Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.Rede mehr. Mit einem wahren Raffinement hat man nicht blos den ruhigen, Den Gipfel erreicht diese Ueberladung in dem berühmten Treppenhaus. Rede mehr. Mit einem wahren Raffinement hat man nicht blos den ruhigen, Den Gipfel erreicht diese Ueberladung in dem berühmten Treppenhaus. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95087"/> <p xml:id="ID_262" prev="#ID_261"> Rede mehr. Mit einem wahren Raffinement hat man nicht blos den ruhigen,<lb/> behaglichen Genuß, sondern selbst das materielle Anschauen erschwert. Eine Reihe<lb/> dxr werthvollsten Reliefarbeiten verlieren sich an Plätzen, wo kein Mensch sie<lb/> aufsuchen wird. Daß für den künstlerischen Eindruck eine gewisse Fülle des Raums<lb/> gehört, davon scheinen die Anordner des neuen Museums keinen Begriff<lb/> gehabt zu haben. So ist z. B. in dem Hauptsaal der Antike die braunrothe<lb/> Wandfarbe, die den weißen Statuen einen so zweckmäßigen Hintergrund giebt,<lb/> wie es auch in der Dresdner Galerie der Fall ist, allerdings angebracht, aber<lb/> oben und unten durch Reliefs so überkleidet, daß man blos einzelne dünne Streifen<lb/> davon steht; und wohl gemerkt, das sind Alles nicht bloße Decorationen, sondern<lb/> bedeutende Kunstwerke, die ein Studium verlangen. Um manche davon zu sehen,<lb/> wird man an der Decke einen Strick anbringen müssen, an dem man sich in der<lb/> Luft balancirt, und wenn man die Raumersparnis;, was gar nicht unwahrschein¬<lb/> lich ist, so weit treibt, auch den Fußboden mit kleinen Statuetten zu besetzen, so<lb/> wird sich ein Theil des Publicums auf den Bauch legen können, während der andere<lb/> in der Luft schwebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_263" next="#ID_264"> Den Gipfel erreicht diese Ueberladung in dem berühmten Treppenhaus.<lb/> Wir läugnen das Jmponirende desselben nicht, denn jede große, nach allen drei<lb/> Dimensionen hin Perspectiven eröffnende Räumlichkeit macht einen bedeutenden<lb/> Eindruck; wir würden auch selbst nicht so übertriebenes Gewicht darauf legen,<lb/> daß eine Treppe doch eigentlich nicht Selbstzweck sein, daß sie, um schön zu<lb/> wirken, immer nur den Eindruck einer Vorbereitung erregen darf; wir würden,<lb/> wie gesagt, von dieser Ausstellung absehen, wenn man nur erreichte, die<lb/> Kunstschätze, die in diesem verhältnißmäßig kleinen Raume aufgespeichert sind,<lb/> überall von dem richtigen Standpunkte aus anzusehen. Das ist aber nicht der<lb/> Fall. Gegenwärtig kann man die großen Kaulbach'schen Wandgemälde von dem<lb/> Bretergerüst aus betrachten, auf welchem sie gearbeitet werden; wenn dieses aber<lb/> abgebrochen sein wird, so gewährt die ganze Treppe keinen einzigen Standpunkt,<lb/> von dem aus man auch nur eines dieser Gemälde so sehe« könnte, wie man es<lb/> sehen sollte. Einzelne Treppenwendungen stehen dem Zuschauer geradezu im<lb/> Wege. Dieser Uebelstand wird noch vergrößert durch die neue Methode der von<lb/> Kaulbach angewandten Freskomalerei. Die alten Fresken verlangten eine gewisse<lb/> Entfernung des Beschauers, einen so zu sagen liberalen Standpunkt, Kaulbach's<lb/> Fresken dagegen wetteifern nicht nur an Glanz und Detailausführung mit der<lb/> Oelmalerei, sie überbieten dieselbe sogar. Das ist für den entfernten Beschauer<lb/> kein günstiger Umstand, denn es entgeht ihm nicht nur Vieles, sondern er wird<lb/> auch dnrch die Lichteffecte verwirrt. Ueber diesen Wandgemälden sind noch eine<lb/> Reihe sehr fein erfundener anmuthiger Arabesken angebracht, die eine halb humo¬<lb/> ristische Symbolisirung der Weltgeschichte darstellen, »ut die, wenn man sie im Carton<lb/> unmittelbar vor sich hat, einen sehr wohlthuenden Eindruck machen. Von diesen fleht man</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
