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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Freundschaft mit Sir R. Peel. Beider Charaktere und Stellung ergänzten sich
gegenseitig. Beide besaßen in einem ausgezeichneten Grade Vorsicht, Berechnung
und hohen moralischen Muth. Ohne das Gewicht von Wellington's Namen hätte
Peel dem bittern Hasse seiner zahlreichen Feinde kaum widerstehen können, und
ohne Peel's umfassenden Geist, ausgebreitete Kenntnisse und feines Gefühl für
die Wünsche und Bedürfnisse des Volkes hätte Wellington wol keinen so außer¬
ordentlichen moralischen Einfluß ausgeübt, oder eine so hohe Stellung als Staats¬
mann eingenommen.

Als Engländer hatte Wellington, obgleich Soldat, das große Glück, nie, wie die
militairischen Staatsmänner des Kontinents, in die gefährliche Versuchung zu kommen,
den mittelalterlichen Begriff eines Kriegsherrn auf das friedliche Amt eines Landes¬
fürsten überzutragen. Die nothwendige Grenze zwischen Militair- und Civilgewalt,
die man bei uns beständig zu verrücken liebt, ist in England längst und auf das
Bestimmteste gezogen, und kein Staatsmann länft dort Gefahr, mitten in die
friedliche Entwickelung des Staatslebens die Praxis des Kriegs zu versetzen. Der
Begriff von Fürst und Land ist ebenfalls in England längst eins geworden, und
Niemand wird dort in die schmerzliche Alternative gestellt, entweder seinem Für¬
sten, oder seinem Vaterlande untreu werden zu müssen. In sofern war allerdings
Wellington's Stellung günstiger, als die seiner Collegen auf dem Festlande, aber
immer giebt er ein belehrendes Beispiel, wie sich ein tüchtiger Feldherr, der dem
Größten seiner Zeit Nichts nachgegeben, in ein freies Staatswesen harmonisch
hineinschickt, und wie Kraft des Charakters und politische Weisheit sich nicht blos
im Widerstande und um des Widerstandes willen, sondern auch im Nachgeben
und im Erfüllen der Wünsche des Volkes zeigen können.




Die Otter-Jagd.

Die Zeiten, die schönen Zeiten sind vorüber, wo der Manu noch ans männ¬
liche Art sein Vergnügen suchte; wo er mit Speer und Messer, mit Wurfgeschoß
oder Büchse den Wald durchstreifte, den Bär im eigenen Lager angriff, und
dem Eber auf schäumendem Rappen durch Dickicht und Unterholz folgte.

Die schönen Zeiten der edlen, männlichen Jagd sind vorbei; jetzt höchstens
gehn die jungen Herren mit Jagdfrack nach neuestem Schnitt, und Miberen,
eng anschließenden Kamascheu, die Hände in einem Muff, den Hals dicht und
warm in wollene Shawls eingeschlagen, hinaus und stellen sich an (und Gott
weiß es, wie sie sich manchmal dazu anstellen). Die Bauern müssen ihnen dann
das arme, unglückliche, verrathene und verkaufte Wild herbeitreiben, und wenn
kein Unglück passirt, das heißt, wenn der Hahn wirklich aufgezogen, oder die


Freundschaft mit Sir R. Peel. Beider Charaktere und Stellung ergänzten sich
gegenseitig. Beide besaßen in einem ausgezeichneten Grade Vorsicht, Berechnung
und hohen moralischen Muth. Ohne das Gewicht von Wellington's Namen hätte
Peel dem bittern Hasse seiner zahlreichen Feinde kaum widerstehen können, und
ohne Peel's umfassenden Geist, ausgebreitete Kenntnisse und feines Gefühl für
die Wünsche und Bedürfnisse des Volkes hätte Wellington wol keinen so außer¬
ordentlichen moralischen Einfluß ausgeübt, oder eine so hohe Stellung als Staats¬
mann eingenommen.

Als Engländer hatte Wellington, obgleich Soldat, das große Glück, nie, wie die
militairischen Staatsmänner des Kontinents, in die gefährliche Versuchung zu kommen,
den mittelalterlichen Begriff eines Kriegsherrn auf das friedliche Amt eines Landes¬
fürsten überzutragen. Die nothwendige Grenze zwischen Militair- und Civilgewalt,
die man bei uns beständig zu verrücken liebt, ist in England längst und auf das
Bestimmteste gezogen, und kein Staatsmann länft dort Gefahr, mitten in die
friedliche Entwickelung des Staatslebens die Praxis des Kriegs zu versetzen. Der
Begriff von Fürst und Land ist ebenfalls in England längst eins geworden, und
Niemand wird dort in die schmerzliche Alternative gestellt, entweder seinem Für¬
sten, oder seinem Vaterlande untreu werden zu müssen. In sofern war allerdings
Wellington's Stellung günstiger, als die seiner Collegen auf dem Festlande, aber
immer giebt er ein belehrendes Beispiel, wie sich ein tüchtiger Feldherr, der dem
Größten seiner Zeit Nichts nachgegeben, in ein freies Staatswesen harmonisch
hineinschickt, und wie Kraft des Charakters und politische Weisheit sich nicht blos
im Widerstande und um des Widerstandes willen, sondern auch im Nachgeben
und im Erfüllen der Wünsche des Volkes zeigen können.




