Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.Die heutige Metaphysik. Wir knüpfen diese Betrachtungen, die eigentlich unsrer Aufgabe fern zu liegen Bei jeder andern Wissenschaft kann sich auch der Laie darüber orientiren, 19*
Die heutige Metaphysik. Wir knüpfen diese Betrachtungen, die eigentlich unsrer Aufgabe fern zu liegen Bei jeder andern Wissenschaft kann sich auch der Laie darüber orientiren, 19*
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Die heutige Metaphysik.
Wir knüpfen diese Betrachtungen, die eigentlich unsrer Aufgabe fern zu liegen
scheinen, und die wir auch nur so weit verfolgen, als sie auf die äußerliche Er¬
scheinung der Wissenschaft Bezug haben, an das so eben erschienene Werk eines
jungen Gelehrten: System der metaphysischen Grundbegriffe, von
Gustav Engel. (Berlin, Wilhelm Hertz.) -- sowol durch den Titel, als nament¬
lich durch die Vorrede wird sich der Verfasser, der in der letztern versichert, seine
Ansichten seien unwiderleglich und die 'wahre Grundlage aller echten Wissenschaft,
sehr schaden, denn man wird für Anmaßung nehmen, was doch nur Naivetät ist,
und was sich eigentlich bei jedem ernstem wissenschaftlichen Werk von selbst'ver¬
steht: denn man wird nicht etwas schreiben, von dessen Neuheit und Wahrheit
man nicht überzeugt ist. — Was den Inhalt betrifft, so entspricht derselbe dem
Titel nicht ganz, denn der Versasser giebt eigentlich kein System, sondern theils eine
Polemik gegen die metaphysischen Grundbegriffe Hegels, theils Andeutungen, wo
man die wahren Grundbegriffe zu suchen habe. Die Polemik ist zum Theil scharf¬
sinnig und treffend, und man wird dem Versasser wol darin beistimmen, wenn er
Hegel's Auffassung von dem Begriff eines Anfangs der Wissenschaft, der gar nicht
vermittelt sein soll, so wie die Herleitung sämmtlicher Begriffe bei diesem Phi¬
losophen ans einem Begriff, der mit dem Nichtbegriff identificirt wird, als un¬
richtig verwirft. An Stelle des reinen Seins setzt Herr Engel das Eins als
absoluten Grundbegriff, und sucht aus demselben die übrigen Begriffe herzuleiten.
Auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Ansicht im Ton der Schrift einzugehen,
würde hier nicht angebracht sein, da die Mehrzahl unsrer Leser kein Wort davon
verstehen, oder, wenn auch wirklich ein grammatisches Verständniß einträte, we¬
nigstens sich vergebens die Frage vorlegen würden, was für einen Zweck alle diese
Deductionen haben. Und weil das eine schwache Seite der ganzen neuern Me¬
taphysik ist, die als solche dem gesunden Menschenverstand vollständig klar gemacht
werden kann, so gehen wir hier flüchtig auf das Thema ein, indem wir es all¬
gemeiner fassen, als es der Versasser gethan.
Bei jeder andern Wissenschaft kann sich auch der Laie darüber orientiren,
womit sie sich eigentlich beschäftigt; bei der Philosophie ist es aber unmöglich.
Herr Engel wirft Hegel mit Recht vor, daß der Mangel einer Definition der
Wissenschaft ein Fehler sei, aber er verfällt in den nämlichen Fehler. Er
definirt Philosophie als das absolute Wissen, setzt aber sogleich hinzu, was diese
Definition eigentlich bedeute, könne man zu Anfang noch nicht wissen; es werde
sich das im spätern Verlauf ergeben. Da sind wir freilich ans dem Regen in
die Traufe gekommen. Wir wollen indeß die Definition festhalten und nach unsrem
gewöhnlichen Sprachgebrauch uns fragen, was man eigentlich darunter verstehen soll.
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