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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Die Schlacht von Waterloo und die Franzosen.

Wer hat die Schlacht von Waterloo gewonnen? und wodurch hat sie Napo¬
leon verloren? sind zwei Fragen, welche man in den letzten Wochen im Gespräch
über des Herzogs v. Wellington's Tod und Verdienst oft aufwerfen horte. Die Be¬
antwortung derselben fiel stets sehr verschiedenartig aus: bald unterschätzte man die
Verdienste Blücher's, bald die Wellington's, und nicht Wenige fanden sich noch be¬
sangen in den von französischer Seite, namentlich Gourgaud und den Memoiren
Napoleon's mit eben so viel Eitelkeit als Mangel an Wahrheitsliebe verbreiteten
Fabeln, welche die Niederlage des französischen Feldherrn theils einer blinden Laune
des Schicksals, theils unverzeihlicher Fehlern oder gar Verräthereien einiger seiner
Untergeneräle zuschreiben. Letztere Ansicht sucht auch von Neuem der kaum aus dem
El gekrochene Nao-Bonapartismus in Frankreich geltend zu macheu, damit einige
Strahlen des fleckenlos gewaschenen Ruhms des großen Onkels auch auf den noch
sehr dunkeln des Neffen fallen möchten. Und man schickt sie mit einer Keckheit in
die Welt, als wären sie nicht schon längst durch die beglaubigten Aussage" unpar¬
teiischer Mithaudelnder auf das Gründlichste widerlegt. Deshalb wird es der Leser
wol nicht für unzeitgemäß halten, wenn wir die Hauptmomente jener wichtigen
Vorfälle, wie sie in den besten gedruckten Quellen niedergelegt sind, ihm heute
uoch einmal in's Gedächtniß zurückrufen, obgleich sie ihrem Wesen nach schon der
Geschichte, und nur durch ihr gegenwärtiges zufälliges Zusprachekommen dem Ge¬
biet der Tagespresse angehören. Es wird sich daraus zeigen, daß Napoleon's poli¬
tische Lage ihn zwang, Alles auf einen verzweifelten Wurf zu setzen, und daß außer
der Ueberzahl auch die Tapferkeit und das Kriegsgeschick seiner Gegner, ohne alles
Eingreifen der Göttin Zufall oder der Verrätherei, seine Pläne scheitern machte,
wovon wieder sein gänzlicher Sturz eine nothwendige Folge war.

' Als im Juni 181 i- die verbündeten Truppen das eroberte Frankreich geräumt
hatten, begaun alsbald zwischen den beiden extremen Parteien der Republikaner


Grenzboten. IV. 18L2. 31
Die Schlacht von Waterloo und die Franzosen.

Wer hat die Schlacht von Waterloo gewonnen? und wodurch hat sie Napo¬
leon verloren? sind zwei Fragen, welche man in den letzten Wochen im Gespräch
über des Herzogs v. Wellington's Tod und Verdienst oft aufwerfen horte. Die Be¬
antwortung derselben fiel stets sehr verschiedenartig aus: bald unterschätzte man die
Verdienste Blücher's, bald die Wellington's, und nicht Wenige fanden sich noch be¬
sangen in den von französischer Seite, namentlich Gourgaud und den Memoiren
Napoleon's mit eben so viel Eitelkeit als Mangel an Wahrheitsliebe verbreiteten
Fabeln, welche die Niederlage des französischen Feldherrn theils einer blinden Laune
des Schicksals, theils unverzeihlicher Fehlern oder gar Verräthereien einiger seiner
Untergeneräle zuschreiben. Letztere Ansicht sucht auch von Neuem der kaum aus dem
El gekrochene Nao-Bonapartismus in Frankreich geltend zu macheu, damit einige
Strahlen des fleckenlos gewaschenen Ruhms des großen Onkels auch auf den noch
sehr dunkeln des Neffen fallen möchten. Und man schickt sie mit einer Keckheit in
die Welt, als wären sie nicht schon längst durch die beglaubigten Aussage« unpar¬
teiischer Mithaudelnder auf das Gründlichste widerlegt. Deshalb wird es der Leser
wol nicht für unzeitgemäß halten, wenn wir die Hauptmomente jener wichtigen
Vorfälle, wie sie in den besten gedruckten Quellen niedergelegt sind, ihm heute
uoch einmal in's Gedächtniß zurückrufen, obgleich sie ihrem Wesen nach schon der
Geschichte, und nur durch ihr gegenwärtiges zufälliges Zusprachekommen dem Ge¬
biet der Tagespresse angehören. Es wird sich daraus zeigen, daß Napoleon's poli¬
tische Lage ihn zwang, Alles auf einen verzweifelten Wurf zu setzen, und daß außer
der Ueberzahl auch die Tapferkeit und das Kriegsgeschick seiner Gegner, ohne alles
Eingreifen der Göttin Zufall oder der Verrätherei, seine Pläne scheitern machte,
wovon wieder sein gänzlicher Sturz eine nothwendige Folge war.

