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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Regierung die von ihm geforderte Summe für übcrtricl'en hält; setzt sie nun selbst ans
1000 Psd. an, läßt aber mit sich.wie ein Jude handeln, bis aus den 1000 Pfd.
300, und aus den S00 250 Psd. geworden; als seltsame Zugabe erhält er die Frei¬
lassung eines andern Engländers, dessen unrechtmäßige Verhaftung wegen Jucompctenz
des Kriegsgerichts von der östreichischen Regierung schon anerkannt war. Zu guter Letzt
desavouirt er auch noch den vermittelnden Agenten im Ganze", nachdem er vor¬
her im Einzelnen Alles gebilligt hat. Sein zweites Meisterwerk ist der Ab¬
schluß eines Vertrags mit Frankreich zur gegenseitigen Auslieferung von Verbrechern.
Er compromittirt dabei die Unterschrift der Krone, indem er, ohne die Nechtsbcamten
der letztem zu Rathe zu ziehen, einen Vertrag abschließt, dessen Bestimmungen nach den
englischen Gesetzen nicht ausführbar find, so daß er ihn wieder rückgängig machen muß.
Um den Vertrag auszuführen, legt er dem Oberhaus- in aller Unschuld ein Gesetz zur
gegenseitigen Auslieferung von Verbrechern vor, dessen.Anwendung die französische Po¬
lizei in den Stand setzen könnte, französische Flüchtlinge in England in ihre Gewalt zu
bekommen, ohne Engländern in Frankreich einen Schutz zu gewähren. Während der
Debatte zeigt Lord Malmesbury die Ausdehnung seiner Kenntniß dadurch > daß er das
Vorhandensein eines Gesetzes in Frankreich abläugnet, welches englische Complicen in
Frankreich für in England gegen Frankreich begangene Verbrechen verantwortlich macht;
und zu derselben Zeit wird das Gesetz aus Engländer in Paris angewendet, die für
die Aeußerungen ihrer Redacteure in London verantwortlich gemacht werden. So sehen
wir Lord Malmesbury bereit, den letzten Rest Preßfreiheit, der in Europa noch vor¬
handen ist, durch internationale.Verträge zu vernichten, und das stolze "6lois Komsvus
sum", das der Engländer bisher von sich im Auslande sagen konnte, durch gefällige
' Nachsicht gegen die Launen continentaler Regierungen zur leeren Phrase zu machen.
Ganz ein auswärtiger Minister nach dem Herzen der jetzt auf dem Kontinent Herr¬
schenden, ein Vorposten des Absolutismus auf der Insel der Freiheit; aber in England
erweckt er nnr Entrüstung und Verachtung, außer bei ein paar alten ausgedienter
Diplomaten, die . die schönen Congreßzeiten und die damals angeknüpften Freundschaften
nicht vergessen können.

Ein englisches Blatt faßt sein Urtheil über das ganze Ministerium in folgenden
Worten zusammen: "Das gegenwärtige Ministerium fristet sich das Dasein durch die¬
selbe Taktik, die es an seinen Vorgängern bitter getadelt hat, nur daß es beide Arten
der Taktik zugleich angenommen. Sir Robert Peel sagte sich offen los von dem Pro-
tectionssysteme; das gegenwärtige Cabinet giebt es auf, aber nicht offen. Die Whigs
nahmen Maßregeln unter ihre Obhut, um sie nicht zur Ausführung gelangen zu lasse",
verkleideten Widerstand in Zweideutigkeit, entzogen sich der Verantwortlichkeit dnrch
Ausflüchte: das neue Cabinet überbietet diese Kunst dadurch, daß es gleichzeitig Alles
unterstützt -- Protection und Freihandel -- Maynooth und Exeterhall. Das vorige
Ministerium benutzte das Wahlmanvevriren als eine Aushilfe; das gegenwärtige macht
das Ministerium! selbst zu einem Central-Wahlcomitve, und die Staatsgeschäfte eines
großen Reichs werden nach den Bedürfnissen von Mr. Rigbys' Comitve (in Comngsby)
geleitet.'

