Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.schwerer Krankheit beisteht. War es vielleicht die Absicht des Künstlers, hierdurch den schwerer Krankheit beisteht. War es vielleicht die Absicht des Künstlers, hierdurch den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0166" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95147"/> <p xml:id="ID_425" prev="#ID_424"> schwerer Krankheit beisteht. War es vielleicht die Absicht des Künstlers, hierdurch den<lb/> plötzlich tödtlichen Anfall anzudeuten, so war das weder schön, noch macht es die<lb/> Situation klarer. Die Hofleute im Gefolge des Königs mußten mit ehrfurchtsvoller<lb/> Würde in dessen Gegenwart und voll wärmerer Theilnahme in Gegenwart eines vom<lb/> Könige geliebten Sterbenden erscheinen; sonst mußte sich Franz zu diesem Gange andere<lb/> Begleiter wählen, eine vornehme Gleichgiltigkeit war hier am wenigsten um Platz, da<lb/> durch ehrfurchtsvolles Betragen des begleitenden Hofgesindes der königliche Besuch eine<lb/> noch ehrendere Bedeutung gewonnen hätte (und das war doch liier ein Haupt-<lb/> moment). Auf diese Weise wäre jedem Individuum sein Recht geschehen und doch alle<lb/> ins Ganze aufgegangen, während nun dem Bilde die poeiische Einheit und somit in<lb/> diesem Falle der poetische Inhalt mangelt. — Eben so wenig werden wir dnrch das<lb/> Aeußere des Bildes in die richtige Stimmung gebracht; — statt eines matten, gebrochenen<lb/> Lichtes, wie wir es in dem Zimmer eines schwer Kranken erwarten, fällt ein entschiedenes<lb/> breites Licht auf alle Figuren, und das Bild würde dadurch einen fast heitern Ein¬<lb/> druck machen, wenn nicht freilich die Farbenstimmung, wie in allen Bildern des Künstlers,<lb/> einen ernsten Charakter trüge. Das sonst verständige Arrangement zeigt hier und da<lb/> manches Absichtliche und Ueberladcne, so bliebe der Stuhl, auf dem Schwert und Mantel<lb/> des Arztes liegen, besser weg, es würde dann der Raum neben der Hauptgruppe bis<lb/> zu dem Geistlichen am Altare und dem räuchernden Chorknaben (die man auf diese<lb/> Weise ganz zu sehen bekam) sich hin vertiefen, wodurch die Hauptgruppe entschiedener<lb/> vor der eben erwähnten heraustreten würde; auch sind manche Anordnungen im Costum<lb/> störend: so passen die derben Lcderschnhe Leonardo's und die ziemlich schweren Stiefel<lb/> des Königs nicht zu seinem sonst eleganten Anzug. — Uebrigens hat, um auf das<lb/> Ganze zurückzukommen, Schröder alle Kraft der Technik zugewendet, und das Bild ist<lb/> mit einer Meisterschaft gemalt, die namentlich in deutschen Bildern selten gesehen ist und<lb/> die wir nicht genug anstaunen können. Um so weniger können wir den Wunsch unter¬<lb/> drücken, daß ein so begabter Künstler sein Streben mehr dem Inhalt, als den Mitteln<lb/> zuwenden möge, die ihm in so selten hohem Grade zu Gebote stehen. Wir glauben<lb/> allerdings, daß Schrader's Talent mehr Darstellungsvermögen, als poetischen Inhalt<lb/> hat; um so mehr ist es seine Pflicht, diesem sein ganzes Streben zuzuwenden und<lb/> seine Phantasie zur größtmöglichster Energie zu spannen. Daß Schrader hierin Be¬<lb/> deutenderes leisten konnte, das zeigen uns einzelne Figuren in diesem Bilde, wie Leonardo<lb/> da Vinci selbst, ferner der besorgt vorgebcngtc Jüngling im Vordergrunde, der ältere<lb/> Freund, der sein Gesicht abgewendet hat, vor Allem aber der Messe lesende Geistliche,<lb/> der bei seiner amtlichen Verrichtung sichtbar innerlich ergriffen ist. In Bezug auf<lb/> die sonst meisterhafte Malerei haben wir noch einen Wunsch: daß Schrader die Energie<lb/> seiner Behandlung mehr modificiren möge; es fordern, während manchen Theilen freilich<lb/> der breite Pinsclstrich angemessen ist, andere feinere Theile doch eine subtilere Behandlung.<lb/> Der überall angewandte derbe Strich drängt sich dem Auge sast mit einiger Coauetterie<lb/> auf und scheint mehr seiner selbst, als des dargestellten Gegenstandes wegen da zu sein,<lb/> der hiebei hin und wieder zu kurz kommt, so u. A. die behandschuhte Hand des<lb/> Königs. — — Die Ausführlichkeit unsrer Kritik entsprang aus dem lebhaften Wunsch,<lb/> daß ein so bedeutender Künstler sich nicht der Kunst entziehen möge, um sich der Virtuo¬<lb/> sität in die Arme zu werfen; er möchte dann die traurige Erfahrung machen,<lb/> daß seine Bilder beim ersten und zweiten Anblick angestaunt werden, dann aber mit<lb/> jedem neuen Anschauen den Beschauer kälter lassen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0166]
