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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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nommer zu haben. -- War nun die erste Erfahrung nicht eben viel verheißend,
so mußte dagegen der Augenschein überführen, daß der Staat doch vorzüglicher
administrirt war, als der Kirchenstaat; Straßen und öffentliche Gebäude waren
in viel besserem Zustande, und Neapel macht in Vergleichung mit dem zerlumpten
und herabgekommenen finstern Rom einen außerordentlich reinlichen, wohlhabenden
und rührigen Eindruck, ja eine gewisse in Italien ungewohnte Ordnung und
Regelmäßigkeit sind nicht zu verkeimen, beten Aufrechthaltung bei dieser überaus
schmuzigen und unordentlichen Bevölkerung gewiß nicht geringe Schwierigkeit
machen. Auch die heitere Stimmung der Bevölkerung stach sehr ab gegen den
finstern und verbissenen Trotz der Römer, die sich mit der gegenwärtigen Ordnung
der Dinge aus tausend sehr haltbaren Gründen noch gar nicht befreundet haben,
während hier die große Masse der Bevölkerung offenbar ganz zufrieden, oder
doch von der Hoffnung auf Revolution ganz abgekommen ist. Freilich traf ich
sehr viel militärische Schaustellung, meist aber ist hier mildes Regiment, und
was darüber im Auslande gefabelt wird, ist zu neun Zehnteln erlogen. Ich selbst
habe mich verführen lassen, Ihnen von Rom ans zwei Thatsachen zu erzählen,
die ich aus der cvmpetentesten Quelle zu haben glaubte, und die ich hier bei
genauerem Nachfragen doch sehr übertrieben und entstellt fand.*) Herrn Peters,
des Handlungsreisender Unglück wenigstens hat sich einfach darauf beschränkt, daß
er nicht eher vom Schiff gelassen wurde, als bis er nachgewiesen hatte, daß er
nicht der revolutionaire Peters sei, wozu das Zeugniß des Consuls genügte. -- Es
ist in dieser Beziehung offenbar unglaublich gelogen worden, es gab z. B.
Henry Gladstone die Anzahl der Verurtheilten und Eingekerkerten ans 23000 an,
während sie nie mehr als 2300 betrug und jetzt noch viel geringer ist. -- Herrn
Poerio's Proceß wurde öffentlich geführt wie alle anderen, und in Neapel soll
anßer seinen Gesinnungsgenossen kein Mensch an der Gesetzmäßigkeit seiner Ver-
urtheilung und an seiner Schuld zweifeln. Ueberhaupt habe ich hier noch Nie¬
mand der langjährigen Angefesselten, selbst die vielen höchst demokratisch gesinnten
Schweizer Kaufleute nicht, mit irgend einer Theilnahme von der revolutionairen
Partei sprechen hören, die nach übereinstimmendem Urtheil brutaler, roher und
zügelloser auftrat und deren Erfolg zu schlimmeren Zuständen geführt hätte, als
irgendwo. -- Daß die Pfaffen großen Einfluß haben und ihn sehr übel ver¬
wenden, davon bin ich freilich zu oft Augenzeuge gewesen, als daß ich es bezweifeln "
könnte, so sah ich z. B. noch vorgestern in Sorrent am Freitagmorgeu auf dein
Platz einen Pulcinell erst seine zotigen Späße machen und dann von der Marionetten-
Bude herunter Ablaßzettel feilbieten, die v,on der Menge begierig gekauft wurden.



Wir müssen zu dieser Berichtigung bemerken, daß wir dabei außer Schuld sind. Der
Berichterstatter war uns als ein zuverlässiger, besonnener Mann bekannt, dessen conservative
Gesinnung weit über die unsrige hinausging, und er hatte uns gerade in diesem Fall seine
Quelle als eine solche bezeichnet, an deren Zuverlässigkeit uicht zu zweifeln war.-

nommer zu haben. — War nun die erste Erfahrung nicht eben viel verheißend,
so mußte dagegen der Augenschein überführen, daß der Staat doch vorzüglicher
administrirt war, als der Kirchenstaat; Straßen und öffentliche Gebäude waren
in viel besserem Zustande, und Neapel macht in Vergleichung mit dem zerlumpten
und herabgekommenen finstern Rom einen außerordentlich reinlichen, wohlhabenden
und rührigen Eindruck, ja eine gewisse in Italien ungewohnte Ordnung und
Regelmäßigkeit sind nicht zu verkeimen, beten Aufrechthaltung bei dieser überaus
schmuzigen und unordentlichen Bevölkerung gewiß nicht geringe Schwierigkeit
machen. Auch die heitere Stimmung der Bevölkerung stach sehr ab gegen den
finstern und verbissenen Trotz der Römer, die sich mit der gegenwärtigen Ordnung
der Dinge aus tausend sehr haltbaren Gründen noch gar nicht befreundet haben,
während hier die große Masse der Bevölkerung offenbar ganz zufrieden, oder
doch von der Hoffnung auf Revolution ganz abgekommen ist. Freilich traf ich
sehr viel militärische Schaustellung, meist aber ist hier mildes Regiment, und
was darüber im Auslande gefabelt wird, ist zu neun Zehnteln erlogen. Ich selbst
habe mich verführen lassen, Ihnen von Rom ans zwei Thatsachen zu erzählen,
die ich aus der cvmpetentesten Quelle zu haben glaubte, und die ich hier bei
genauerem Nachfragen doch sehr übertrieben und entstellt fand.*) Herrn Peters,
des Handlungsreisender Unglück wenigstens hat sich einfach darauf beschränkt, daß
er nicht eher vom Schiff gelassen wurde, als bis er nachgewiesen hatte, daß er
nicht der revolutionaire Peters sei, wozu das Zeugniß des Consuls genügte. — Es
ist in dieser Beziehung offenbar unglaublich gelogen worden, es gab z. B.
Henry Gladstone die Anzahl der Verurtheilten und Eingekerkerten ans 23000 an,
während sie nie mehr als 2300 betrug und jetzt noch viel geringer ist. — Herrn
Poerio's Proceß wurde öffentlich geführt wie alle anderen, und in Neapel soll
anßer seinen Gesinnungsgenossen kein Mensch an der Gesetzmäßigkeit seiner Ver-
urtheilung und an seiner Schuld zweifeln. Ueberhaupt habe ich hier noch Nie¬
mand der langjährigen Angefesselten, selbst die vielen höchst demokratisch gesinnten
Schweizer Kaufleute nicht, mit irgend einer Theilnahme von der revolutionairen
Partei sprechen hören, die nach übereinstimmendem Urtheil brutaler, roher und
zügelloser auftrat und deren Erfolg zu schlimmeren Zuständen geführt hätte, als
irgendwo. — Daß die Pfaffen großen Einfluß haben und ihn sehr übel ver¬
wenden, davon bin ich freilich zu oft Augenzeuge gewesen, als daß ich es bezweifeln "
könnte, so sah ich z. B. noch vorgestern in Sorrent am Freitagmorgeu auf dein
Platz einen Pulcinell erst seine zotigen Späße machen und dann von der Marionetten-
Bude herunter Ablaßzettel feilbieten, die v,on der Menge begierig gekauft wurden.



Wir müssen zu dieser Berichtigung bemerken, daß wir dabei außer Schuld sind. Der
Berichterstatter war uns als ein zuverlässiger, besonnener Mann bekannt, dessen conservative
Gesinnung weit über die unsrige hinausging, und er hatte uns gerade in diesem Fall seine
Quelle als eine solche bezeichnet, an deren Zuverlässigkeit uicht zu zweifeln war.-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/428>, abgerufen am 22.12.2024.