Der arme Feargus OConnor, das parlamentarische Organ der englischen Char¬
tisten, die Haupthoffnung derer, die Englands baldige Nevolutionisinmg oder Socialisirung
prophezeihe", ist hoffmmgslos verrückt geworden, nachdem er eine Zeit lang England


Regierung die von ihm geforderte Summe für übcrtricl'en hält; setzt sie nun selbst ans
1000 Psd. an, läßt aber mit sich.wie ein Jude handeln, bis aus den 1000 Pfd.
300, und aus den S00 250 Psd. geworden; als seltsame Zugabe erhält er die Frei¬
lassung eines andern Engländers, dessen unrechtmäßige Verhaftung wegen Jucompctenz
des Kriegsgerichts von der östreichischen Regierung schon anerkannt war. Zu guter Letzt
desavouirt er auch noch den vermittelnden Agenten im Ganze», nachdem er vor¬
her im Einzelnen Alles gebilligt hat. Sein zweites Meisterwerk ist der Ab¬
schluß eines Vertrags mit Frankreich zur gegenseitigen Auslieferung von Verbrechern.
Er compromittirt dabei die Unterschrift der Krone, indem er, ohne die Nechtsbcamten
der letztem zu Rathe zu ziehen, einen Vertrag abschließt, dessen Bestimmungen nach den
englischen Gesetzen nicht ausführbar find, so daß er ihn wieder rückgängig machen muß.
Um den Vertrag auszuführen, legt er dem Oberhaus- in aller Unschuld ein Gesetz zur
gegenseitigen Auslieferung von Verbrechern vor, dessen.Anwendung die französische Po¬
lizei in den Stand setzen könnte, französische Flüchtlinge in England in ihre Gewalt zu
bekommen, ohne Engländern in Frankreich einen Schutz zu gewähren. Während der
Debatte zeigt Lord Malmesbury die Ausdehnung seiner Kenntniß dadurch > daß er das
Vorhandensein eines Gesetzes in Frankreich abläugnet, welches englische Complicen in
Frankreich für in England gegen Frankreich begangene Verbrechen verantwortlich macht;
und zu derselben Zeit wird das Gesetz aus Engländer in Paris angewendet, die für
die Aeußerungen ihrer Redacteure in London verantwortlich gemacht werden. So sehen
wir Lord Malmesbury bereit, den letzten Rest Preßfreiheit, der in Europa noch vor¬
handen ist, durch internationale.Verträge zu vernichten, und das stolze „6lois Komsvus
sum", das der Engländer bisher von sich im Auslande sagen konnte, durch gefällige
' Nachsicht gegen die Launen continentaler Regierungen zur leeren Phrase zu machen.
Ganz ein auswärtiger Minister nach dem Herzen der jetzt auf dem Kontinent Herr¬
schenden, ein Vorposten des Absolutismus auf der Insel der Freiheit; aber in England
erweckt er nnr Entrüstung und Verachtung, außer bei ein paar alten ausgedienter
Diplomaten, die . die schönen Congreßzeiten und die damals angeknüpften Freundschaften
nicht vergessen können.

Ein englisches Blatt faßt sein Urtheil über das ganze Ministerium in folgenden
Worten zusammen: „Das gegenwärtige Ministerium fristet sich das Dasein durch die¬
selbe Taktik, die es an seinen Vorgängern bitter getadelt hat, nur daß es beide Arten
der Taktik zugleich angenommen. Sir Robert Peel sagte sich offen los von dem Pro-
tectionssysteme; das gegenwärtige Cabinet giebt es auf, aber nicht offen. Die Whigs
nahmen Maßregeln unter ihre Obhut, um sie nicht zur Ausführung gelangen zu lasse»,
verkleideten Widerstand in Zweideutigkeit, entzogen sich der Verantwortlichkeit dnrch
Ausflüchte: das neue Cabinet überbietet diese Kunst dadurch, daß es gleichzeitig Alles
unterstützt — Protection und Freihandel — Maynooth und Exeterhall. Das vorige
Ministerium benutzte das Wahlmanvevriren als eine Aushilfe; das gegenwärtige macht
das Ministerium! selbst zu einem Central-Wahlcomitve, und die Staatsgeschäfte eines
großen Reichs werden nach den Bedürfnissen von Mr. Rigbys' Comitve (in Comngsby)
geleitet.'

Der arme Feargus OConnor, das parlamentarische Organ der englischen Char¬
tisten, die Haupthoffnung derer, die Englands baldige Nevolutionisinmg oder Socialisirung
prophezeihe», ist hoffmmgslos verrückt geworden, nachdem er eine Zeit lang England


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/38>, abgerufen am 22.12.2024.