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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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diesen Gebrauch hervorgerufen, hat hier offenbar weniger obgewaltet; die Haupt¬
straßen der Stadt sind überall von erträglicher, zum Theil von beträchtlicher
Breite, und eine solche Unzahl kleiner, abscheulicher Gäßchen, wie man an anderen
Orten damit heimgesucht wird, ist'hier nicht vorhanden. Die innere Stadt
Leipzigs und Frankfurts a. M., mit Ausnahme der Zeit, sind viel enger gebaut,
als Nürnberg. Die alten Reichsbürger an der Regnitz breiteten sich behaglicher
aus und fühlten sich doch Manns genug, ihre weitläufigen Mauern und Werke
in ihren zahlreichen Fehden mit Fürsten und Rittern zu vertheidigen. Der
mittelalterliche Charakter der Stadt bewährt sich aber darin, daß selbst diejenigen
Privathäuser, welche keine hervorstechenden Merkmale der Vergangenheit an sich
tragen, in ihrer allgemeinen Bauart dem Styl derselben homogen sind. Alle
Häuser sind aus Stein gebaut; die meistens kleinen und tief eingeschnittenen Fenster
zeigen die Solidität und Festigkeit der Mauern, die Jahrhunderte gestanden haben
und noch für Jahrhunderte Dauer versprechen. Die vielen öffentlichen Denkmäler
und Bauwerke, die schönen gothischen Kirchen, die zahlreichen zum Theil auf das
Reichste in gothischer Banart verzierten und ausgeführten Brunnen, die steinernen
Brücken, die stets in einem Bogen über die Regnitz gespannt sind, erfüllen
überall die Phantasie mit mittelalterlichen Vorstellungen, zu denen die Privat¬
häuser, die Straßen und Plätze gleichsam nur den passenden Nahmen abgeben.
Die große Reinlichkeit und Sauberkeit, die in allen besseren Theilen der Stadt
herrscht, trägt sehr dazu bei, deu angenehmen Eindruck derselben zu erhöhen; sie
erscheint dadurch in der That wie ein wohl erhaltenes und mit Sorgfalt gepflegtes
Bild der guten, alten Zeit, d. h. in sofern man diese alte Zeit als gut betrachten
will, wozu ich für meine Person mich nur in sehr bedingter Weise verstehen kann.

Was Nürnberg aber vor allen mir bekannten Städten voraus hat -- und ich
glaube überhaupt, daß wol nicht viele etwas Aehnliches zu bieten habe" -- sind
seine alterthümlichen Befestigungswerke. Dieselben sind noch so gut erhalten,
daß es von dem bayerischen Kriegsministerium uuter die "Wasserplätze" der
Großmacht gezählt wird. Nach modernen, militärischen Begriffen kann es freilich
entfernt keine Ansprüche darauf machen; Bayern rechnet aber, um nominell acht
Festungen zu besitzen, eine Zahl, die es vielleicht für erforderlich hält um als
Großmacht sich geriren zu können, mehrere halb verfallene Bergnester als solche, die
höchstens noch als militairische Rumpelkammern für abgelegte Monteuren und
ausgediente Trommeln zu benutzen sind. Also ist auch Nürnberg ein "Waffen¬
platz," obwol auf seinen ausgedehnten Mauern nicht ein einziges Geschütz zu er¬
blicken ist. Desto anziehender ist der Anblick der Mauern selbst. Rund um die
Stadt läuft ein tiefer, jedoch trockener, ausgemauerter Graben, über welchen
Brücken zu den Hanptthoren, Stege zu den kleineren Eingangspforten führen.
Die Stadt hat jetzt im Ganzen zehn Thore, wovon zwei erst neuerdings angelegt
sind. Die vier Hauptthore, das Spittler-, Frauen-, Läufer- und neue Thor sind


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diesen Gebrauch hervorgerufen, hat hier offenbar weniger obgewaltet; die Haupt¬
straßen der Stadt sind überall von erträglicher, zum Theil von beträchtlicher
Breite, und eine solche Unzahl kleiner, abscheulicher Gäßchen, wie man an anderen
Orten damit heimgesucht wird, ist'hier nicht vorhanden. Die innere Stadt
Leipzigs und Frankfurts a. M., mit Ausnahme der Zeit, sind viel enger gebaut,
als Nürnberg. Die alten Reichsbürger an der Regnitz breiteten sich behaglicher
aus und fühlten sich doch Manns genug, ihre weitläufigen Mauern und Werke
in ihren zahlreichen Fehden mit Fürsten und Rittern zu vertheidigen. Der
mittelalterliche Charakter der Stadt bewährt sich aber darin, daß selbst diejenigen
Privathäuser, welche keine hervorstechenden Merkmale der Vergangenheit an sich
tragen, in ihrer allgemeinen Bauart dem Styl derselben homogen sind. Alle
Häuser sind aus Stein gebaut; die meistens kleinen und tief eingeschnittenen Fenster
zeigen die Solidität und Festigkeit der Mauern, die Jahrhunderte gestanden haben
und noch für Jahrhunderte Dauer versprechen. Die vielen öffentlichen Denkmäler
und Bauwerke, die schönen gothischen Kirchen, die zahlreichen zum Theil auf das
Reichste in gothischer Banart verzierten und ausgeführten Brunnen, die steinernen
Brücken, die stets in einem Bogen über die Regnitz gespannt sind, erfüllen
überall die Phantasie mit mittelalterlichen Vorstellungen, zu denen die Privat¬
häuser, die Straßen und Plätze gleichsam nur den passenden Nahmen abgeben.
Die große Reinlichkeit und Sauberkeit, die in allen besseren Theilen der Stadt
herrscht, trägt sehr dazu bei, deu angenehmen Eindruck derselben zu erhöhen; sie
erscheint dadurch in der That wie ein wohl erhaltenes und mit Sorgfalt gepflegtes
Bild der guten, alten Zeit, d. h. in sofern man diese alte Zeit als gut betrachten
will, wozu ich für meine Person mich nur in sehr bedingter Weise verstehen kann.

