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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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abgeschlossen, W welchem der Beitritt den übrigen deutschen Staaten vorbehalten
sein sollte. Es waren die Bedingungen dieses Beitritts im Wesentlichen festgestellt,
Modificationen wurden im Einzelnen vorbehalten. Nun bildete sich aber die
Darmstädter Koalition, welche sich nicht nur unter einander, sondern auch gegen
Oestreich verpflichtete, auf diese Bedingungen nicht einzugehen. Die Unterhand¬
lungen konnten also nichts ausdrücken als eine Frist, die beiden Theilen gesetzt
wurde, von ihren ehemaligen Verpflichtungen wieder zurückzutreten. Eine solche
Frist muß ein Eude nehmen, und da vor Ablauf des gegenwärtigen Zolltermins
nothwendiger Weise die ferneren Zollverhälluisse regulirt sein müssen, so kann man
nicht sagen, das; das Eude zu früh herbeigeführt worden ist. Daß aber in dem
Abbruch der Verhandlungen an sich keine Beleidigung liegen kann, liegt doch wol
ans der Hand. Preußen hat den Antrag auf einen neuen Zollverein unter be¬
stimmten Bedingungen gestellt, die Coaiitionöstaaten finden es ihrem Interesse nicht
angemessen, auf diese Bedingungen einzugehen, was soll denn also anders geschehen,
als daß die beiden Theile zunächst versuchen, sich jeder für sich zu constituiren? '

Das ist der Hauptpunkt, um den es sich gegenwärtig handelt. Für
den Septcmbervertrag haben' sich von den bisherigen ZollvereinSstaatcn außer
Preußen uur die thüringischen Fürstenthümer und die enclavirten Länder aus¬
gesprochen. Diese Staaten werden also nun zunächst die Aufgabe haben, ihren
Vertrag definitiv festzustellen, die durch den veränderten Umfang nöthig gewordenen
Modificationen eintreten zu lassen und sich über die Bedingungen zu einigen, unter
denen den übrigen Staaten der Beitritt vorbehalten bleiben soll.

Auf der andern Seite muß die Koalition jetzt endlich aus ihrer negativen
Stellung heraustreten. Ob sie sich bereits im Geheimen ans diesen Fall vor¬
bereitet, ob sie für den neuen Mittel- und süddeutschen Zollverein' bereits ein Pro¬
gramm entworfen hat, ist uns nicht bekannt. Wis in dieser Beziehung veröffentlicht
worden ist, beschränkte sich meistentheils auf unbestimmt vorschwebende Eventuali-
täten. Darüber muß uun etwas Definitives festgesetzt, es muß dargestellt werden,
wie die Schwierigkeiten der geographischen Lage, die namentlich für Sachsen so
bedenklich erscheinen, überwunden werden können. Gelingt es, sie wirklich zu
überwinden und einen Zollverein abzuschließen, der Bayern, Württemberg, Baden,
Sachsen und die beiden Hessen umfaßt, und der die Interessen der in diesem
Raum vereinigten deutschen Völkerschaften besser wahrt, als ein Zollverein mit
Preußen, so werden wir ein solches Resultat zwar im Interesse des allgemeinen
deutschen Verkehrs und im Interesse der bisherigen Ordnung des Besitzes, die
durch eine solche Veränderung aufs Stärkste alterirt werden muß, lebhaft beklagen,
aber wir sehen darin uoch keinen Grund, den Landfrieden in Deutschland aufzu¬
heben. Zwischen Preußen und Hannover hat bisher anch eine Zollgrenze be¬
standen, ohne daß aus der Grenze deshalb ein beständiger Guerillakrieg statt¬
gefunden hätte.


abgeschlossen, W welchem der Beitritt den übrigen deutschen Staaten vorbehalten
sein sollte. Es waren die Bedingungen dieses Beitritts im Wesentlichen festgestellt,
Modificationen wurden im Einzelnen vorbehalten. Nun bildete sich aber die
Darmstädter Koalition, welche sich nicht nur unter einander, sondern auch gegen
Oestreich verpflichtete, auf diese Bedingungen nicht einzugehen. Die Unterhand¬
lungen konnten also nichts ausdrücken als eine Frist, die beiden Theilen gesetzt
wurde, von ihren ehemaligen Verpflichtungen wieder zurückzutreten. Eine solche
Frist muß ein Eude nehmen, und da vor Ablauf des gegenwärtigen Zolltermins
nothwendiger Weise die ferneren Zollverhälluisse regulirt sein müssen, so kann man
nicht sagen, das; das Eude zu früh herbeigeführt worden ist. Daß aber in dem
Abbruch der Verhandlungen an sich keine Beleidigung liegen kann, liegt doch wol
ans der Hand. Preußen hat den Antrag auf einen neuen Zollverein unter be¬
stimmten Bedingungen gestellt, die Coaiitionöstaaten finden es ihrem Interesse nicht
angemessen, auf diese Bedingungen einzugehen, was soll denn also anders geschehen,
als daß die beiden Theile zunächst versuchen, sich jeder für sich zu constituiren? '

Das ist der Hauptpunkt, um den es sich gegenwärtig handelt. Für
den Septcmbervertrag haben' sich von den bisherigen ZollvereinSstaatcn außer
Preußen uur die thüringischen Fürstenthümer und die enclavirten Länder aus¬
gesprochen. Diese Staaten werden also nun zunächst die Aufgabe haben, ihren
Vertrag definitiv festzustellen, die durch den veränderten Umfang nöthig gewordenen
Modificationen eintreten zu lassen und sich über die Bedingungen zu einigen, unter
denen den übrigen Staaten der Beitritt vorbehalten bleiben soll.

Auf der andern Seite muß die Koalition jetzt endlich aus ihrer negativen
Stellung heraustreten. Ob sie sich bereits im Geheimen ans diesen Fall vor¬
bereitet, ob sie für den neuen Mittel- und süddeutschen Zollverein' bereits ein Pro¬
gramm entworfen hat, ist uns nicht bekannt. Wis in dieser Beziehung veröffentlicht
worden ist, beschränkte sich meistentheils auf unbestimmt vorschwebende Eventuali-
täten. Darüber muß uun etwas Definitives festgesetzt, es muß dargestellt werden,
wie die Schwierigkeiten der geographischen Lage, die namentlich für Sachsen so
bedenklich erscheinen, überwunden werden können. Gelingt es, sie wirklich zu
überwinden und einen Zollverein abzuschließen, der Bayern, Württemberg, Baden,
Sachsen und die beiden Hessen umfaßt, und der die Interessen der in diesem
Raum vereinigten deutschen Völkerschaften besser wahrt, als ein Zollverein mit
Preußen, so werden wir ein solches Resultat zwar im Interesse des allgemeinen
deutschen Verkehrs und im Interesse der bisherigen Ordnung des Besitzes, die
durch eine solche Veränderung aufs Stärkste alterirt werden muß, lebhaft beklagen,
aber wir sehen darin uoch keinen Grund, den Landfrieden in Deutschland aufzu¬
heben. Zwischen Preußen und Hannover hat bisher anch eine Zollgrenze be¬
standen, ohne daß aus der Grenze deshalb ein beständiger Guerillakrieg statt¬
gefunden hätte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/118>, abgerufen am 27.09.2024.