Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wurden. Nur zwanzig Minuten von dem Gensdanneriepvsten am Thore von
Nonciglione entfernt und noch am hellen Tage wurde der Wagen von etwa zehn
mit Büchsen bewaffneten Strauchdieben angehalten, die> sofort dem Kutscher und
Cvuducteur befahlen, abzusteigen, was diese aufs Schnellste und Gewissenhafteste
ausführten. Meine Freunde, die nnr das Reden hörten, waren noch gar nicht
onentirt, und glaubten, es wäre eine Guardia urbana, die den Kutscher um etwas
f^ge., als der Schlag an-fgerissen wurde und sich ans jeder Seite zwei Gewehr-
läufe aus sie richteten, -während ihnen geboten wurde, auszusteigen. ^Bekanntlich
darf mau keine Waffen in Italien führen, was wollten sie also thun; sie traten
heraus und erblickten um sich herum vermummte und bewaffnete Strauchdiebe,
die sie mit Kolbenstoßen nöthigten, sich niederzuwerfen, während neben Jeden
sich ein Kerl pflanzte, der bei der geringsten Bewegung wieder wüthend mit dem
Kolben auf sie losstieß. Die Scene war um so empörender, als es kaum einem
Zweifel unterlag, daß die Räuber eben so feig als frech waren, denn sie hüteten
steh sorgfältig, das Gesicht blicken zu lassen, und vollführten die Aus-
Plünderung mit solcher Hast, daß es einem der jungen Männer gelang, wenig¬
stens die goldene Uhr zu retten. Nachdem sie persönlich durchsucht waren, ging
^ in größter Eile an die Koffer, und das Ganze ward mit solcher Stille und
Schnelligkeit abgemacht, daß der Abgang der Ränber dem einen Deutschen nur
dadurch bemerkbar ward, daß auf einmal das Paar Füße neben ihm, die er allein
sehen konnte, verschwunden war, woraus er, nach einigem Horchen, umblickte, das
verschwinden sah, und nun erst den Leidensgefährten, die es noch gar nicht be¬
merkt, zurief, sich zu erheben. --

So ziemlich übler Laune fuhren die Armen nach Nonciglivne vollends hinein
"ut machten der Gensdarmerie am Thore sogleich die Anzeige, in der Hoffnung,
daß man den Räubern gleich vor Anbruch der völligen Nacht nachsetzen werde,
und gingen dann zum Gericht, um die Sache zu Protocoll zu geben. Als sie
von da um zehn wieder zurückkehrten, waren indessen die Carabinieri noch ganz
Whig an ihrem alten Platze, strichen sich die großen Schnurrbärte, und schienen
auch uicht die geringste Lust zu haben, sich in dergleichen Unannehmlichkeiten zu
verwickeln. Eben so wenig befassen sich die Franzosen mit der Sicherheits-Polizei
in den von ihnen besetzten Gegenden, und nnr die Oestreicher ziehen unermüdlich
"aber, um der Sache in ihren Districten ein Ende zu machen, was ihnen auch
größtentheils gelungen ist, nachdem sie schon viele Dutzend dieser Halunken in
Bologna, Ancona und anderwärts erschießen lassen. --

Rom ist jetzt ungewöhnlich still und öde, und nur das Napoleonssest von
gestern brachte eine kleine Abwechselung in die herrschende Langeweile. Ich hatte
jedoch nicht Gelegenheit, so wenig als bei dem frühern Adlerfeste, sehr napvleo-
nistische Gesinnungen bei der. hiesigen Garnison zu bemerken. Damals äußerten
die Soldaten ihre Spöttereien über die ganze Ceremonie sehr ungenirt, und außer
''


33*

wurden. Nur zwanzig Minuten von dem Gensdanneriepvsten am Thore von
Nonciglione entfernt und noch am hellen Tage wurde der Wagen von etwa zehn
mit Büchsen bewaffneten Strauchdieben angehalten, die> sofort dem Kutscher und
Cvuducteur befahlen, abzusteigen, was diese aufs Schnellste und Gewissenhafteste
ausführten. Meine Freunde, die nnr das Reden hörten, waren noch gar nicht
onentirt, und glaubten, es wäre eine Guardia urbana, die den Kutscher um etwas
f^ge., als der Schlag an-fgerissen wurde und sich ans jeder Seite zwei Gewehr-
läufe aus sie richteten, -während ihnen geboten wurde, auszusteigen. ^Bekanntlich
darf mau keine Waffen in Italien führen, was wollten sie also thun; sie traten
heraus und erblickten um sich herum vermummte und bewaffnete Strauchdiebe,
die sie mit Kolbenstoßen nöthigten, sich niederzuwerfen, während neben Jeden
sich ein Kerl pflanzte, der bei der geringsten Bewegung wieder wüthend mit dem
Kolben auf sie losstieß. Die Scene war um so empörender, als es kaum einem
Zweifel unterlag, daß die Räuber eben so feig als frech waren, denn sie hüteten
steh sorgfältig, das Gesicht blicken zu lassen, und vollführten die Aus-
Plünderung mit solcher Hast, daß es einem der jungen Männer gelang, wenig¬
stens die goldene Uhr zu retten. Nachdem sie persönlich durchsucht waren, ging
^ in größter Eile an die Koffer, und das Ganze ward mit solcher Stille und
Schnelligkeit abgemacht, daß der Abgang der Ränber dem einen Deutschen nur
dadurch bemerkbar ward, daß auf einmal das Paar Füße neben ihm, die er allein
sehen konnte, verschwunden war, woraus er, nach einigem Horchen, umblickte, das
verschwinden sah, und nun erst den Leidensgefährten, die es noch gar nicht be¬
merkt, zurief, sich zu erheben. —

