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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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derselben stehenden Truppen boten der hinter Fleurus aufgepflanzten Artillerie eine
sichere Zielscheibe, und jedes zur Unterstützung der Truppen in den ^Dörfern heran¬
rückende Bataillon konnte den Marsch nnr unter einem sehr mörderischen Feuer machen.
Nach englischen Quellen soll Wellington.den Fürsten Blücher auf diese Mängel auf¬
merksam gemacht, aber die Antwort erhalten haben, daß preußische Truppen deu
zu bekämpfenden Feind zu sehen liebten. Was die Qualität der Truppen betrifft,
so waren die Preußen zwar voll Kriegsfcuer, aber was kriegserfahren war, hatte
doch nnr zwei Feldzüge gemacht, und ein großer Theil bestand aus neuen For¬
mationen, die noch gar kein Feuer gesehen hatten; Napoleon's Armee von
war dagegen eine der besten, die er jemals gehabt hat, denn er hatte sie durch
die zahlreichen in Folge des Pariser Friedens zurückgekehrten Gefangenen ver¬
stärkt. Die französische Artillerie war an Zahl geringer, aber der preußischen in
der Ausbildung und außerdem durch den Vortheil der Stellung überlegen.

Auf die taktischen Einzelnheiten der Schlacht können wir hier nicht eingehen,
und es genügt auch zum Zweck unsrer Darstellung vollkommen, wenn wir nur
die allgemeinen Züge angeben. Der Hauptaugriff Napoleon's richtet sich zuerst
gegen die Dörfer Se. Amand, die Verbindung mit Wellington bedrohend. Die
Dörfer werden hartnäckig vertheidigt, gehen verloren, und werden wieder genommen;
da aber die zur Unterstützung herzueileuden Preußen auf ihren Anmarsch das feind¬
liche Kauoneufeuer aushalten müssen, kommen sie immer schon etwas gelockert an den
Feind, der ihnen ohnedies durch sein angebornes Talent sür den leicktcn Truppeudienst
im Dvrfgefecht überlegen ist. Die Preußen schlagen sich zwar mit der hartnäckigsten
Tapferkeit, erleiden aber unverhältnißmäßige Verluste, und müssen die Dörfer
räumen. Mittlerweile schlägt man sich in Ligny nicht weniger blutig, aber gegen
eine weniger zahlreiche Macht, während der linke preußische Flügel durch Demon¬
strationen beschäftigt wird. Da Blücher die Erhaltung seiner Verbindung mit
Wellington sür die Hauptsache ansieht, zieht er immer mehr Truppen von dem
linken Flügel und dem Centrum herüber, und geht einige Male zu Angriffsbewe-
gnngen über, ohne dauernde Erfolge zu erlange". So verzehren sich um Se.
Amand 28000 Manu preußische Infanterie gegen 24000 Mann Franzosen, in
Ligny 14000 gegen eben so viel Feinde, ohne viel Terrain aufzugeben, aber mit
bedeutenden Verluste in sechsstündigem Kampfe. Das 3. preußische Armeecorps
war zwar noch ziemlich intakt, aber man war nicht darauf bedacht gewesen, es zu
rechter Zeit zusammenzuziehn, und hatte es nun nicht bei der Hand, als Napo¬
leon den letzten entscheidenden Stoß ans Ligny vorbereitete. Napoleon von jeher
ein Meister in der sparsamen Verwendung der Truppen im Feuergefecht, hatte
noch 27000 Mann in Reserve, die er nnr zur Hälfte gegen das geschwächte Cen¬
trum sendet. Eben als sie sich in Bewegung setzen wollen, gegen 6 Uhr, zeigt
sich ein Trnppeucorps in der linken Flanke der Franzosen, wie es scheint, von
Qnatrebraö kommend, wol noch eine Stunde entfernt. Es konnten recht gut


derselben stehenden Truppen boten der hinter Fleurus aufgepflanzten Artillerie eine
sichere Zielscheibe, und jedes zur Unterstützung der Truppen in den ^Dörfern heran¬
rückende Bataillon konnte den Marsch nnr unter einem sehr mörderischen Feuer machen.
Nach englischen Quellen soll Wellington.den Fürsten Blücher auf diese Mängel auf¬
merksam gemacht, aber die Antwort erhalten haben, daß preußische Truppen deu
zu bekämpfenden Feind zu sehen liebten. Was die Qualität der Truppen betrifft,
so waren die Preußen zwar voll Kriegsfcuer, aber was kriegserfahren war, hatte
doch nnr zwei Feldzüge gemacht, und ein großer Theil bestand aus neuen For¬
mationen, die noch gar kein Feuer gesehen hatten; Napoleon's Armee von
war dagegen eine der besten, die er jemals gehabt hat, denn er hatte sie durch
die zahlreichen in Folge des Pariser Friedens zurückgekehrten Gefangenen ver¬
stärkt. Die französische Artillerie war an Zahl geringer, aber der preußischen in
der Ausbildung und außerdem durch den Vortheil der Stellung überlegen.

Auf die taktischen Einzelnheiten der Schlacht können wir hier nicht eingehen,
und es genügt auch zum Zweck unsrer Darstellung vollkommen, wenn wir nur
die allgemeinen Züge angeben. Der Hauptaugriff Napoleon's richtet sich zuerst
gegen die Dörfer Se. Amand, die Verbindung mit Wellington bedrohend. Die
Dörfer werden hartnäckig vertheidigt, gehen verloren, und werden wieder genommen;
da aber die zur Unterstützung herzueileuden Preußen auf ihren Anmarsch das feind¬
liche Kauoneufeuer aushalten müssen, kommen sie immer schon etwas gelockert an den
Feind, der ihnen ohnedies durch sein angebornes Talent sür den leicktcn Truppeudienst
im Dvrfgefecht überlegen ist. Die Preußen schlagen sich zwar mit der hartnäckigsten
Tapferkeit, erleiden aber unverhältnißmäßige Verluste, und müssen die Dörfer
räumen. Mittlerweile schlägt man sich in Ligny nicht weniger blutig, aber gegen
eine weniger zahlreiche Macht, während der linke preußische Flügel durch Demon¬
strationen beschäftigt wird. Da Blücher die Erhaltung seiner Verbindung mit
Wellington sür die Hauptsache ansieht, zieht er immer mehr Truppen von dem
linken Flügel und dem Centrum herüber, und geht einige Male zu Angriffsbewe-
gnngen über, ohne dauernde Erfolge zu erlange». So verzehren sich um Se.
Amand 28000 Manu preußische Infanterie gegen 24000 Mann Franzosen, in
Ligny 14000 gegen eben so viel Feinde, ohne viel Terrain aufzugeben, aber mit
bedeutenden Verluste in sechsstündigem Kampfe. Das 3. preußische Armeecorps
war zwar noch ziemlich intakt, aber man war nicht darauf bedacht gewesen, es zu
rechter Zeit zusammenzuziehn, und hatte es nun nicht bei der Hand, als Napo¬
leon den letzten entscheidenden Stoß ans Ligny vorbereitete. Napoleon von jeher
ein Meister in der sparsamen Verwendung der Truppen im Feuergefecht, hatte
noch 27000 Mann in Reserve, die er nnr zur Hälfte gegen das geschwächte Cen¬
trum sendet. Eben als sie sich in Bewegung setzen wollen, gegen 6 Uhr, zeigt
sich ein Trnppeucorps in der linken Flanke der Franzosen, wie es scheint, von
Qnatrebraö kommend, wol noch eine Stunde entfernt. Es konnten recht gut


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/255>, abgerufen am 20.10.2024.