Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.die Königin Victoria gegeben. Ihr Besuch am belgischen Hos und der innig vertrauliche die Königin Victoria gegeben. Ihr Besuch am belgischen Hos und der innig vertrauliche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0360" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94801"/> <p xml:id="ID_1089" prev="#ID_1088" next="#ID_1090"> die Königin Victoria gegeben. Ihr Besuch am belgischen Hos und der innig vertrauliche<lb/> Umgang der beiden Rcgcntenfamilien unter einander in einer Zeit, wo die Bedrohungen<lb/> von Seiten Frankreichs sich immer mehr um das kleine Königreich zusammenziehen, ist<lb/> ganz geeignet, das Elysöe daran zu erinnern, daß England seinen mächtigen Arm<lb/> schützend über das kleine, aber für unsre politische Entwickelung höchst einflußreiche<lb/> Land breitet, welches sonst der Willkür seines Nachbarn preisgegeben wäre. — Da<lb/> wir in der letzten Zeit übrigens nur zu viel Gelegenheit gehabt haben, das Pietäts¬<lb/> verhältniß, welches zwischen den Fürsten und Völkern bestehen soll, in Frage gestellt zu<lb/> sehen, so können wir nicht ohne wohlthuendes Gefühl aus Erscheinungen verweilen, wie<lb/> sie der englische und der belgische Hos darbieten. Es ist heut zu Tage Mode geworden,<lb/> die Rolle eines constitutionellen Monarchen, der gezwungen ist, sich innerhalb<lb/> der Grenzen der Verfassung zu bewegen, von der komischen Seite aufzufassen. Nur<lb/> das alleroberflächlichste Urtheil kann sich bei einer solchen Anschauungsweise beruhigen.<lb/> König Leopold hat in sehr kritischen Tagen, ohne jemals über die Schranken seiner<lb/> Befugniß hinauszugehen, eine Weisheit entwickelt, die dem mächtigsten Fürsten Ehre<lb/> machen würde, und die das Land auch über die gegenwärtige Krisis glücklich hinaus¬<lb/> führen wird; und dasselbe muß von der Königin Victoria behauptet werden: Die<lb/> eigenthümlich verwickelten Verhältnisse der gegenwärtigen politischen Parteien hätten einer<lb/> ehrgeizigen Frau die beste Gelegenheit zu wirksamen Intriguen geboten, und daß sich<lb/> die Königin von England derselben auch da enthalten hat, wo der Versuch nahe lag,<lb/> ist ein wesentliches Moment sür die Festigung des monarchischen Sinnes der Engländer,<lb/> der ihnen in allen weiteren Verwickelungen als ein fester Anker dienen wird. Und würdig<lb/> steht ihr darin ihr Gemahl zur Seite, der seine dem Anscheine nach wahrlich nicht<lb/> sehr dankbare Aufgabe so glücklich gelöst hat, daß er nicht durch seine Stellung, sondern<lb/> durch seine Persönlichkeit gegenwärtig zü den geehrtester und einflußreichsten Männern<lb/> von England gehört. Dem stolzen und eifersüchtigen englischen Adel gegenüber ist<lb/> dieser Erfolg keine Kleinigkeit. — Sehr wesentlich hat zu dieser erfreulichen Haltung<lb/> der Umstand beigetragen, daß Königin Victoria im Kreise der Whigs erzogen ist. Sie<lb/> hat die Vorliebe für diese Partei, einen einzigen Fall ausgenommen, wo man ihr<lb/> eigentlich vom menschlichen Standpunkt die volle Theilnahme nicht versagen kann, niemals<lb/> politisch geltend gemacht; aber sie ist beständig den constitutionellen Grundsätzen, die<lb/> doch vorzugsweise von dieser Partei getragen werden, treu geblieben. Die gegen¬<lb/> wärtige Stellung der toryistischen Partei wäre, wenn ein herrschsüchtiger Regent ihr<lb/> zur Seite stände, nicht ohne Gefahr für das Land, denn die Wahl der Rathgeber der<lb/> Krone, das wichtigste Geschäft des Königthums in England, ist nicht mehr durch einen<lb/> so ganz einfachen Mechanismus bedingt, wie vor einigen Jahren. — Was die Lage<lb/> der Tories betrifft, die durch die gegenwärtigen Parlamentswahlen keine bestimmten<lb/> Umrisse gewonnen hat, so wird sie hoffentlich dnrch die Streitigkeiten mit Amerika sehr<lb/> bald eine entscheidende Wendung nehmen. Diese im Wesentlichen unbedeutenden, aber<lb/> das Nationalgefühl der Amerikaner verletzenden und wenigstens die Möglichkeit eines<lb/> Bruchs herbeiführender. Streitigkeiten müssen das Cabinet beim englischen Volk vollends<lb/> unpopulair machen, da wol nicht die geringste Neigung zu einer wirklichen Feindseligkeit<lb/> mit einem Volk, dessen große Bedeutung für die allgemeine Cultur kein Engländer<lb/> mehr verkennt, vorhanden sein wird. — Eine nicht uninteressante Episode des politi¬<lb/> schen Lebens bildet der veröffentlichte Briefwechsel zwischen Lord Londonderry und Louis</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0360]