Was Nürnberg aber vor allen mir bekannten Städten voraus hat — und ich
glaube überhaupt, daß wol nicht viele etwas Aehnliches zu bieten habe» — sind
seine alterthümlichen Befestigungswerke. Dieselben sind noch so gut erhalten,
daß es von dem bayerischen Kriegsministerium uuter die „Wasserplätze" der
Großmacht gezählt wird. Nach modernen, militärischen Begriffen kann es freilich
entfernt keine Ansprüche darauf machen; Bayern rechnet aber, um nominell acht
Festungen zu besitzen, eine Zahl, die es vielleicht für erforderlich hält um als
Großmacht sich geriren zu können, mehrere halb verfallene Bergnester als solche, die
höchstens noch als militairische Rumpelkammern für abgelegte Monteuren und
ausgediente Trommeln zu benutzen sind. Also ist auch Nürnberg ein „Waffen¬
platz," obwol auf seinen ausgedehnten Mauern nicht ein einziges Geschütz zu er¬
blicken ist. Desto anziehender ist der Anblick der Mauern selbst. Rund um die
Stadt läuft ein tiefer, jedoch trockener, ausgemauerter Graben, über welchen
Brücken zu den Hanptthoren, Stege zu den kleineren Eingangspforten führen.
Die Stadt hat jetzt im Ganzen zehn Thore, wovon zwei erst neuerdings angelegt
sind. Die vier Hauptthore, das Spittler-, Frauen-, Läufer- und neue Thor sind


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[0213] diesen Gebrauch hervorgerufen, hat hier offenbar weniger obgewaltet; die Haupt¬ straßen der Stadt sind überall von erträglicher, zum Theil von beträchtlicher Breite, und eine solche Unzahl kleiner, abscheulicher Gäßchen, wie man an anderen Orten damit heimgesucht wird, ist'hier nicht vorhanden. Die innere Stadt Leipzigs und Frankfurts a. M., mit Ausnahme der Zeit, sind viel enger gebaut, als Nürnberg. Die alten Reichsbürger an der Regnitz breiteten sich behaglicher aus und fühlten sich doch Manns genug, ihre weitläufigen Mauern und Werke in ihren zahlreichen Fehden mit Fürsten und Rittern zu vertheidigen. Der mittelalterliche Charakter der Stadt bewährt sich aber darin, daß selbst diejenigen Privathäuser, welche keine hervorstechenden Merkmale der Vergangenheit an sich tragen, in ihrer allgemeinen Bauart dem Styl derselben homogen sind. Alle Häuser sind aus Stein gebaut; die meistens kleinen und tief eingeschnittenen Fenster zeigen die Solidität und Festigkeit der Mauern, die Jahrhunderte gestanden haben und noch für Jahrhunderte Dauer versprechen. Die vielen öffentlichen Denkmäler und Bauwerke, die schönen gothischen Kirchen, die zahlreichen zum Theil auf das Reichste in gothischer Banart verzierten und ausgeführten Brunnen, die steinernen Brücken, die stets in einem Bogen über die Regnitz gespannt sind, erfüllen überall die Phantasie mit mittelalterlichen Vorstellungen, zu denen die Privat¬ häuser, die Straßen und Plätze gleichsam nur den passenden Nahmen abgeben. Die große Reinlichkeit und Sauberkeit, die in allen besseren Theilen der Stadt herrscht, trägt sehr dazu bei, deu angenehmen Eindruck derselben zu erhöhen; sie erscheint dadurch in der That wie ein wohl erhaltenes und mit Sorgfalt gepflegtes Bild der guten, alten Zeit, d. h. in sofern man diese alte Zeit als gut betrachten will, wozu ich für meine Person mich nur in sehr bedingter Weise verstehen kann. Was Nürnberg aber vor allen mir bekannten Städten voraus hat — und ich glaube überhaupt, daß wol nicht viele etwas Aehnliches zu bieten habe» — sind seine alterthümlichen Befestigungswerke. Dieselben sind noch so gut erhalten, daß es von dem bayerischen Kriegsministerium uuter die „Wasserplätze" der Großmacht gezählt wird. Nach modernen, militärischen Begriffen kann es freilich entfernt keine Ansprüche darauf machen; Bayern rechnet aber, um nominell acht Festungen zu besitzen, eine Zahl, die es vielleicht für erforderlich hält um als Großmacht sich geriren zu können, mehrere halb verfallene Bergnester als solche, die höchstens noch als militairische Rumpelkammern für abgelegte Monteuren und ausgediente Trommeln zu benutzen sind. Also ist auch Nürnberg ein „Waffen¬ platz," obwol auf seinen ausgedehnten Mauern nicht ein einziges Geschütz zu er¬ blicken ist. Desto anziehender ist der Anblick der Mauern selbst. Rund um die Stadt läuft ein tiefer, jedoch trockener, ausgemauerter Graben, über welchen Brücken zu den Hanptthoren, Stege zu den kleineren Eingangspforten führen. Die Stadt hat jetzt im Ganzen zehn Thore, wovon zwei erst neuerdings angelegt sind. Die vier Hauptthore, das Spittler-, Frauen-, Läufer- und neue Thor sind 26^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/213>, abgerufen am 20.10.2024.