Rede mehr. Mit einem wahren Raffinement hat man nicht blos den ruhigen,
behaglichen Genuß, sondern selbst das materielle Anschauen erschwert. Eine Reihe
dxr werthvollsten Reliefarbeiten verlieren sich an Plätzen, wo kein Mensch sie
aufsuchen wird. Daß für den künstlerischen Eindruck eine gewisse Fülle des Raums
gehört, davon scheinen die Anordner des neuen Museums keinen Begriff
gehabt zu haben. So ist z. B. in dem Hauptsaal der Antike die braunrothe
Wandfarbe, die den weißen Statuen einen so zweckmäßigen Hintergrund giebt,
wie es auch in der Dresdner Galerie der Fall ist, allerdings angebracht, aber
oben und unten durch Reliefs so überkleidet, daß man blos einzelne dünne Streifen
davon steht; und wohl gemerkt, das sind Alles nicht bloße Decorationen, sondern
bedeutende Kunstwerke, die ein Studium verlangen. Um manche davon zu sehen,
wird man an der Decke einen Strick anbringen müssen, an dem man sich in der
Luft balancirt, und wenn man die Raumersparnis;, was gar nicht unwahrschein¬
lich ist, so weit treibt, auch den Fußboden mit kleinen Statuetten zu besetzen, so
wird sich ein Theil des Publicums auf den Bauch legen können, während der andere
in der Luft schwebt.
Den Gipfel erreicht diese Ueberladung in dem berühmten Treppenhaus.
Wir läugnen das Jmponirende desselben nicht, denn jede große, nach allen drei
Dimensionen hin Perspectiven eröffnende Räumlichkeit macht einen bedeutenden
Eindruck; wir würden auch selbst nicht so übertriebenes Gewicht darauf legen,
daß eine Treppe doch eigentlich nicht Selbstzweck sein, daß sie, um schön zu
wirken, immer nur den Eindruck einer Vorbereitung erregen darf; wir würden,
wie gesagt, von dieser Ausstellung absehen, wenn man nur erreichte, die
Kunstschätze, die in diesem verhältnißmäßig kleinen Raume aufgespeichert sind,
überall von dem richtigen Standpunkte aus anzusehen. Das ist aber nicht der
Fall. Gegenwärtig kann man die großen Kaulbach'schen Wandgemälde von dem
Bretergerüst aus betrachten, auf welchem sie gearbeitet werden; wenn dieses aber
abgebrochen sein wird, so gewährt die ganze Treppe keinen einzigen Standpunkt,
von dem aus man auch nur eines dieser Gemälde so sehe« könnte, wie man es
sehen sollte. Einzelne Treppenwendungen stehen dem Zuschauer geradezu im
Wege. Dieser Uebelstand wird noch vergrößert durch die neue Methode der von
Kaulbach angewandten Freskomalerei. Die alten Fresken verlangten eine gewisse
Entfernung des Beschauers, einen so zu sagen liberalen Standpunkt, Kaulbach's
Fresken dagegen wetteifern nicht nur an Glanz und Detailausführung mit der
Oelmalerei, sie überbieten dieselbe sogar. Das ist für den entfernten Beschauer
kein günstiger Umstand, denn es entgeht ihm nicht nur Vieles, sondern er wird
auch dnrch die Lichteffecte verwirrt. Ueber diesen Wandgemälden sind noch eine
Reihe sehr fein erfundener anmuthiger Arabesken angebracht, die eine halb humo¬
ristische Symbolisirung der Weltgeschichte darstellen, »ut die, wenn man sie im Carton
unmittelbar vor sich hat, einen sehr wohlthuenden Eindruck machen. Von diesen fleht man
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