die Königin Victoria gegeben. Ihr Besuch am belgischen Hos und der innig vertrauliche
Umgang der beiden Rcgcntenfamilien unter einander in einer Zeit, wo die Bedrohungen
von Seiten Frankreichs sich immer mehr um das kleine Königreich zusammenziehen, ist
ganz geeignet, das Elysöe daran zu erinnern, daß England seinen mächtigen Arm
schützend über das kleine, aber für unsre politische Entwickelung höchst einflußreiche
Land breitet, welches sonst der Willkür seines Nachbarn preisgegeben wäre. — Da
wir in der letzten Zeit übrigens nur zu viel Gelegenheit gehabt haben, das Pietäts¬
verhältniß, welches zwischen den Fürsten und Völkern bestehen soll, in Frage gestellt zu
sehen, so können wir nicht ohne wohlthuendes Gefühl aus Erscheinungen verweilen, wie
sie der englische und der belgische Hos darbieten. Es ist heut zu Tage Mode geworden,
die Rolle eines constitutionellen Monarchen, der gezwungen ist, sich innerhalb
der Grenzen der Verfassung zu bewegen, von der komischen Seite aufzufassen. Nur
das alleroberflächlichste Urtheil kann sich bei einer solchen Anschauungsweise beruhigen.
König Leopold hat in sehr kritischen Tagen, ohne jemals über die Schranken seiner
Befugniß hinauszugehen, eine Weisheit entwickelt, die dem mächtigsten Fürsten Ehre
machen würde, und die das Land auch über die gegenwärtige Krisis glücklich hinaus¬
führen wird; und dasselbe muß von der Königin Victoria behauptet werden: Die
eigenthümlich verwickelten Verhältnisse der gegenwärtigen politischen Parteien hätten einer
ehrgeizigen Frau die beste Gelegenheit zu wirksamen Intriguen geboten, und daß sich
die Königin von England derselben auch da enthalten hat, wo der Versuch nahe lag,
ist ein wesentliches Moment sür die Festigung des monarchischen Sinnes der Engländer,
der ihnen in allen weiteren Verwickelungen als ein fester Anker dienen wird. Und würdig
steht ihr darin ihr Gemahl zur Seite, der seine dem Anscheine nach wahrlich nicht
sehr dankbare Aufgabe so glücklich gelöst hat, daß er nicht durch seine Stellung, sondern
durch seine Persönlichkeit gegenwärtig zü den geehrtester und einflußreichsten Männern
von England gehört. Dem stolzen und eifersüchtigen englischen Adel gegenüber ist
dieser Erfolg keine Kleinigkeit. — Sehr wesentlich hat zu dieser erfreulichen Haltung
der Umstand beigetragen, daß Königin Victoria im Kreise der Whigs erzogen ist. Sie
hat die Vorliebe für diese Partei, einen einzigen Fall ausgenommen, wo man ihr
eigentlich vom menschlichen Standpunkt die volle Theilnahme nicht versagen kann, niemals
politisch geltend gemacht; aber sie ist beständig den constitutionellen Grundsätzen, die
doch vorzugsweise von dieser Partei getragen werden, treu geblieben. Die gegen¬
wärtige Stellung der toryistischen Partei wäre, wenn ein herrschsüchtiger Regent ihr
zur Seite stände, nicht ohne Gefahr für das Land, denn die Wahl der Rathgeber der
Krone, das wichtigste Geschäft des Königthums in England, ist nicht mehr durch einen
so ganz einfachen Mechanismus bedingt, wie vor einigen Jahren. — Was die Lage
der Tories betrifft, die durch die gegenwärtigen Parlamentswahlen keine bestimmten
Umrisse gewonnen hat, so wird sie hoffentlich dnrch die Streitigkeiten mit Amerika sehr
bald eine entscheidende Wendung nehmen. Diese im Wesentlichen unbedeutenden, aber
das Nationalgefühl der Amerikaner verletzenden und wenigstens die Möglichkeit eines
Bruchs herbeiführender. Streitigkeiten müssen das Cabinet beim englischen Volk vollends
unpopulair machen, da wol nicht die geringste Neigung zu einer wirklichen Feindseligkeit
mit einem Volk, dessen große Bedeutung für die allgemeine Cultur kein Engländer
mehr verkennt, vorhanden sein wird. — Eine nicht uninteressante Episode des politi¬
schen Lebens bildet der veröffentlichte Briefwechsel zwischen Lord Londonderry und Louis
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |