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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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gemeinsam die versprochene Hauptschlacht zu liefern. Daß Napoleon in der ihm
eigenen hochmüthigen Unterschätzung seiner Feinde an eine solche Möglichkeit gar
nicht gedacht hat, ist der Hauptgrund, daß er die Schlacht ohn Waterloo so
total verloren hat. Was Napoleon auch hier wieder in seinen Memoiren
über einen Grouchy ertheilten Befehl sagt, sich zwischen Blücher und Wellington
zu werfen, wird schon durch die Depesche Soult's an Ney vom 17. aus Fleurus
widerlegt, worin mitgetheilt wird, daß die Verfolgung auf den beiden Straßen
von Gembloux und Namur angeordnet sei. Zur Verfolgung waren Grouchy.
33,000 Mann untergeben, nämlich die Corps von Gerard und Vandamme, die
Diviston Teste, und die Cavallerie von Exelmans und Pajol. Die beiden Letzteren
waren schon früh gegen Namur und Gembloux aufgebrochen, aber die übrigen
Corps standen so weit zerstreut, daß sie Grouchy erst gegen Abend bei Point
dn jour vereinigen konnte. Wegen der grundlos schlechten Wege, denn ein
heftiges Gewitter hatte die ganze Nacht hindurch getobt, und der Re.geu den
fetten flandrischen Boden in Sumpf verwandelt, konnte auch Grouchy erst Nachts
10 Uhr Gembloux erreichen, wo er Halt macheu mußte. Ueberhaupt ließ sich
eine besondere Energie oder große Erfolge bei dem Verfolgen nicht erwarten;
zum Erstern fehlte es den Truppen an der nöthigen Frische; was sich am meisten
erholt hatte, mußte der Natur der Sache nach gegen den noch ungeschwächten
Wellington verwendet werden, während Grouchy's Mannschaften zum großen
Theil bis Abends zehn Uhr im Feuer gestanden hatten; hinsichtlich des Zweiten
ist zu berücksichtigen, daß die Preußen, durch Napoleon's Zögern bereits einen
bedeutenden Vorsprung hatten, und daß sie zwar geschlagen, aber vom besten
Geiste beseelt, zwar um ein Sechstel vermindert, aber in keiner Weise zer¬
rüttet waren.

Während nnn Napoleon Blücher wenigstens für die nächsten Tage abgethan
glaubte, wendete er sich mit den ihm noch übrigen 30000 Mann zu Ney und
rückte mit 72000 Mann auf der Brüsseler Straße dem langsam sich zurückziehen¬
den Wellington nach, der gegen Abend des 17. mit 68000 Mann eine Stellung
vor der Waldung von Sogue nahm. Die schlechten Wege und aufgeweichten
Felder hatten jedes lebhafte Drängen unmöglich gemacht, da an ein Manövriren
neben der Chaussee nicht zu deuten war, und die Ermüdung der Truppen in Folge
des anstrengenden Marsches und des den ganzen Tag niederströmendeu Regens
verbot jeden Angriff für diesen Tag.

Unsre Betrachtungen über die Schlacht von Waterloo, das Gefecht von
Wavre müssen wir auf einen zweiten Artikel aufsparen.




Grenzboten. IV.32

gemeinsam die versprochene Hauptschlacht zu liefern. Daß Napoleon in der ihm
eigenen hochmüthigen Unterschätzung seiner Feinde an eine solche Möglichkeit gar
nicht gedacht hat, ist der Hauptgrund, daß er die Schlacht ohn Waterloo so
total verloren hat. Was Napoleon auch hier wieder in seinen Memoiren
über einen Grouchy ertheilten Befehl sagt, sich zwischen Blücher und Wellington
zu werfen, wird schon durch die Depesche Soult's an Ney vom 17. aus Fleurus
widerlegt, worin mitgetheilt wird, daß die Verfolgung auf den beiden Straßen
von Gembloux und Namur angeordnet sei. Zur Verfolgung waren Grouchy.
33,000 Mann untergeben, nämlich die Corps von Gerard und Vandamme, die
Diviston Teste, und die Cavallerie von Exelmans und Pajol. Die beiden Letzteren
waren schon früh gegen Namur und Gembloux aufgebrochen, aber die übrigen
Corps standen so weit zerstreut, daß sie Grouchy erst gegen Abend bei Point
dn jour vereinigen konnte. Wegen der grundlos schlechten Wege, denn ein
heftiges Gewitter hatte die ganze Nacht hindurch getobt, und der Re.geu den
fetten flandrischen Boden in Sumpf verwandelt, konnte auch Grouchy erst Nachts
10 Uhr Gembloux erreichen, wo er Halt macheu mußte. Ueberhaupt ließ sich
eine besondere Energie oder große Erfolge bei dem Verfolgen nicht erwarten;
zum Erstern fehlte es den Truppen an der nöthigen Frische; was sich am meisten
erholt hatte, mußte der Natur der Sache nach gegen den noch ungeschwächten
Wellington verwendet werden, während Grouchy's Mannschaften zum großen
Theil bis Abends zehn Uhr im Feuer gestanden hatten; hinsichtlich des Zweiten
ist zu berücksichtigen, daß die Preußen, durch Napoleon's Zögern bereits einen
bedeutenden Vorsprung hatten, und daß sie zwar geschlagen, aber vom besten
Geiste beseelt, zwar um ein Sechstel vermindert, aber in keiner Weise zer¬
rüttet waren.

Während nnn Napoleon Blücher wenigstens für die nächsten Tage abgethan
glaubte, wendete er sich mit den ihm noch übrigen 30000 Mann zu Ney und
rückte mit 72000 Mann auf der Brüsseler Straße dem langsam sich zurückziehen¬
den Wellington nach, der gegen Abend des 17. mit 68000 Mann eine Stellung
vor der Waldung von Sogue nahm. Die schlechten Wege und aufgeweichten
Felder hatten jedes lebhafte Drängen unmöglich gemacht, da an ein Manövriren
neben der Chaussee nicht zu deuten war, und die Ermüdung der Truppen in Folge
des anstrengenden Marsches und des den ganzen Tag niederströmendeu Regens
verbot jeden Angriff für diesen Tag.

Unsre Betrachtungen über die Schlacht von Waterloo, das Gefecht von
Wavre müssen wir auf einen zweiten Artikel aufsparen.




Grenzboten. IV.32
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/259>, abgerufen am 27.09.2024.