emporgekrochen, langt der Schuft im Cabinet des Gesuchten an, und sucht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/262>, abgerufen am 20.10.2024.