So ziemlich übler Laune fuhren die Armen nach Nonciglivne vollends hinein
»ut machten der Gensdarmerie am Thore sogleich die Anzeige, in der Hoffnung,
daß man den Räubern gleich vor Anbruch der völligen Nacht nachsetzen werde,
und gingen dann zum Gericht, um die Sache zu Protocoll zu geben. Als sie
von da um zehn wieder zurückkehrten, waren indessen die Carabinieri noch ganz
Whig an ihrem alten Platze, strichen sich die großen Schnurrbärte, und schienen
auch uicht die geringste Lust zu haben, sich in dergleichen Unannehmlichkeiten zu
verwickeln. Eben so wenig befassen sich die Franzosen mit der Sicherheits-Polizei
in den von ihnen besetzten Gegenden, und nnr die Oestreicher ziehen unermüdlich
»aber, um der Sache in ihren Districten ein Ende zu machen, was ihnen auch
größtentheils gelungen ist, nachdem sie schon viele Dutzend dieser Halunken in
Bologna, Ancona und anderwärts erschießen lassen. —

Rom ist jetzt ungewöhnlich still und öde, und nur das Napoleonssest von
gestern brachte eine kleine Abwechselung in die herrschende Langeweile. Ich hatte
jedoch nicht Gelegenheit, so wenig als bei dem frühern Adlerfeste, sehr napvleo-
nistische Gesinnungen bei der. hiesigen Garnison zu bemerken. Damals äußerten
die Soldaten ihre Spöttereien über die ganze Ceremonie sehr ungenirt, und außer
''


