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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Unzählige große und kleine Barken und Böte aller Art durchschneiden um
die 6. Morgenstunde den Hafen nach allen Richtungen. Häufig sind junge Män¬
ner der höheren Stände, auch Fremde, besonders Engländer in denselben, die
gleich mir ein Seebad nehmen wollen, oder eifrige Handlnngscommis fahren am
Bord der Fahrzeuge, Geschäfte mit den Capitälen abzumachen, Schiffsmäkler-
Gehilfen halten in ihren leichten Booten förmlich Wettfahrten mit einander, den
einlaufenden Schiffen entgegen, um zuerst die Capitaine zu überreden, die Hilfe
ihrer Prinzipale beim Aus- und Einklariren in Anspruch zu nehmen. Gleich
schachernden Juden auf den Trödelmärkten, so hört man in lautem, mißtönendem
Geschrei diese geputzten Makler - Commis sich gegen einander schmälern und die
Preise für ihre Dienste herabsetzen, um die unschlüssiger Capitaine für ihr Hans
zu kapern. Andere Boote sind mit Victualien aller Art bis an den Rand be¬
laden, den Schiffen die ihnen nach langer Seereise willkommenen frischen Lebens¬
mittel zu bringen. Besonders hübsch sehen diejenigen uuter denselben aus, die
mit Früchten und anderen Gartengewächsen angefüllt sind. Zu hohen Bergen
liegen die hellgelben Citronen aufgestapelt, riesige Körbe sind mit dunklen bitteren
oder süßen Orangen, Paradiesäpfeln, gold- und graugestreisten Melonen, frischen
Feigen oder anderen Erzeugnissen der südlichen Vegetation angefüllt, während
dabei Artischocken, Blumenkohl und andere seine Gemüse, die im Norden hohen
Werth haben, zu wohlfeilen Preisen verkauft werden. Unsere nordischen Matrosen
wissen aber allen diesen Früchten und Gemüsen keinen sonderlichen Werth abzu¬
gewinnen, und bleiben lieber bei ihren gewohnten Linsen, Bohnen, Erbsen und
Pökelfleisch. Zwischen allen diesen Handelsbarken, die größtentheils gerudert
werden, da es der Nähe der Schiffe und des vielen Anlegens wegen nicht der
Mühe lohnte, Segel aufzusetzen, lassen sich die heimkommenden Fischerboote an
ihren ausgespannten Segeln leicht Herausscheiden. Voll bläst der leichte Seewind
das ausgespannte Leinen auf, wie ein Pfeil schießt das kleine Schifflein zwischen
allen den hochbordigen Kauffahrern hindurch. Man fürchtet oft, jeden Augenblick
müsse das kleine Fahrzeug durch heftiges Zusammenprallen mit jenen kupser-
beschlagenen Niesen zerschellen, so dicht segelt es auf sie zu, aber ein leichter Druck
der Hand des Steuernde" genügt, der Kiel ändert seine Richtung, und oft kaum
einen Fuß von der gefährlichen Nähe schießt das Schifflein vorbei. Die Genue-
sen sind von Alters her geschickte und kühne Seeleute, und übertreffen hierin gar
sehr alle übrigen Italiener. In den Fischkasten dieser Fischerboote, die größten¬
theils die Nacht zu ihrem Fange benutzen, wimmelt es oft von den seltsamsten
Gestalten. Fische in so mannichfacher Auswahl, wie unsre nordischen Meere sie nicht
kennen, Molusken, Muscheln und andere Thiere des Meeres. IsruM al mars
nennt der Geruche alle diese Thiere, die besonders auch den unteren Ständen
einen nicht geringen Beitrag zu ihrer Küche geben, da sie zu ungemein wohlfeilen
Preisen verkauft werden. Auf dem Fischmarkt, der unweit des Hafens liegt, kann


Unzählige große und kleine Barken und Böte aller Art durchschneiden um
die 6. Morgenstunde den Hafen nach allen Richtungen. Häufig sind junge Män¬
ner der höheren Stände, auch Fremde, besonders Engländer in denselben, die
gleich mir ein Seebad nehmen wollen, oder eifrige Handlnngscommis fahren am
Bord der Fahrzeuge, Geschäfte mit den Capitälen abzumachen, Schiffsmäkler-
Gehilfen halten in ihren leichten Booten förmlich Wettfahrten mit einander, den
einlaufenden Schiffen entgegen, um zuerst die Capitaine zu überreden, die Hilfe
ihrer Prinzipale beim Aus- und Einklariren in Anspruch zu nehmen. Gleich
schachernden Juden auf den Trödelmärkten, so hört man in lautem, mißtönendem
Geschrei diese geputzten Makler - Commis sich gegen einander schmälern und die
Preise für ihre Dienste herabsetzen, um die unschlüssiger Capitaine für ihr Hans
zu kapern. Andere Boote sind mit Victualien aller Art bis an den Rand be¬
laden, den Schiffen die ihnen nach langer Seereise willkommenen frischen Lebens¬
mittel zu bringen. Besonders hübsch sehen diejenigen uuter denselben aus, die
mit Früchten und anderen Gartengewächsen angefüllt sind. Zu hohen Bergen
liegen die hellgelben Citronen aufgestapelt, riesige Körbe sind mit dunklen bitteren
oder süßen Orangen, Paradiesäpfeln, gold- und graugestreisten Melonen, frischen
Feigen oder anderen Erzeugnissen der südlichen Vegetation angefüllt, während
dabei Artischocken, Blumenkohl und andere seine Gemüse, die im Norden hohen
Werth haben, zu wohlfeilen Preisen verkauft werden. Unsere nordischen Matrosen
wissen aber allen diesen Früchten und Gemüsen keinen sonderlichen Werth abzu¬
gewinnen, und bleiben lieber bei ihren gewohnten Linsen, Bohnen, Erbsen und
Pökelfleisch. Zwischen allen diesen Handelsbarken, die größtentheils gerudert
werden, da es der Nähe der Schiffe und des vielen Anlegens wegen nicht der
Mühe lohnte, Segel aufzusetzen, lassen sich die heimkommenden Fischerboote an
ihren ausgespannten Segeln leicht Herausscheiden. Voll bläst der leichte Seewind
das ausgespannte Leinen auf, wie ein Pfeil schießt das kleine Schifflein zwischen
allen den hochbordigen Kauffahrern hindurch. Man fürchtet oft, jeden Augenblick
müsse das kleine Fahrzeug durch heftiges Zusammenprallen mit jenen kupser-
beschlagenen Niesen zerschellen, so dicht segelt es auf sie zu, aber ein leichter Druck
der Hand des Steuernde« genügt, der Kiel ändert seine Richtung, und oft kaum
einen Fuß von der gefährlichen Nähe schießt das Schifflein vorbei. Die Genue-
sen sind von Alters her geschickte und kühne Seeleute, und übertreffen hierin gar
sehr alle übrigen Italiener. In den Fischkasten dieser Fischerboote, die größten¬
theils die Nacht zu ihrem Fange benutzen, wimmelt es oft von den seltsamsten
Gestalten. Fische in so mannichfacher Auswahl, wie unsre nordischen Meere sie nicht
kennen, Molusken, Muscheln und andere Thiere des Meeres. IsruM al mars
nennt der Geruche alle diese Thiere, die besonders auch den unteren Ständen
einen nicht geringen Beitrag zu ihrer Küche geben, da sie zu ungemein wohlfeilen
Preisen verkauft werden. Auf dem Fischmarkt, der unweit des Hafens liegt, kann


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/16>, abgerufen am 27.09.2024.