schwerer Krankheit beisteht. War es vielleicht die Absicht des Künstlers, hierdurch den
plötzlich tödtlichen Anfall anzudeuten, so war das weder schön, noch macht es die
Situation klarer. Die Hofleute im Gefolge des Königs mußten mit ehrfurchtsvoller
Würde in dessen Gegenwart und voll wärmerer Theilnahme in Gegenwart eines vom
Könige geliebten Sterbenden erscheinen; sonst mußte sich Franz zu diesem Gange andere
Begleiter wählen, eine vornehme Gleichgiltigkeit war hier am wenigsten um Platz, da
durch ehrfurchtsvolles Betragen des begleitenden Hofgesindes der königliche Besuch eine
noch ehrendere Bedeutung gewonnen hätte (und das war doch liier ein Haupt-
moment). Auf diese Weise wäre jedem Individuum sein Recht geschehen und doch alle
ins Ganze aufgegangen, während nun dem Bilde die poeiische Einheit und somit in
diesem Falle der poetische Inhalt mangelt. — Eben so wenig werden wir dnrch das
Aeußere des Bildes in die richtige Stimmung gebracht; — statt eines matten, gebrochenen
Lichtes, wie wir es in dem Zimmer eines schwer Kranken erwarten, fällt ein entschiedenes
breites Licht auf alle Figuren, und das Bild würde dadurch einen fast heitern Ein¬
druck machen, wenn nicht freilich die Farbenstimmung, wie in allen Bildern des Künstlers,
einen ernsten Charakter trüge. Das sonst verständige Arrangement zeigt hier und da
manches Absichtliche und Ueberladcne, so bliebe der Stuhl, auf dem Schwert und Mantel
des Arztes liegen, besser weg, es würde dann der Raum neben der Hauptgruppe bis
zu dem Geistlichen am Altare und dem räuchernden Chorknaben (die man auf diese
Weise ganz zu sehen bekam) sich hin vertiefen, wodurch die Hauptgruppe entschiedener
vor der eben erwähnten heraustreten würde; auch sind manche Anordnungen im Costum
störend: so passen die derben Lcderschnhe Leonardo's und die ziemlich schweren Stiefel
des Königs nicht zu seinem sonst eleganten Anzug. — Uebrigens hat, um auf das
Ganze zurückzukommen, Schröder alle Kraft der Technik zugewendet, und das Bild ist
mit einer Meisterschaft gemalt, die namentlich in deutschen Bildern selten gesehen ist und
die wir nicht genug anstaunen können. Um so weniger können wir den Wunsch unter¬
drücken, daß ein so begabter Künstler sein Streben mehr dem Inhalt, als den Mitteln
zuwenden möge, die ihm in so selten hohem Grade zu Gebote stehen. Wir glauben
allerdings, daß Schrader's Talent mehr Darstellungsvermögen, als poetischen Inhalt
hat; um so mehr ist es seine Pflicht, diesem sein ganzes Streben zuzuwenden und
seine Phantasie zur größtmöglichster Energie zu spannen. Daß Schrader hierin Be¬
deutenderes leisten konnte, das zeigen uns einzelne Figuren in diesem Bilde, wie Leonardo
da Vinci selbst, ferner der besorgt vorgebcngtc Jüngling im Vordergrunde, der ältere
Freund, der sein Gesicht abgewendet hat, vor Allem aber der Messe lesende Geistliche,
der bei seiner amtlichen Verrichtung sichtbar innerlich ergriffen ist. In Bezug auf
die sonst meisterhafte Malerei haben wir noch einen Wunsch: daß Schrader die Energie
seiner Behandlung mehr modificiren möge; es fordern, während manchen Theilen freilich
der breite Pinsclstrich angemessen ist, andere feinere Theile doch eine subtilere Behandlung.
Der überall angewandte derbe Strich drängt sich dem Auge sast mit einiger Coauetterie
auf und scheint mehr seiner selbst, als des dargestellten Gegenstandes wegen da zu sein,
der hiebei hin und wieder zu kurz kommt, so u. A. die behandschuhte Hand des
Königs. — — Die Ausführlichkeit unsrer Kritik entsprang aus dem lebhaften Wunsch,
daß ein so bedeutender Künstler sich nicht der Kunst entziehen möge, um sich der Virtuo¬
sität in die Arme zu werfen; er möchte dann die traurige Erfahrung machen,
daß seine Bilder beim ersten und zweiten Anblick angestaunt werden, dann aber mit
jedem neuen Anschauen den Beschauer kälter lassen.
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