33*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94872"/>
          <p xml:id="ID_1298" prev="#ID_1297"> wurden. Nur zwanzig Minuten von dem Gensdanneriepvsten am Thore von<lb/>
Nonciglione entfernt und noch am hellen Tage wurde der Wagen von etwa zehn<lb/>
mit Büchsen bewaffneten Strauchdieben angehalten, die&gt; sofort dem Kutscher und<lb/>
Cvuducteur befahlen, abzusteigen, was diese aufs Schnellste und Gewissenhafteste<lb/>
ausführten. Meine Freunde, die nnr das Reden hörten, waren noch gar nicht<lb/>
onentirt, und glaubten, es wäre eine Guardia urbana, die den Kutscher um etwas<lb/>
f^ge., als der Schlag an-fgerissen wurde und sich ans jeder Seite zwei Gewehr-<lb/>
läufe aus sie richteten, -während ihnen geboten wurde, auszusteigen. ^Bekanntlich<lb/>
darf mau keine Waffen in Italien führen, was wollten sie also thun; sie traten<lb/>
heraus und erblickten um sich herum vermummte und bewaffnete Strauchdiebe,<lb/>
die sie mit Kolbenstoßen nöthigten, sich niederzuwerfen, während neben Jeden<lb/>
sich ein Kerl pflanzte, der bei der geringsten Bewegung wieder wüthend mit dem<lb/>
Kolben auf sie losstieß. Die Scene war um so empörender, als es kaum einem<lb/>
Zweifel unterlag, daß die Räuber eben so feig als frech waren, denn sie hüteten<lb/>
steh sorgfältig, das Gesicht blicken zu lassen, und vollführten die Aus-<lb/>
Plünderung mit solcher Hast, daß es einem der jungen Männer gelang, wenig¬<lb/>
stens die goldene Uhr zu retten. Nachdem sie persönlich durchsucht waren, ging<lb/>
^ in größter Eile an die Koffer, und das Ganze ward mit solcher Stille und<lb/>
Schnelligkeit abgemacht, daß der Abgang der Ränber dem einen Deutschen nur<lb/>
dadurch bemerkbar ward, daß auf einmal das Paar Füße neben ihm, die er allein<lb/>
sehen konnte, verschwunden war, woraus er, nach einigem Horchen, umblickte, das<lb/>
verschwinden sah, und nun erst den Leidensgefährten, die es noch gar nicht be¬<lb/>
merkt, zurief, sich zu erheben. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1299"> So ziemlich übler Laune fuhren die Armen nach Nonciglivne vollends hinein<lb/>
»ut machten der Gensdarmerie am Thore sogleich die Anzeige, in der Hoffnung,<lb/>
daß man den Räubern gleich vor Anbruch der völligen Nacht nachsetzen werde,<lb/>
und gingen dann zum Gericht, um die Sache zu Protocoll zu geben. Als sie<lb/>
von da um zehn wieder zurückkehrten, waren indessen die Carabinieri noch ganz<lb/>
Whig an ihrem alten Platze, strichen sich die großen Schnurrbärte, und schienen<lb/>
auch uicht die geringste Lust zu haben, sich in dergleichen Unannehmlichkeiten zu<lb/>
verwickeln. Eben so wenig befassen sich die Franzosen mit der Sicherheits-Polizei<lb/>
in den von ihnen besetzten Gegenden, und nnr die Oestreicher ziehen unermüdlich<lb/>
»aber, um der Sache in ihren Districten ein Ende zu machen, was ihnen auch<lb/>
größtentheils gelungen ist, nachdem sie schon viele Dutzend dieser Halunken in<lb/>
Bologna, Ancona und anderwärts erschießen lassen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1300" next="#ID_1301"> Rom ist jetzt ungewöhnlich still und öde, und nur das Napoleonssest von<lb/>
gestern brachte eine kleine Abwechselung in die herrschende Langeweile. Ich hatte<lb/>
jedoch nicht Gelegenheit, so wenig als bei dem frühern Adlerfeste, sehr napvleo-<lb/>
nistische Gesinnungen bei der. hiesigen Garnison zu bemerken. Damals äußerten<lb/>
die Soldaten ihre Spöttereien über die ganze Ceremonie sehr ungenirt, und außer<lb/>
''</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 33*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0431] wurden. Nur zwanzig Minuten von dem Gensdanneriepvsten am Thore von Nonciglione entfernt und noch am hellen Tage wurde der Wagen von etwa zehn mit Büchsen bewaffneten Strauchdieben angehalten, die> sofort dem Kutscher und Cvuducteur befahlen, abzusteigen, was diese aufs Schnellste und Gewissenhafteste ausführten. Meine Freunde, die nnr das Reden hörten, waren noch gar nicht onentirt, und glaubten, es wäre eine Guardia urbana, die den Kutscher um etwas f^ge., als der Schlag an-fgerissen wurde und sich ans jeder Seite zwei Gewehr- läufe aus sie richteten, -während ihnen geboten wurde, auszusteigen. ^Bekanntlich darf mau keine Waffen in Italien führen, was wollten sie also thun; sie traten heraus und erblickten um sich herum vermummte und bewaffnete Strauchdiebe, die sie mit Kolbenstoßen nöthigten, sich niederzuwerfen, während neben Jeden sich ein Kerl pflanzte, der bei der geringsten Bewegung wieder wüthend mit dem Kolben auf sie losstieß. Die Scene war um so empörender, als es kaum einem Zweifel unterlag, daß die Räuber eben so feig als frech waren, denn sie hüteten steh sorgfältig, das Gesicht blicken zu lassen, und vollführten die Aus- Plünderung mit solcher Hast, daß es einem der jungen Männer gelang, wenig¬ stens die goldene Uhr zu retten. Nachdem sie persönlich durchsucht waren, ging ^ in größter Eile an die Koffer, und das Ganze ward mit solcher Stille und Schnelligkeit abgemacht, daß der Abgang der Ränber dem einen Deutschen nur dadurch bemerkbar ward, daß auf einmal das Paar Füße neben ihm, die er allein sehen konnte, verschwunden war, woraus er, nach einigem Horchen, umblickte, das verschwinden sah, und nun erst den Leidensgefährten, die es noch gar nicht be¬ merkt, zurief, sich zu erheben. — So ziemlich übler Laune fuhren die Armen nach Nonciglivne vollends hinein »ut machten der Gensdarmerie am Thore sogleich die Anzeige, in der Hoffnung, daß man den Räubern gleich vor Anbruch der völligen Nacht nachsetzen werde, und gingen dann zum Gericht, um die Sache zu Protocoll zu geben. Als sie von da um zehn wieder zurückkehrten, waren indessen die Carabinieri noch ganz Whig an ihrem alten Platze, strichen sich die großen Schnurrbärte, und schienen auch uicht die geringste Lust zu haben, sich in dergleichen Unannehmlichkeiten zu verwickeln. Eben so wenig befassen sich die Franzosen mit der Sicherheits-Polizei in den von ihnen besetzten Gegenden, und nnr die Oestreicher ziehen unermüdlich »aber, um der Sache in ihren Districten ein Ende zu machen, was ihnen auch größtentheils gelungen ist, nachdem sie schon viele Dutzend dieser Halunken in Bologna, Ancona und anderwärts erschießen lassen. — Rom ist jetzt ungewöhnlich still und öde, und nur das Napoleonssest von gestern brachte eine kleine Abwechselung in die herrschende Langeweile. Ich hatte jedoch nicht Gelegenheit, so wenig als bei dem frühern Adlerfeste, sehr napvleo- nistische Gesinnungen bei der. hiesigen Garnison zu bemerken. Damals äußerten die Soldaten ihre Spöttereien über die ganze Ceremonie sehr ungenirt, und außer '' 33*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/431
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/431>, abgerufen am 22.12.2024.