Die Otter-Jagd.

Die Zeiten, die schönen Zeiten sind vorüber, wo der Manu noch ans männ¬
liche Art sein Vergnügen suchte; wo er mit Speer und Messer, mit Wurfgeschoß
oder Büchse den Wald durchstreifte, den Bär im eigenen Lager angriff, und
dem Eber auf schäumendem Rappen durch Dickicht und Unterholz folgte.

Die schönen Zeiten der edlen, männlichen Jagd sind vorbei; jetzt höchstens
gehn die jungen Herren mit Jagdfrack nach neuestem Schnitt, und Miberen,
eng anschließenden Kamascheu, die Hände in einem Muff, den Hals dicht und
warm in wollene Shawls eingeschlagen, hinaus und stellen sich an (und Gott
weiß es, wie sie sich manchmal dazu anstellen). Die Bauern müssen ihnen dann
das arme, unglückliche, verrathene und verkaufte Wild herbeitreiben, und wenn
kein Unglück passirt, das heißt, wenn der Hahn wirklich aufgezogen, oder die


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[0232] Freundschaft mit Sir R. Peel. Beider Charaktere und Stellung ergänzten sich gegenseitig. Beide besaßen in einem ausgezeichneten Grade Vorsicht, Berechnung und hohen moralischen Muth. Ohne das Gewicht von Wellington's Namen hätte Peel dem bittern Hasse seiner zahlreichen Feinde kaum widerstehen können, und ohne Peel's umfassenden Geist, ausgebreitete Kenntnisse und feines Gefühl für die Wünsche und Bedürfnisse des Volkes hätte Wellington wol keinen so außer¬ ordentlichen moralischen Einfluß ausgeübt, oder eine so hohe Stellung als Staats¬ mann eingenommen. Als Engländer hatte Wellington, obgleich Soldat, das große Glück, nie, wie die militairischen Staatsmänner des Kontinents, in die gefährliche Versuchung zu kommen, den mittelalterlichen Begriff eines Kriegsherrn auf das friedliche Amt eines Landes¬ fürsten überzutragen. Die nothwendige Grenze zwischen Militair- und Civilgewalt, die man bei uns beständig zu verrücken liebt, ist in England längst und auf das Bestimmteste gezogen, und kein Staatsmann länft dort Gefahr, mitten in die friedliche Entwickelung des Staatslebens die Praxis des Kriegs zu versetzen. Der Begriff von Fürst und Land ist ebenfalls in England längst eins geworden, und Niemand wird dort in die schmerzliche Alternative gestellt, entweder seinem Für¬ sten, oder seinem Vaterlande untreu werden zu müssen. In sofern war allerdings Wellington's Stellung günstiger, als die seiner Collegen auf dem Festlande, aber immer giebt er ein belehrendes Beispiel, wie sich ein tüchtiger Feldherr, der dem Größten seiner Zeit Nichts nachgegeben, in ein freies Staatswesen harmonisch hineinschickt, und wie Kraft des Charakters und politische Weisheit sich nicht blos im Widerstande und um des Widerstandes willen, sondern auch im Nachgeben und im Erfüllen der Wünsche des Volkes zeigen können. Die Otter-Jagd. Die Zeiten, die schönen Zeiten sind vorüber, wo der Manu noch ans männ¬ liche Art sein Vergnügen suchte; wo er mit Speer und Messer, mit Wurfgeschoß oder Büchse den Wald durchstreifte, den Bär im eigenen Lager angriff, und dem Eber auf schäumendem Rappen durch Dickicht und Unterholz folgte. Die schönen Zeiten der edlen, männlichen Jagd sind vorbei; jetzt höchstens gehn die jungen Herren mit Jagdfrack nach neuestem Schnitt, und Miberen, eng anschließenden Kamascheu, die Hände in einem Muff, den Hals dicht und warm in wollene Shawls eingeschlagen, hinaus und stellen sich an (und Gott weiß es, wie sie sich manchmal dazu anstellen). Die Bauern müssen ihnen dann das arme, unglückliche, verrathene und verkaufte Wild herbeitreiben, und wenn kein Unglück passirt, das heißt, wenn der Hahn wirklich aufgezogen, oder die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/232>, abgerufen am 19.10.2024.