' Als im Juni 181 i- die verbündeten Truppen das eroberte Frankreich geräumt
hatten, begaun alsbald zwischen den beiden extremen Parteien der Republikaner


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[0251] Die Schlacht von Waterloo und die Franzosen. Wer hat die Schlacht von Waterloo gewonnen? und wodurch hat sie Napo¬ leon verloren? sind zwei Fragen, welche man in den letzten Wochen im Gespräch über des Herzogs v. Wellington's Tod und Verdienst oft aufwerfen horte. Die Be¬ antwortung derselben fiel stets sehr verschiedenartig aus: bald unterschätzte man die Verdienste Blücher's, bald die Wellington's, und nicht Wenige fanden sich noch be¬ sangen in den von französischer Seite, namentlich Gourgaud und den Memoiren Napoleon's mit eben so viel Eitelkeit als Mangel an Wahrheitsliebe verbreiteten Fabeln, welche die Niederlage des französischen Feldherrn theils einer blinden Laune des Schicksals, theils unverzeihlicher Fehlern oder gar Verräthereien einiger seiner Untergeneräle zuschreiben. Letztere Ansicht sucht auch von Neuem der kaum aus dem El gekrochene Nao-Bonapartismus in Frankreich geltend zu macheu, damit einige Strahlen des fleckenlos gewaschenen Ruhms des großen Onkels auch auf den noch sehr dunkeln des Neffen fallen möchten. Und man schickt sie mit einer Keckheit in die Welt, als wären sie nicht schon längst durch die beglaubigten Aussage« unpar¬ teiischer Mithaudelnder auf das Gründlichste widerlegt. Deshalb wird es der Leser wol nicht für unzeitgemäß halten, wenn wir die Hauptmomente jener wichtigen Vorfälle, wie sie in den besten gedruckten Quellen niedergelegt sind, ihm heute uoch einmal in's Gedächtniß zurückrufen, obgleich sie ihrem Wesen nach schon der Geschichte, und nur durch ihr gegenwärtiges zufälliges Zusprachekommen dem Ge¬ biet der Tagespresse angehören. Es wird sich daraus zeigen, daß Napoleon's poli¬ tische Lage ihn zwang, Alles auf einen verzweifelten Wurf zu setzen, und daß außer der Ueberzahl auch die Tapferkeit und das Kriegsgeschick seiner Gegner, ohne alles Eingreifen der Göttin Zufall oder der Verrätherei, seine Pläne scheitern machte, wovon wieder sein gänzlicher Sturz eine nothwendige Folge war. ' Als im Juni 181 i- die verbündeten Truppen das eroberte Frankreich geräumt hatten, begaun alsbald zwischen den beiden extremen Parteien der Republikaner Grenzboten. IV. 18L2. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/251>, abgerufen am 27.09.2024.